The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Monat: September 2016

Die Welt schaut auf diese Stadt: Nazis, die AfD und das „Pack“ in Berlin stehen wieder vor dem Einzug ins Parlament

 

Wer AfD wählt hat offenkundig kein Problem mit Rassismus, Deutschnationalismus und Antisemitismus.

Jede Wählerin und jeder Wähler bekommt seit über zwei Jahren mit, wie nazistisch, rassistisch, antisemitisch, völkisch und deutschnational die AfD ist.

Alle wissen das, da es noch nie eine so massenmediale Verbreitung der Hetze einer nicht mal im Bundestag vertretenen Partei wie der AfD gab, von Günther Jauch über Anne Will und Fank Plasberg hin zu Sandra Maischberger etc. pp.

Wir müssen weg von der „Konsensdemokratie“, die noch mit jedem Nazi ernsthaft redet und ihn „zurückholen“ möchte – es geht um klare Grenzen, z.B. Rassisten oder Antisemiten gerade nicht medial zu promoten und nicht in TV-Talkshows einzuladen. Das ist eine Message und Kritik des Spiegel Kolumnisten Georg Diez. Weniger die AfD promoten, denn sie ignorieren oder kritisieren. Ich würde sagen: über die AfD reden, nicht mit ihr. Das ist antifaschistische Grundausbildung.

Antifa (nicht Carl Schmitt) statt Habermas. Kritik statt Konsens.

In der AfD sprechen Agitatoren wie Goebbels, spielen mit einem Schießbefehl auf Flüchtlinge an der Grenze, promoten die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion, diffamieren das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und sind gegen Abtreibung, alle zusammen hetzen gegen Angela Merkel und wollen am liebsten eine demokratisch gewählte Kanzlerin wegputschen oder gewaltsam entfernen.

Galgen für Gabriel und Merkel auf Pegida-Demo in Dresden – Pegida ist ein ungeistiger wie praktischer Verbündeter der AfD und Pegidisten sprachen schon auf AfD-Veranstaltungen, die AfD ist gegen Moscheebauten wie in Erfurt.

Auf einer AfD-Demo wird gegen die USA agitiert und antiamerikanische Verschwörungsmythen werden promotet. Das vom extremen Rechten Jürgen Elsässer geführte Compact-Magazin fantasiert hierbei davon, das ganze Land sei von NSA und USA  besetzt – so Poster auf der großen bundesweiten AfD-Demo am 7.11.2015 in Berlin:

AfD-Demo, 7. November 2015, Berlin; Foto: Sören Kohlhuber

AfD-Demo, 7. November 2015, Berlin; Foto: Sören Kohlhuber

 

In Berlin fordert ein AfD-Mann alle Flüchtlinge in „Lager“ zu stecken, in unbewohnten Gebieten.

Jene „Klimaverschärfung“, von der die Journalistin der Stuttgarter Zeitung Katja Bauer im November 2015 sprach, ist in einem Maße eingetreten, dass es wohl nur sehr wenige AnalystInnen zu ahnen vermochten.

JEDE Wählerin und JEDER Wähler der Alternative für Deutschland (AfD), von den Funktionären nicht zu schweigen, agieren de facto antisemitisch und rechtsextrem. Es zählt die gesamte Partei und die steht – vorneweg Petry, Gauland, Meuthen, Höcke – für Antisemitismus, Rassismus, Deutschnationalismus und Kokettieren mit dem Nationalsozialismus wie der Trivialisierung und Verhöhnung der Opfer von Auschwitz, wenn Holocaustopfer mit heutigen Flüchtlingen in Zügen analogisiert werden, wie es der Berliner AfD-Vize Hugh Bronson tut.

