The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

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Von der SED zur AfD? Warum die Neue Rechte die DDR schon 1981 als besonders „deutsch“ wahrnahm

Update und verändert, 5.9.16, 17:30 Uhr

Folgendes Zitat aus einer Studie der Linkspartei/PDS des Publizisten Erhard Crome aus dem Jahr 2001 könnte als Indikator dienen, warum die extreme Rechte in der Ex-DDR so viel Erfolg hat:

»Eins hat die DDR im Laufe ihrer 40jährigen Existenz geschafft, was in der BRD nie gelungen war, nämlich die Wörter ›Liebe‹ und ›Vaterland‹ immer wieder in einem Satz unterzubringen, z. B. in der Wendung ›Liebe zum sozialistischen Vaterland‹.“

Der Wahlerfolg für die Rechtsextremen der AfD vom 4. September 2016 ist schockierend. Vor allem an der Ostseeküste, Greifswalder Gegend vorneweg plus Rügen, haben die extremen Rechten, Rechtspopulisten, besorgten Bürger und Nazis teils um die 35% der Stimmen und mehr, wenn man dann noch die NPD dazu nimmt, die dort auch auf über 5% der Zweitstimmen kommt.

Flüchtlinge spielen in diesem Bundesland so gut wie keine Rolle. 2015 kamen 23.000 Flüchtlinge nach MeckPomm, davon sind ca. 1/3 geblieben.

„Im vergangenen Jahr wurden 23.080 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern registriert. 2016 sind es bislang 3.180 (Stand Ende Februar). Das Land muss exakt 2,03 Prozent aller Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Das sieht der ‚Königsteiner Schlüssel‘ vor, eine Quote, die sich nach Bevölkerungszahl und Steueraufkommen richtet.“

So wenig wie der Antisemit Juden benötigt, so wenig braucht der Rassist sein Objekt der Begierde zu sehen etc. – es findet im Kopf statt, ohne hier den Verschwörungswahnsinn des Antisemitismus und die Vernichtungsabsicht gegenüber Juden oder Israel auf den Rassismus zu übertragen oder gleichzusetzen.

Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern stirbt eh aus, seit 1990 hat es 300.000 BewohnerInnen verloren und hat jetzt 1,6 Mio. Dass die Menschen dort gar kein Interesse am Überleben haben, zeigt sich daran, dass sie die wenigen Flüchtlinge, die dort ankamen, auch noch weghaben wollen und AfD wählen.

Der Rassismus in Mecklenburg-Vorpommern ist also extrem und beweist, dass Rassisten keine sichtbaren Flüchtlinge brauchen für ihren Hass und ihr völkisches Deutschtum.

Dass mittlerweile massive Teile der Bevölkerung, zwischen 15% (BaWü) und ca. 25 % in MeckPomm (AfD plus NPD) bzw. Sachsen-Anhalt rassistisch und deutschnational wählen, zeigt an, dass dieses Land ein enormes Problem mit der Bevölkerung hat.

Die Medien spielen eine entscheidende Rolle hierbei. Ohne die Auftritte bei Jauch, Maischberger oder Soft&Blöd wäre die Partei nicht da, wo sie jetzt ist, das wäre eine eigene medienpolitische Studie wert.

Nicht nur der Springer-Konzern beschäftigt (nicht nur einen, wie zu vermuten ist) Publizisten, die seit Jahren der Neuen Rechten Nahrung bieten und von der „öffentlichen“=guten, AfD-nahen und der „veröffentlichten“=bösen, nicht-nazistischen Meinung daher schwadronieren.

Auch die SPD muss gar nicht drum herum reden, sie selbst ist mit verantwortlich für die Hetze gegen Merkel, Erwin Sellering z.B., der alte und neue oberste Seemann im nordöstlichsten Bundesland, der Merkel mit verantwortlich machte für den Aufstieg der AfD.

Den Aufstieg der AfD verdankt die Partei dem Rassismus und Deutschtum, dem Antisemitismus und der Erinnerungsabwehr an Auschwitz durch weite Teile der Bevölkerung und der Medien. Ein obsessiver Hass auf Political Correctness, auf Gender, Homosexualität, alles irgendwie Linke oder so Kategorisierte, auf ökologisch Sensible wie gewerkschaftlich Organisierte wie auch die Sehnsucht nach einem Schießbefehl (nicht nur) an der Grenze ist typisch für die „besorgten Bürger“, wie Rechtsextreme heute bevorzugt genannt werden. Es geht ihnen um kollektive deutsche Identität, die das Fehlen einer Ich-Identität zu kompensieren verspricht, wie die Sozialpsychologie analysieren würde.