Ein bekannte Neo-Nazi-Taktik ist heutzutage, die ungeheuerlichsten Sachen zu sagen, die entsprechende Reaktionen zu bekommen, zumindest von dem Teil der Bevölkerung, der nicht antisemitisch, rassistisch und deutschnational oder eiskalt abgeklärt ist, und dann scheibchenweise Nazi-Ideologeme oder andere problematische Topoi wieder zurückzunehmen, was in jedem einzelnen Fall unglaubwürdig ist und die WählerInnen das Augenzwinkern jeder Rücknahme natürlich sehen.

Andere wie die CSU nehmen de facto bestimmte Teile der AfD-Ideologie auf und verschärfen sie sogar noch, wie Claus Kleber im ZDF am Beispiel Horst Seehofer verdeutlichte.

Jeder Wähler und jede Wählerin in Berlin, der oder die AfD wählt, verdient Verachtung und politische und soziale Isolation. Diese Menschen gehören nicht zu einer demokratischen Gesellschaft. Sie gehören bekämpft. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Nehmen wir als letztes ein besonders krasses und abstossendes Beispiel (als ob es da eine Hierarchie des Ekels geben könnte bei der AfD):

Der Berater der Vorsitzenden der AfD, Frauke Petry, Michael Klonovsky, schreibt am 11.09.2016 auf seinem Blog:

„eine Frau ohne Kinder ist eine traurige, zuweilen sogar tragische Figur. Sie hat den eigentlichen Zweck ihres Daseins verfehlt.“ –

Angesichts dieser Frauenverachtung, die zu den „Lebensschützern“, die am 17. September 2016 in Berlin wieder aufmarschieren,  passt, gilt:

Kein Platz für die AfD, andere Mutterkreuz-Nazis, Frauenverachter und christliche FanatikerInnen in Berlin und nirgendwo sonst.

Die Ideologie der AfD ist ganz offen völkisch.

Es ist moralisch noch viel schlimmer nach 1945 das Wort völkisch zu benutzen denn z.B. 1897, damals bereitete es den Judenmord vor, ohne zu ahnen, ob und wie er passieren wird – nach 1945 ist es eine Zustimmung zu Auschwitz. Ein Wörtchen, das für die Affirmation des deutschen Verbrechens der Vernichtung des europäischen Judentums steht. Natürlich augenzwinkernd, AfD-Taktik.

Doch nicht wenige Journalisten und Historiker (gerade solche, die gegen die AfD sind) scheinen nicht zu verstehen, dass die Neue Rechte nach 1945 agiert und diese Bejahung der deutschen Verbrechen im Wieder-Verwenden eines Adjektivs wie „völkisch“ drin steckt und gerade kein Zurück ins Kaiserreich oder der Weimarer Zeit meint.

Wer heute von völkisch redet wie Petry zwinkert den AnhängerInnen zu: „Auschwitz, not sooo bad“ … Sie weiß ob der Perfidie ihrer Strategie, ohne den Holocaust zu leugnen oder offensiv zu bejahen.

Zur völkischen Ideologie der AfD gehört das Nazi-Mutterkreuz wie die neonazistische Identitäre Bewegung zur ideologischen wie organisatorischen Grundausstattung.

Gerade die Linkspartei versteht jedoch häufig gar nicht den völkischen und nazistischen Charakter der AfD, sondern kapriziert sich oft auf die „soziale Frage“, den „neoliberalen Charakter der AfD“ oder äfft die AfD nach, wie die „heilige Johanna der deutschen Nationalbewegung“, Sahra Wagenknecht. Falsch. Es geht nicht um die „soziale Frage“ bei der AfD. Es geht um Deutschland, Rassismus, Hetze gegen alle Nicht-Deutschen bzw. Deutsche mit der aus Rassistenperspektive „falschen“ Hautfarbe wie Boateng, es geht um Nationalismus, Antisemitismus und das Kokettieren mit dem Holocaust und dem SS-Staat.

Das ist der Kern der Salonfähigkeit der Neuen Rechten und nicht „Abstiegsängste“, geringe Renten oder Arbeitslosigkeit und wie die Ausreden für völkische WählerInnen alle heißen.