In einer Demokratie muss es dazu gehören, Teile der Bevölkerung zu beschimpfen und sie als „Pack“ zu bezeichnen und sie nicht als Wähler „zurück“ zu gewinnen. Die Menschen können sich ändern – oder auch nicht. Wir haben Aktionen erlebt, wo ganz normale Deutsche Flüchtlinge als „Dreck“ bezeichnet haben. Das führte Sigmar Gabriel seinerzeit dazu, von diesen Menschen ganz gezielt von „Pack“ zu reden.

Wer in einem Bundesland, das so gut wie keine Flüchtlinge je gesehen hat, diese zu DEM Thema macht, ist wahnsinnig und obsessiv rassistisch. Das trifft auf weite Teile der Ex-DDR zu, Sachsen vorneweg als bevölkerungsreichstes Ossi-Land. Und wer angesichts von Familien oder Alleinstehenden, die dem Horror Syriens entkommen sind, gegen diese Menschen hetzt und sie als „Dreck“ diffamiert – hat selbst jede Menschlichkeit verloren.

Der autoritäre Charakter Vieler in der Ex-DDR kommt auch von der DDR Sozialisation her, aber nicht nur.

Doch jetzt wird es interessant: in einem extrem rechten, konservativen, schwarzrotgold illustrierten Sammelband mit dem Titel „Das Volk ohne Staat. Von der Babylonischen Gefangenschaft der Deutschen“ aus dem Jahr 1981 wird das deutsche Moment der SED und der DDR hochgehalten.

In einem Beitrag des extrem rechten Publizisten Klaus Motschmann heißt es, nachdem er bereits (seiner Lesart zufolge) pro-deutsche Passagen aus dem Werk von Friedrich Engels und Karl Marx wohlwollend zitierte:

„In der DDR-Verfassung ist die gesamtdeutsche Komponente dadurch unterstrichen worden, daß in Artikel 8 die ‚Überwindung der vom Imperialismus der deutschen Nation aufgezwungenen Spaltung‘ als ‚nationales Anliegen‘ in den Rang eines Verfassungsauftrages erhoben wurde. Der damalige Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht erkläre dieses ‚Anliegen‘ aus der ‚festen Überzeugung, daß der Sozialismus keinen Umweg um Westdeutschland machen wird, und daß der Tag kommt, wo die westdeutschen Arbeiter und ihre Verbündeten mit uns gemeinsam den Weg zu einem vereinigten sozialistischen Deutschland beschreiten werden.‘“

1984 schrieb DER Vordenker der Neuen Rechten in der Bundesrepublik, Henning Eichberg, mal wieder über die DDR. Eichberg erkannte nach seinen Versuchen u. a. die Grünen, die Republikaner und auch die SPD für das neu-rechte Projekt zu begeistern in den 1990er Jahren in der deutschen politischen Landschaft eine neue und weitere Möglichkeit für ›nationale‹ Politik: die PDS. Als Nachfolgepartei der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bot sie sich durchaus an.

Eichberg hat sich schon 1973 über die DDR-Forschung zu ‚Turnvater‘ Friedrich Ludwig Jahn anerkennend geäußert, weil sie dessen nationalrevolutionäre Theorie nicht kritisiert habe, wie es in der BRD Usus gewesen sei (was natürlich in West-Berlin niemand davon abhält, ein Jahn-Denkmal in der Hasenheide aus dem 19. Jahrhundert, das nicht nur zu Nazizeiten geehrt wurde, stehen zu lassen und heute wird Jahn auch in der ‚gesamtdeutschen‘ Sportwissenschaft nicht selten wohlwollend rezipiert). Der Leipziger Sporthistoriker Willi Schröder wird dabei von ihm im Gegensatz zur BRD-Forschung positiv gewürdigt, da er Jahn als Beispiel für »Turnen und Nationalismus« gelobt und den ›Turnvater‹ vor Kritik an dessen Nationalismus in Schutz genommen habe:

»Die Verbindung dieses Patriotismus mit der Turner- und der Studentenbewegung wird in der DDR-Literatur positiv gewertet und detailliert aus den Quellen erforscht. Aus der reichhaltigen Literatur seien nur genannt: die für das folgende vor allem benutzte Habilitationsschrift von Willi Schröder: Burschenturner im Kampf um Einheit und Freiheit, Berlin 1967.«