Wählt morgen demokratisch und lasst euch vom AfD-Kuschelkurs und der Trivialisierung der Nazi-Gefahr der AfD einer Margarete Stokowski auf SpiegelOnline (SPON) oder eines Gerhard Appenzeller im Tagesspiegel nicht aus dem antifaschistischen und demokratischen Konzept bringen.

Stokowski hatte auf SpiegelOnline ernsthaft geschrieben, dass gerade die deutsche Geschichte doch gezeigt habe, Antifaschismus sei manchmal erfolgreich und manchmal halt nicht. Keine Panik also:

Deutschland ist ein Land, das eine außerordentlich gründlich dokumentierte historische Vorlage hat, auf die man jetzt zurückgreifen könnte, um sich zu informieren, wie rechtes Denken sich verbreitet, wie Widerstand dagegen aussehen kann, warum er manchmal scheitert und manchmal erfolgreich ist.

„Manchmal“ ist der „Widerstand“ halt „gescheitert“. Manchmal!

Auschwitz, Sobibor, Bergen-Belsen, Oranienburg, Majdanek sind halt passiert, Pech. Das seien lediglich Zeichen, dass „manchmal“ der Widerstand nicht erfolgreich war. „Manchmal“, Leute, also bitte nicht aufregen oder das Präzedenzlose, nie Dagewesene der Shoah thematisieren. Die ist nur ein Beispiel, wo es halt schief ging mit dem Widerstand.

Ist halt passiert. Dieses flapsig-lässig-geschwätzige Hinweggehen über das präzedenzlose Verbrechen der Shoah durch Margarete Stokowski ist typisch für viele heutige AutorInnen. Was es z.B. für Nachkommen von Holocaustopfern oder für Holocaustüberlebende und deren Nachfahren bedeutet, wenn eine Partei wie die AfD in Parlamente einzieht, ist ihr mit solchem Gerede offenkundig völlig schnuppe.

Und Gerd Appenzeller vom Tagesspiegel, ein erfahrener Journalist, der während des Zweiten Weltkrieges 1943 in Berlin geboren wurde, attackiert gar den Berliner Regierenden Bürgermeister Michael Müller für dessen „Alarmismus“, weil dieser auch AfD-WählerInnen scharf angeht, da die Wahl der AfD als Nazi-Revival weltweit Schlagzeilen machen würde.

Ja, würde es, lieber Tagesspiegel, und dank dem Tagesspiegel wird die AfD auch weiter trivialisiert und lieber die SPD diffamiert in ihrer scharfen Attacke auf die AfD und – das ist so wichtig – dem Fokus auf die WählerInnen der AfD, ganz normale Deutsche.

Bei aller so scharfen Kritik an Sigmar Gabriel, der aus der SPD das gemacht hat, was sie heute ist (inklusive des Kungelns mit dem islamistisch-antisemitischen Regime in Teheran), sein Wort vom deutschen „Pack“ (nicht nur in Heidenau und Sachsen) geht in die Geschichtsbücher ein, weil es die Wahrheit ist. Auch sein Mittelfinger für die Nazis der Identitären Bewegung kam aus tiefstem Herzen und das ist gut so.

Und ganz zu Recht hat Gabriel in seinem Statement in Heidenau deutlich gemacht, dass Nazis auch im Sportverein, auf der Arbeit, im Kirchenchor oder beim Rockfestival, auf der Autobahnraststätte, beim „Odin-sei-bei-mir“-Rufen im Schwarzwald, beim Paintball-Spielen in der Lüneburger Heide, beim Einkaufen, im Fußball-Stadion nicht nur in Dortmund oder Dresden, dem Boxring oder beim Rumlungern und Warten auf das nächste „du Opfer“ oder „du Jude“ (wobei sie diese Ressentiments mit nicht wenigen muslimischen Jugendlichen teilen!) isoliert, attackiert und kritisiert gehören.