In der BRD hingegen behandle man das Thema Jahn und Nationalismus »gern polemisch abwertend«. Eichberg schätzt die DDR übrigens auch in anderen Bereichen wegen ihres ›deutschen‹ Charakters, wie er in einem Text 1984 ausplaudert:

»›Westdeutschland geht den amerikanischen Weg. Das sieht man schon an den McDonald-Geschäften überall am Wege. Die Deutschen in der Bundesrepublik gleichen nicht mehr sich selbst. Wenn man die Deutschen als Volk erleben will, muß man in die DDR reisen. Dort stellen die Leute noch ihren Käse und ihre Würste selbst her.‹ – So sagt Lahmer Hirsch, Medizinmann der Lakota Sioux. Ich möchte grinsen, weil ich mir vorstelle, wie die Arbeiter von Leuna sich ihren Käse selbst herstellen. Aber dann sehe ich den Lahmen Hirsch selbst grinsen. Hat er nicht recht? Oft sagt ein Medizinmann nur das, was alle anderen in ihrem Innern schon wissen.«

So verwundert es nicht, wenn Eichberg in seinem wohlwollenden Gespräch mit der „linken“ Szene-Zeitschrift Ästhetik & Kommunikation (Ä&K) 1979 von der »Körpersprache« spricht, die ihn mit »Freunden aus der DDR« verbinde und er sich in solchen gleichsam ›körperlichen‹ Situationen »als Deutscher« empfinde …

Soviel zum deutschnationalen Potential in der DDR, das seit 1990 in einem Maße losschlug, wie es selbst die Neue Rechte kaum für möglich gehalten hat.

Solange die demokratische politische Klasse es jedoch nicht lernt, Menschen mit Inhalten zu konfrontieren und nicht auf sie als mögliche Wähler zu schielen, so lange wird der Aufstieg der Nazis sich fortsetzen, nächstes Mal in Berlin. Man muss diese WählerInnen der AfD verachten dürfen, wie es der Publizist Christoph Giesa tut.
Wenn es eine einzige Politikerin in Europa und der westlichen Welt gab in den letzten 12 Monaten, die Anstand bewiesen hat und menschliche Wärme wie Weitsicht, war es Angela Merkel.
Das ist gar keine Apologie aller ihrer Politiken wie dem elenden Iran-Deal, der unerträglichen Austeritätspolitik, ihrer Erdogan-Politik und vielem anderen mehr. Sie ist eine Konservative und das ist keine fortschrittliche Perspektive im 21. Jahrhundert. Aber eben um Welten harmloser als der Neo-Nazismus und Rechtsextremismus, wie wir ihn heute wieder in Parlamenten und auf den Straßen wie in Dresden (Pegida) erleben.

Also: Der Hass, der Merkel von Rechtsextremen in Frankreich (Front National) über Faschisten, Rechtspopulisten, autoritären, völkischen, vom Ressentiment getriebenen PolitikerInnen in Holland (Wilders), Ungarn (Orbán), Österreich (Hofer, FPÖ) und Deutschland (AfD, NPD, Sahra Wagenknechts Linkspartei) und vielen Publizisten weit in der sog. bürgerlichen Mitte entgegenschlägt, ist unfassbar und zeigt an: die Neue Rechte strebt zur Macht. Und noch nie musste eine Kanzlerin oder ein Kanzler so stark gegen so widerwärtige Kräfte bestehen, denn dazu kommt ja noch die bayerische AfD-Light, die CSU.
Dabei will die AfD primär zerstören, die Demokratie zerstören um den Weg für eine Führerin (LePen) oder einen Führer (Höcke, Gauland, Hofer, Wilders etc.) freizuschießen.

Wer meint, WählerInnen von Nazis, die mit Aufmärschen der SA durchs Brandenburger Tor kokettieren und sie nachmachen (AfD, flankiert von den Neonazis der Identitären Bewegung) als „Protestwähler“ klein zu reden, hat gar nicht kapiert, was die neu-rechte Stunden geschlagen.
Man muss das Pack angreifen und als solches benennen und das „demokratische Versagen“ klar auf den Punkt bringen, wie es Charlotte Knobloch tut.