Wer nicht erkennt, in welcher gesamtwestlichen, zumal gesamteuropäischen Situation wir uns befinden, wo Rechtsextreme (darunter all jene zärtlich als „besorgte Bürger“, „Rechtspopulisten“, „Protestwähler“ etc. Kategorisierten) Wahlerfolge feiern und die politische Kultur massiv nach rechts verschieben, wie in Ungarn, Österreich, Schweden, Holland, Frankreich, England (und Trump in USA) – die oder der hat nicht kapiert, was diese Zeit auch hierzulande geschlagen hat.

Es geht um die Verteidigung der Demokratie, nicht mehr und nicht weniger, egal welche demokratische Partei man wählt – wobei die CSU eine Art zweite AfD in Bayern ist und es ist wiederum der nach extrem rechts abdriftende Berliner Tagesspiegel, der für eine erzkonservative oder „stramm konservative Politik“ plädiert bzw. sie lobt:

Ist es echt so schlimm? Gehen wir mal kurz die zentralen Forderungen der CSU durch: Flüchtlingsobergrenze von 200.000 Menschen, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, Burka-Verbot, Vorrang für Zuwanderer „aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis“. Sind das verbotene Forderungen, ist es rechtsradikal, gefährden solche Ansichten den sozialen Frieden? Natürlich nicht. Es ist stramm konservative Politik.

Sicher ist ein Burkaverbot höchst angesagt. Die Würde der Frau ist unantastbar.

Aber alles andere ist Rassismus, namentlich der „Vorrang für Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis“ wie auch eine „Obergrenze“ für Flüchtlinge (!).

Wenn Michael Müller in der taz schreibt:

Die Tage der politischen Leichtigkeit sind vorbei, wir erleben eine Zeit, die mehr Ernsthaftigkeit von allen erfordert.

dann hat er die Zeichen der Zeit klar erkannt. Sicher ist das auch Teil des Wahlkampfes und das heißt nicht, dass man die SPD super-duper-toll finden muss, alleine schon das Ausgrenzen eines anti-islamistischen SPDlers wie Erol Özkaraca ist problematisch und sollte kritisiert werden:

Im Sommer 2015 hatte sich Özkaraca mit seinem Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh, wie er Muslim, überworfen. Es ging um die Frage, wie nah Islam und Staat sich kommen dürfen. Özkaraca interpretiert seinen Glauben liberal, er besteht auf einer strikten Trennung zwischen Religion und Staat. Saleh trat dagegen ein für einen Staatsvertrag mit Berlins muslimischen Verbänden, wie in Hamburg und in Bremen. Und er zeigte sich offen für eine Änderung des Berliner Neutralitätsgesetzes, das Lehrern sichtbare religiöse Symbole verbietet, also auch Frauen ein Kopftuch.

Vor dem Bürofenster Özkaracas ist eine ganze Batterie von seinen Wahlplakaten aufgestellt, versehen mit dem Konterfei des Kandidaten sowie politischen Slogans, die angesichts der allgemeinen Einfallslosigkeit der sonstigen gedruckten politischen Aussagen teils frech, teils provokant erscheinen. „Der Rechtsstaat gilt überall. Sogar in Neukölln“ steht dort zu lesen, oder „Religion ist Privatsache. Extremismus nicht“.

Die SPD hat sich als Partei ganz klar als Anti-AfD-Partei gezeigt.

Es gibt auch in Berlin viel zu viele Menschen, die die AfD wählen werden. Es geht darum, den Prozentsatz der AfD so gering wie möglich zu halten und die Neue Rechte auch im Parlament zu bekämpfen, mit allen Mitteln. Das ist Realpolitik.

Auch bisherige oder häufige NichwählerInnen, AnarchistInnen (solange sie nicht eh libertäre Nazis sind), Antideutsche und SkeptikerInnen sollten diesmal wählen gehen, demokratisch.