Und man muss kein CDU-Fan sein um den Slogan „Merkel wird bleiben oder dieses Land wird untergehen“ als geradezu emanzipatorischen Schlachtruf unserer Zeit zu erkennen. Und das wird kein fortschrittliches Ende sein, sondern ein rechtsextremes Fanal – auch für Europa.

Merkel steht dabei gleichsam als Begriff (und nicht nur als bürgerlicher Name) für antirassistisches, menschliches Handeln angesichts unfassbar brutaler Kriege unweit der Grenzen Europas in Syrien und dem Irak, aber auch der jihadistischen Gefahr in anderen Ländern wie Afghanistan, Pakistan und vielen weiteren Kriegen und lebensbedrohlichen Lebensumständen in vielen Ländern Afrikas.

Das nationale Denken in der DDR ist ein massives Problem und rührt auch von der Ideologie der SED her, wie schon vor 30 und 40 Jahren die rechtsextreme Neue Rechte in der Bundesrepublik erkannte und sich ein deutschnationales Potential in der DDR mit Strahlkraft in die BRD erhoffte. Jetzt ist es in vollem Wichs da.

Wie jetzt zum Beispiel Roland Nelles, Politik-Ressortleiter bei Spiegel Online in einem Video-Beitrag sagt, sind die Wähler der AfD sehr wohl als „Rassisten“ zu bezeichnen.

Diese scharfe Kritik ist es, die in diesem Land viel zu lange gefehlt hat.

 

Der Verfasser, Dr. phil. Clemens Heni, promovierte 2006 an der Uni Innsbruck mit einer Studie über die Neue Rechte. Teile dieses Textes sind aus dem Kapitel „Eichberg und die DDR/PDS (1973–1998 ff.) dieser Dissertation, „Salonfähigkeit der Neuen Rechten“, Marburg 2007 (zweite Auflage Berlin 2017)

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Wiebke Dursthoff: Kibbutz und Bauhaus. Arieh Sharon und die Moderne in Palästina, Berlin: Edition Critic, 270 Seiten, 137 Abbildungen (s/w und farbig)
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The Robert S. Wistrich Memorial Lecture 2016 by BICSA (VIDEO)

The Robert S. Wistrich Memorial Lecture

May 19: The Robert S. Wistrich Memorial Lecture 2016

Am Donnerstag, 19. Mai 2016, dem ersten Todestag, findet um 18 Uhr eine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den Antisemitismusforscher und israelischen Historiker Robert Solomon Wistrich, sel. A., im Centrum Judaicum in der Oranienburger Str. 28–30, 10117 Berlin, statt. Es werden die Witwe Danielle Wistrich und der israelische Historiker Prof. David Ohana sprechen. Die Veranstaltung wir in englischer Sprache stattfinden, um Anmeldung wird gebeten (bicsa[at]email.de) – hier ist die Ankündigung:

The Robert S. Wistrich Memorial Lecture 2016

by The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) and Verein für Gesellschaftskritik und Antisemitismusforschung e.V.

May 19, 2015, historian and leading scholar in antisemitism, Professor Robert S. Wistrich (1945-2015), Director of the Vidal Sassoon International Center for the Study of Antisemitism (SICSA) at Hebrew University, Jerusalem, died in Rome. Robert was a friend, colleague, and ally. We miss him.

Prof. Dr. Robert Solomon Wistrich, Berlin, 16. September 2014

Prof. Dr. Robert Solomon Wistrich, Berlin, 16. September 2014 (Pic taken by Susanne Wein)

To keep the memory of this wonderful person, vibrant public intellectual and outstanding scholar alive and to learn from his scholarship, the Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) and the Verein für Gesellschaftskritik und Antisemitismusforschung e.V. will held the yearly „Robert S. Wistrich Memorial Lecture.“

Thursday, May 19, 2016, the speakers in Berlin will be:

Danielle Wistrich: Robert, The Man I Knew

Prof. David Ohana (Ben-Gurion University of the Negev): Wistrich’s Zionist Legacy

Susanne Wein, Ph.D., Verein für Gesellschaftskritik und Antisemitismusforschung e.V.

Clemens Heni, Ph.D., Director, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Location: Centrum Judaicum, Oranienburger Str. 28–30, 10117 Berlin, 6 pm. Please reserve: bicsa[at]email.de

Supported by:

Edition Critic

SPME German Chapter

SPME

 

 

 

 

Yours sincerely,

Clemens Heni, Ph.D.
Director, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

 

Journalisten zwischen Fischgräten, Neurosen und Psychosen

Der Realitätsverlust angesichts der Brüsseler jihadistischen Anschläge, dargestellt am Beispiel von Constantin Seibt, Dunja Hayali & Co.

Der Schweizer Journalist Constantin Seibt publiziert am 25. März 2016 angesichts der islamistischen Massaker in Brüssel am Flughafen und der U-Bahn einen Text im schweizerischen Tagesanzeiger. Gleich zu Beginn schreibt er:

„So grausam jeder dieser Morde ist, es gibt Gefährlicheres. Allein in Deutschland sterben pro Jahr über 500 Leute an einer Fischgräte.“

Fischgräten seien gefährlicher als der Jihad. Das führt den preisgekrönten Schweizer Denker zu folgender Konsequenz:

„Die Verteidiger des Abendlands sind heikler als die Terroristen: Diese haben zwar Bomben. Doch die wirklichen Zerstörungen können wir nur selber anrichten. Etwa wenn man durch geschlossene Grenzen die Wirtschaft ruiniert. Oder durch einen Überwachungsstaat die Freiheit. (…) Was tun? Eigentlich nur eines: Die Polizei ihre Arbeit machen lassen. Und sonst Haltung bewahren: also die eigenen Prinzipien, kühles Blut, Freundlichkeit. Das genügt. Denn das eigentliche Ziel der Attentäter sind nicht Flughäfen oder Metrostationen, sondern die Köpfe. Ihr Ziel ist der Verlust an Haltung.“

Wenige Tage nach einem weiteren islamistisch motivierten Massaker mitten in Europa solche Zeilen zu schreiben, macht nachdenklich. Das Ziel der Attentäter sei nicht der Mord an einer möglichst großen Zahl von Menschen, sondern es seien „die Köpfe“. Der IS im Speziellen und der Jihad im Allgemeinen wollten, dass Europa nach rechts dreht, damit möglichst viele Muslime sich dem Jihad anschließen. Als ob es dazu rechter Tendenzen, die es in ganz Europa gibt, bräuchte. Viele Muslime werden aus islamistischer Überzeugung zum Jihadisten (oder auch „legalen“ Islamisten, die es ja in noch viel größerer Anzahl gibt, beiden gemein ist die Vorliebe für Religion und Scharia). Der Islamismus bietet eine autoritäre Antwort auf die Vielfältigkeit und Unübersichtlichkeit der Moderne. Er ist gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter, verachtet Homosexuelle oder die Zinswirtschaft und natürlich die Meinungssfreiheit (Erdogan).

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Zudem ist der Islamismus die Hauptströmung der Internationale des Antizionismus, der gefährlichsten Form des heutigen Antisemitismus, neben dem eher „kosmopolitischen Antizionismus“ des Westens und vieler Intellektueller.

Doch so zu schreiben wie Seibt, so eiskalt angesichts von dutzenden Ermordeten – ist das noch Zynismus angesichts von völlig zerfetzten Menschen, die auch ihre Köpfe verloren, so zu schreiben, oder noch krasser? Gibt es dafür ein Wort?

Denn was ist in den Köpfen derer, die noch einen haben, drin? Etwas alltagssprachlich formuliert: sind die Leute, die angesichts von Jihad und zerfetzten Menschen in Brüssel von gefährlicheren Fischgräten daher reden, noch ganz „knusprig“?

Fragen wir Sigmund Freud. Er schrieb 1924 in „Der Realitätsverlust bei Neurose und Psychose“:

„Ich habe kürzlich einen der unterscheidenden Züge zwischen Neurose und Psychose dahin bestimmt, daß bei ersterer das Ich in Abhängigkeit von der Realität ein Stück des Es (Trieblebens) unterdrückt, während sich dasselbe Ich bei der Psychose im Dienste des Es von einem Stück der Realität zurückzieht. Für die Neurose wäre also die Übermacht des Realeinflusses, für die Psychose die des Es maßgebend. Der Realitätsverlust wäre für die Psychose von vorneherein gegeben; für die Neurose, sollte man meinen, wäre er vermieden. Das stimmt nun aber gar nicht zur Erfahrung, die wir alle machen können, daß jede Neurose das Verhältnis des Kranken zur Realität irgendwie stört, daß sie ihm ein Mittel ist, sich von ihr zurückzuziehen, und in ihren schweren Ausbildungen direkt eine Flucht aus dem realen Leben bedeutet.“