Die AfD ist nicht nur eine etwas erfolgreichere NPD. Die AfD steht für eine neue deutsche Volksgemeinschaft und für das Mainstreamen von Rassismus, Deutschnationalismus und Antisemitismus. Davon konnte die NPD niemals auch nur träumen.

Leute: Es sind krasse Zeiten und krasse Zeiten verlangen krasse Handlungen. Und sei es, die AfD parlamentarisch zu bekämpfen und wählen zu gehen.

 

 

 

Von der SED zur AfD? Warum die Neue Rechte die DDR schon 1981 als besonders „deutsch“ wahrnahm

Update und verändert, 5.9.16, 17:30 Uhr

Folgendes Zitat aus einer Studie der Linkspartei/PDS des Publizisten Erhard Crome aus dem Jahr 2001 könnte als Indikator dienen, warum die extreme Rechte in der Ex-DDR so viel Erfolg hat:

»Eins hat die DDR im Laufe ihrer 40jährigen Existenz geschafft, was in der BRD nie gelungen war, nämlich die Wörter ›Liebe‹ und ›Vaterland‹ immer wieder in einem Satz unterzubringen, z. B. in der Wendung ›Liebe zum sozialistischen Vaterland‹.“

Der Wahlerfolg für die Rechtsextremen der AfD vom 4. September 2016 ist schockierend. Vor allem an der Ostseeküste, Greifswalder Gegend vorneweg plus Rügen, haben die extremen Rechten, Rechtspopulisten, besorgten Bürger und Nazis teils um die 35% der Stimmen und mehr, wenn man dann noch die NPD dazu nimmt, die dort auch auf über 5% der Zweitstimmen kommt.

Flüchtlinge spielen in diesem Bundesland so gut wie keine Rolle. 2015 kamen 23.000 Flüchtlinge nach MeckPomm, davon sind ca. 1/3 geblieben.

„Im vergangenen Jahr wurden 23.080 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern registriert. 2016 sind es bislang 3.180 (Stand Ende Februar). Das Land muss exakt 2,03 Prozent aller Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Das sieht der ‚Königsteiner Schlüssel‘ vor, eine Quote, die sich nach Bevölkerungszahl und Steueraufkommen richtet.“

So wenig wie der Antisemit Juden benötigt, so wenig braucht der Rassist sein Objekt der Begierde zu sehen etc. – es findet im Kopf statt, ohne hier den Verschwörungswahnsinn des Antisemitismus und die Vernichtungsabsicht gegenüber Juden oder Israel auf den Rassismus zu übertragen oder gleichzusetzen.

Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern stirbt eh aus, seit 1990 hat es 300.000 BewohnerInnen verloren und hat jetzt 1,6 Mio. Dass die Menschen dort gar kein Interesse am Überleben haben, zeigt sich daran, dass sie die wenigen Flüchtlinge, die dort ankamen, auch noch weghaben wollen und AfD wählen.

Der Rassismus in Mecklenburg-Vorpommern ist also extrem und beweist, dass Rassisten keine sichtbaren Flüchtlinge brauchen für ihren Hass und ihr völkisches Deutschtum.

Dass mittlerweile massive Teile der Bevölkerung, zwischen 15% (BaWü) und ca. 25 % in MeckPomm (AfD plus NPD) bzw. Sachsen-Anhalt rassistisch und deutschnational wählen, zeigt an, dass dieses Land ein enormes Problem mit der Bevölkerung hat.

Die Medien spielen eine entscheidende Rolle hierbei. Ohne die Auftritte bei Jauch, Maischberger oder Soft&Blöd wäre die Partei nicht da, wo sie jetzt ist, das wäre eine eigene medienpolitische Studie wert.