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Und weiter mit Freud:

„Die Neurose begnügt sich in der Regel damit, das betreffende Stück der Realität zu vermeiden und sich gegen das Zusammentreffen mit ihm zu schützen. Der scharfe Unterschied zwischen Neurose und Psychose wird aber dadurch abgeschwächt, daß es auch bei der Neurose an Versuchen nicht fehlt, die unerwünschte Realität durch eine wunschgerechtere zu ersetzen. Die Möglichkeit hiezu gibt die Existenz einer Phantasiewelt, eines Gebietes, das seinerzeit bei der Einsetzung des Realitätsprinzips von der realen Außenwelt abgesondert wurde, seither nach Art einer ‚Schonung‘ von den Anforderungen der Lebensnotwendigkeit freigehalten wird und das dem Ich nicht unzugänglich ist, aber ihm nur lose anhängt. Aus dieser Phantasiewelt entnimmt die Neurose das Material für ihre Wunschneubildungen und findet es dort gewöhnlich auf dem Wege der Regression in eine befriedigendere reale Vorzeit.“

Trifft das nicht ziemlich exakt auf das Jahr 2016 zu? Flüchtet nicht ein Constantin Seibt in eine „Phantasiewelt“ und regrediert er nicht in eine Zeit, in der z.B. Fischgräten womöglich gefährlicher waren als jihadistische Massaker, wenn sie je gefährlich waren – verglichen mit geistiger Regression, die vielleicht schon immer unsagbar gefährlicher war denn Fischgräten? Es ist auch eine Infantilisierung des Journalismus, sich auf Allgemeinplätze zurückziehen, auf Beispiele, die auch Kinder verstehen.

Ja, trifft Freuds Analyse des Realitätsverlust sowohl bei Psychose wie Neurose nicht weite Teile unserer europäischen wie westlichen Gesellschaften, unsere gesamte Situation seit dem 11. September 2001?

Jene, die nicht offen mit dem Jihad sympathisieren (angenommen das tun sie auch nicht klammheimlich zu Hause, beim Café auf Stehempfängen, auf islamwissenschaftlichen Konferenzen oder in der Kneipe um die Ecke), derealisieren die Gefahr oder/und verfallen in eine „Regression in eine befriedigendere reale Vorzeit“. Das wäre die Zeit bevor der Jihad anfing, gezielt wie wahllos westliche Gesellschaften zu terrorisieren und Tausende Menschen zu ermorden, angefangen mit den Anschlägen von 9/11 im World Trade Center in New York City, dem amerikanischen Verteidigungsministerium Pentagon und den vier entführten Flugzeugen. Wollen also solche Autoren, die angesichts der größten öffentlichen Gefahr, der sich Europa seit dem Ende des Nationalsozialismus im Mai 1945 gegenübersieht, von Fischgräten statt von Jihad reden, in ihre Kuschelzeit des Kalten Krieges der 1960er bis 1980er Jahre zurück? Oder in die „neutrale“ Alpenidylle der Schweiz mit Enzianblümchen, Naturjodlern und Züricher Schickeria? War nicht der unfassbare Hype um Volksmusik seit vielen Jahren gerade Ausdruck dieser Realitätsverweigerung, zudem natürlich eine Regression geistiger und musikalischer Natur, die uns wöchentlich en masse im Fernsehen vorgedudelt wird?

Eine Nicht-Thematisierung der islamistischen Gefahr ist ja gerade das Kennzeichen schlechthin westlicher Reaktionen auf 9/11. Eine fast völlig unpolitische Jugend, die im Selfie-Narzissmus weiter Teile der Gesellschaft gefangen ist, tut ein Übriges – und jene, die aktiv sind, Jung und Alt, sind fast alle wahlweise gegen Freihandelsabkommen oder/und hetzen gegen Israel, geben Judith Butler den Adorno-Preis (Axel Honneth etc.), gehen zur BDS-Bewegung, organisieren den al-Quds-Tag, unterhalten gute Beziehungen zu Iran (Bundesregierung) oder entfernen israelische Fahnen von Gedenkorten für Opfer des Jihad wie in Brüssel.