Nicht nur der Springer-Konzern beschäftigt (nicht nur einen, wie zu vermuten ist) Publizisten, die seit Jahren der Neuen Rechten Nahrung bieten und von der „öffentlichen“=guten, AfD-nahen und der „veröffentlichten“=bösen, nicht-nazistischen Meinung daher schwadronieren.

Auch die SPD muss gar nicht drum herum reden, sie selbst ist mit verantwortlich für die Hetze gegen Merkel, Erwin Sellering z.B., der alte und neue oberste Seemann im nordöstlichsten Bundesland, der Merkel mit verantwortlich machte für den Aufstieg der AfD.

Den Aufstieg der AfD verdankt die Partei dem Rassismus und Deutschtum, dem Antisemitismus und der Erinnerungsabwehr an Auschwitz durch weite Teile der Bevölkerung und der Medien. Ein obsessiver Hass auf Political Correctness, auf Gender, Homosexualität, alles irgendwie Linke oder so Kategorisierte, auf ökologisch Sensible wie gewerkschaftlich Organisierte wie auch die Sehnsucht nach einem Schießbefehl (nicht nur) an der Grenze ist typisch für die „besorgten Bürger“, wie Rechtsextreme heute bevorzugt genannt werden. Es geht ihnen um kollektive deutsche Identität, die das Fehlen einer Ich-Identität zu kompensieren verspricht, wie die Sozialpsychologie analysieren würde.

In einer Demokratie muss es dazu gehören, Teile der Bevölkerung zu beschimpfen und sie als „Pack“ zu bezeichnen und sie nicht als Wähler „zurück“ zu gewinnen. Die Menschen können sich ändern – oder auch nicht. Wir haben Aktionen erlebt, wo ganz normale Deutsche Flüchtlinge als „Dreck“ bezeichnet haben. Das führte Sigmar Gabriel seinerzeit dazu, von diesen Menschen ganz gezielt von „Pack“ zu reden.

Wer in einem Bundesland, das so gut wie keine Flüchtlinge je gesehen hat, diese zu DEM Thema macht, ist wahnsinnig und obsessiv rassistisch. Das trifft auf weite Teile der Ex-DDR zu, Sachsen vorneweg als bevölkerungsreichstes Ossi-Land. Und wer angesichts von Familien oder Alleinstehenden, die dem Horror Syriens entkommen sind, gegen diese Menschen hetzt und sie als „Dreck“ diffamiert – hat selbst jede Menschlichkeit verloren.

Der autoritäre Charakter Vieler in der Ex-DDR kommt auch von der DDR Sozialisation her, aber nicht nur.

Doch jetzt wird es interessant: in einem extrem rechten, konservativen, schwarzrotgold illustrierten Sammelband mit dem Titel „Das Volk ohne Staat. Von der Babylonischen Gefangenschaft der Deutschen“ aus dem Jahr 1981 wird das deutsche Moment der SED und der DDR hochgehalten.

In einem Beitrag des extrem rechten Publizisten Klaus Motschmann heißt es, nachdem er bereits (seiner Lesart zufolge) pro-deutsche Passagen aus dem Werk von Friedrich Engels und Karl Marx wohlwollend zitierte:

„In der DDR-Verfassung ist die gesamtdeutsche Komponente dadurch unterstrichen worden, daß in Artikel 8 die ‚Überwindung der vom Imperialismus der deutschen Nation aufgezwungenen Spaltung‘ als ‚nationales Anliegen‘ in den Rang eines Verfassungsauftrages erhoben wurde. Der damalige Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht erkläre dieses ‚Anliegen‘ aus der ‚festen Überzeugung, daß der Sozialismus keinen Umweg um Westdeutschland machen wird, und daß der Tag kommt, wo die westdeutschen Arbeiter und ihre Verbündeten mit uns gemeinsam den Weg zu einem vereinigten sozialistischen Deutschland beschreiten werden.‘“

1984 schrieb DER Vordenker der Neuen Rechten in der Bundesrepublik, Henning Eichberg, mal wieder über die DDR. Eichberg erkannte nach seinen Versuchen u. a. die Grünen, die Republikaner und auch die SPD für das neu-rechte Projekt zu begeistern in den 1990er Jahren in der deutschen politischen Landschaft eine neue und weitere Möglichkeit für ›nationale‹ Politik: die PDS. Als Nachfolgepartei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bot sie sich durchaus an.

Eichberg hat sich schon 1973 über die DDR-Forschung zu ‚Turnvater‘ Friedrich Ludwig Jahn anerkennend geäußert, weil sie dessen nationalrevolutionäre Theorie nicht kritisiert habe, wie es in der BRD Usus gewesen sei (was natürlich in West-Berlin niemand davon abhält, ein Jahn-Denkmal in der Hasenheide aus dem 19. Jahrhundert, das nicht nur zu Nazizeiten geehrt wurde, stehen zu lassen und heute wird Jahn auch in der ‚gesamtdeutschen‘ Sportwissenschaft nicht selten wohlwollend rezipiert). Der Leipziger Sporthistoriker Willi Schröder wird dabei von ihm im Gegensatz zur BRD-Forschung positiv gewürdigt, da er Jahn als Beispiel für »Turnen und Nationalismus« gelobt und den ›Turnvater‹ vor Kritik an dessen Nationalismus in Schutz genommen habe:

»Die Verbindung dieses Patriotismus mit der Turner- und der Studentenbewegung wird in der DDR-Literatur positiv gewertet und detailliert aus den Quellen erforscht. Aus der reichhaltigen Literatur seien nur genannt: die für das folgende vor allem benutzte Habilitationsschrift von Willi Schröder: Burschenturner im Kampf um Einheit und Freiheit, Berlin 1967.«

In der BRD hingegen behandle man das Thema Jahn und Nationalismus »gern polemisch abwertend«. Eichberg schätzt die DDR übrigens auch in anderen Bereichen wegen ihres ›deutschen‹ Charakters, wie er in einem Text 1984 ausplaudert:

»›Westdeutschland geht den amerikanischen Weg. Das sieht man schon an den McDonald-Geschäften überall am Wege. Die Deutschen in der Bundesrepublik gleichen nicht mehr sich selbst. Wenn man die Deutschen als Volk erleben will, muß man in die DDR reisen. Dort stellen die Leute noch ihren Käse und ihre Würste selbst her.‹ – So sagt Lahmer Hirsch, Medizinmann der Lakota Sioux. Ich möchte grinsen, weil ich mir vorstelle, wie die Arbeiter von Leuna sich ihren Käse selbst herstellen. Aber dann sehe ich den Lahmen Hirsch selbst grinsen. Hat er nicht recht? Oft sagt ein Medizinmann nur das, was alle anderen in ihrem Innern schon wissen.«

So verwundert es nicht, wenn Eichberg in seinem wohlwollenden Gespräch mit der „linken“ Szene-Zeitschrift Ästhetik & Kommunikation (Ä&K) 1979 von der »Körpersprache« spricht, die ihn mit »Freunden aus der DDR« verbinde und er sich in solchen gleichsam ›körperlichen‹ Situationen »als Deutscher« empfinde …

Soviel zum deutschnationalen Potential in der DDR, das seit 1990 in einem Maße losschlug, wie es selbst die Neue Rechte kaum für möglich gehalten hat.