Seit jenem Dienstag sprechen doch alle nur darüber, dass „der“ Islam nicht zum Thema gemacht werden dürfe und der Islamismus keine spezifische Gefahr sei. Darüber, dass der Westen mit solchen Hochhäusern wie dem World Trade Center doch einen „Doppelphallus“ errichtet hätte, den zu „fällen“ gleichsam OK gewesen sei („ein Tritt in die Eier“, so Klaus Theweleit, „Männerforscher“), dass „Symbole von Stolz und Reichtum und von Arroganz“ sich in diesen Gebäuden Ausdruck verschafft hätten (so der damalige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der TU Berlin, Wolfgang Benz) oder aber dass der damalige US-Präsident George W. Bush und der al-Qaida-Führer Osama bin Laden die „gleichen Denkstrukturen“ hätten (so der damalige ARD-Vordenker Ulrich Wickert). Die PDS (heute die Partei Die Linke) redete von „sowas kommt von sowas“, der Neonazi Horst Mahler jubelte ob der Anschläge am WTC von „Independence Day Live“. Kritiker des Jihad und Islamismus werden seither wahlweise als „Hassprediger“ (Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung) oder „Panikmacher“ (Patrick Bahners, FAZ) diffamiert und jede substantielle Analyse und Kritik des Islamismus und Jihad abgewehrt.

Seibt rennt also sperrangelweit offene Türen und Tore ein, wenn er meint, nun fast 15 Jahre nach 9/11 und Zehntausenden Toten durch suicide bomber und andere islamistische Attacken später, die Kritik am nach Europa kommenden Jihad abzuwehren.

Wie der FAZ-Blogger Don Alphonso am 29. März 2016 schreibt („Terrorverharmlosung mit der Fischgrätenlüge“), wurde Constantin Seibts Artikel umgehend vom politischen und journalistischen Establishment auf Twitter geteilt und promotet,  von Felix Werdermann, Politikredakteur beim Freitag, Michael Karnitschnig, Büroleiter von EU-Kommissar Johannes Hahn, Catrin Bialek, Redakteurin beim Handelsblatt über Mike Beckers, Redakteur bei der Wissenschaftszeitschrift Spektrum hin zu Dunja Hayali vom ZDF-Morgenmagazin, Thomas Leidel von N-TV oder Maik Nöcker, Moderator bei SKY.

Angesichts von zerfetzten Menschen in Brüssel, die Opfer jihadistischer Gewalt wurden, von den vorgeblich viel gefährlicheren Fischgräten zu reden und das zu teilen, ist Ausdruck eines Realitätsverlusts, Ausdruck der womöglich von Psychosen und Neurosen erkrankten kulturellen Elite im Westen, Europas und der Schweiz. Da aber fast alle mitmachen bzw. am selben Leiden leiden, fällt das niemand (außer Kritikern wie Don Alphonso) auf. Es läuft für den Jihad.

 

Der Autor, Dr. phil. Clemens Heni, ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der Spiegel, das antijüdische Ressentiment und die Verhöhnung der Opfer jihadistischer Gewalt von Brüssel

Am Dienstag, den 22. März 2016, zerfetzen jihadistische Massenmörder in Brüssel bei Anschlägen in der U-Bahn und im Flughafen mehr als 30 Menschen. Die Opfer sind noch nicht alle identifiziert, geschweige denn beerdigt, und das wöchentliche Nachrichtenmagazin Der Spiegel Nr. 13/2016 vom Samstag, 26. März 2016, macht mit einem Titel bzw. einer Titelstory auf, die ungeheuerlicher, Jihad verharmlosender, antichristlicher und zumal antijüdischer nicht sein könnten.

Unter der Headline „Die gefährliche Rückkehr der Religionen – Der Missbrauchte Glaube“ sieht man ein großes Kreuz mit einem gekreuzigten Jesus und einem Totenkopf darunter auf dem Cover (es ist die Osterausgabe!), rechts oben den Präsidentschaftsbewerber bei den Vorwahlen der Republikaner, Donald Trump, der offenbar mit einer Bibel wedelt, rechts unten den russischen Präsidenten Vladimir Putin, der einen offenbar russisch-orthodoxen Patriarchen herzt, und links ein Bild der islamistischen Terrorgruppe Islamischer Staat:

 

Im Heft selbst dann die Coverstory unter dem Titel „Gottes unheimliche Macht. In Europa sind sie auf dem Rückzug, doch in vielen Teilen der Welt entfalten Religionen gerade neue Kraft. Sie nehmen Einfluss auf die Politik – und lassen sich von ihr missbrauche. Oft mit furchtbaren Folgen.“ Wie sehen diese furchtbaren Folgen aus?