Solange die demokratische politische Klasse es jedoch nicht lernt, Menschen mit Inhalten zu konfrontieren und nicht auf sie als mögliche Wähler zu schielen, so lange wird der Aufstieg der Nazis sich fortsetzen, nächstes Mal in Berlin. Man muss diese WählerInnen der AfD verachten dürfen, wie es der Publizist Christoph Giesa tut.
Wenn es eine einzige Politikerin in Europa und der westlichen Welt gab in den letzten 12 Monaten, die Anstand bewiesen hat und menschliche Wärme wie Weitsicht, war es Angela Merkel.
Das ist gar keine Apologie aller ihrer Politiken wie dem elenden Iran-Deal, der unerträglichen Austeritätspolitik, ihrer Erdogan-Politik und vielem anderen mehr. Sie ist eine Konservative und das ist keine fortschrittliche Perspektive im 21. Jahrhundert. Aber eben um Welten harmloser als der Neo-Nazismus und Rechtsextremismus, wie wir ihn heute wieder in Parlamenten und auf den Straßen wie in Dresden (Pegida) erleben.

Also: Der Hass, der Merkel von Rechtsextremen in Frankreich (Front National) über Faschisten, Rechtspopulisten, autoritären, völkischen, vom Ressentiment getriebenen PolitikerInnen in Holland (Wilders), Ungarn (Orbán), Österreich (Hofer, FPÖ) und Deutschland (AfD, NPD, Sahra Wagenknechts Linkspartei) und vielen Publizisten weit in der sog. bürgerlichen Mitte entgegenschlägt, ist unfassbar und zeigt an: die Neue Rechte strebt zur Macht. Und noch nie musste eine Kanzlerin oder ein Kanzler so stark gegen so widerwärtige Kräfte bestehen, denn dazu kommt ja noch die bayerische AfD-Light, die CSU.
Dabei will die AfD primär zerstören, die Demokratie zerstören um den Weg für eine Führerin (LePen) oder einen Führer (Höcke, Gauland, Hofer, Wilders etc.) freizuschießen.

Wer meint, WählerInnen von Nazis, die mit Aufmärschen der SA durchs Brandenburger Tor kokettieren und sie nachmachen (AfD, flankiert von den Neonazis der Identitären Bewegung) als „Protestwähler“ klein zu reden, hat gar nicht kapiert, was die neu-rechte Stunden geschlagen.
Man muss das Pack angreifen und als solches benennen und das „demokratische Versagen“ klar auf den Punkt bringen, wie es Charlotte Knobloch tut.

Und man muss kein CDU-Fan sein um den Slogan „Merkel wird bleiben oder dieses Land wird untergehen“ als geradezu emanzipatorischen Schlachtruf unserer Zeit zu erkennen. Und das wird kein fortschrittliches Ende sein, sondern ein rechtsextremes Fanal – auch für Europa.

Merkel steht dabei gleichsam als Begriff (und nicht nur als bürgerlicher Name) für antirassistisches, menschliches Handeln angesichts unfassbar brutaler Kriege unweit der Grenzen Europas in Syrien und dem Irak, aber auch der jihadistischen Gefahr in anderen Ländern wie Afghanistan, Pakistan und vielen weiteren Kriegen und lebensbedrohlichen Lebensumständen in vielen Ländern Afrikas.

Das nationale Denken in der DDR ist ein massives Problem und rührt auch von der Ideologie der SED her, wie schon vor 30 und 40 Jahren die rechtsextreme Neue Rechte in der Bundesrepublik erkannte und sich ein deutschnationales Potential in der DDR mit Strahlkraft in die BRD erhoffte. Jetzt ist es in vollem Wichs da.

Wie jetzt zum Beispiel Roland Nelles, Politik-Ressortleiter bei Spiegel Online in einem Video-Beitrag sagt, sind die Wähler der AfD sehr wohl als „Rassisten“ zu bezeichnen.

Diese scharfe Kritik ist es, die in diesem Land viel zu lange gefehlt hat.

 

Der Verfasser, Dr. phil. Clemens Heni, promovierte 2006 an der Uni Innsbruck mit einer Studie über die Neue Rechte. Teile dieses Textes sind aus dem Kapitel „Eichberg und die DDR/PDS (1973–1998 ff.) dieser Dissertation, „Salonfähigkeit der Neuen Rechten“, Marburg 2007 (zweite Auflage Berlin 2017)

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