„Unter den extremen Christen gibt es Bäcker, die sich aus religiösen Gründen weigern, homosexuellen Paaren eine Hochzeitstorte zu backen; Eltern, die vor Gericht ziehen, weil ihre Kinder in der Schule das islamische Glaubensbekenntnis lernen müssen; Pfarrer, die den Satan für leibhaftig halten.“

Offenbar spielt das AutorInnenteam (Nicola Abé, Jens Glüsing, Bartholomäus Grill, Nils Minkmar, Christian Neef, Jan Puhl, Christoph Reuter, Holger Stark) mit dem ganzen Text  auf die Massaker von Brüssel an, das Blut in der Metro und dem Flughafen ist gerade erst getrocknet bzw. die Leichenteile sind eingesammelt worden.

Doch im Text geht es nicht nur um Islamismus und Jihad, sondern in einer gleichsam obsessiven Art und Weise um Christen und Juden, der Islam kommt geradezu nur additiv hinzu. Diese Massaker wie vor wenigen Tagen in Brüssel werden mit evangelikalen Bäckern in eins gesetzt, die sich weigern „homosexuellen Paaren eine Hochzeitstorte zu backen“. Das ist an Zynismus und kulturrelativistischem Geschwätz unüberbietbar. Die Angehörigen der Opfer des Jihadismus werden sich bedanken.

Es ist ein Ausdruck der Ideologie des Kulturrelativismus, der zwischen problematischen Aspekten einer Religion und weltweitem Jihad und Massenmord seit dem 11. September keinen Unterschied zu sehen bereit ist. Es ist ein gerade fanatischer Zug des Spiegel, die spezifische Kritik am Jihad zu verweigern. Ja, mehr noch: die Opfer des Jihad, neben Muslimen häufig Christen in Syrien oder dem Irak, sowie Juden in Israel, Frankreich und Europa, werden zu (ideologischen) Mit-Tätern. Dieses bekannte Schema – gerade in Deutschland – der Täter-Opfer Umkehr ist typischer Ausdruck des sekundären Antisemitismus, jenes nach Auschwitz. Wenn das Christentum mit verantwortlich war für den Holocaust, dann ist das Judentum verantwortlich für wahlweise Naturunterdrückung (so vor Jahren schon der Katholik Eugen Drewermann), den „Genozid“ an den Palästinensern (so der deutsche und europäische Mainstream) oder das Aufkommen des Monotheismus (so der Spiegel und der Philosoph Peter Sloterdijk). Damit sind wir quitt, die Deutschen und die Juden. Prima Sache! Das ist der Hintergrund vor dem der Spiegel 13/2016 zu sehen ist.

Ein Massaker in Brüssel dient den Spiegel-AutorInnen dazu, gegen Juden und Christen zu polemisieren und agitieren. Ein perfider Text, der die Toten von Brüssel als Aufhänger nimmt, um gegen Juden und Christen Stimmung zu machen.

Mehr noch: Dieses Abwiegeln, dieses Leugnen der sehr spezifischen Gefahr des Islamismus und Jihad ist seit dem 11. September 2001 die Hauptreligion des Abendlandes geworden, zumal in der kulturellen Elite.

Kein kritischer Mensch würde die problematischen und höchst zweifelhaften Aspekte des Evangelikalismus oder orthodoxer Katholiken ignorieren oder beschönigen, von innerjüdischer Kritik an Ultraorthodoxen ganz zu schweigen. Aber kein denkender Mensch würde Kritik am Christentum oder Judentum angesichts zerfetzter Menschen, die von extremistischen Muslimen ermordet wurden im Namen des Jihad und Islam, mit Islamismus und Jihadismus auch nur vergleichen, geschweige denn auf eine Stufe stellen. Das ist eine Verhöhnung der Opfer von Brüssel unsagbaren Ausmaßes.

JournalistInnen, die zwischen Massenmord und der Terrorisierung des gesamten Nahen Ostens, Europas, Amerikas, weiten Teilen Asiens und Afrikas durch den Jihad auf der einen und der problematischen, aber nicht massenmörderischen Religion Evangelikaler oder Russisch-Orthodoxer auf der anderen Seite nicht unterscheiden können, sollten ein anderes Handwerk lernen denn Schreiben, eines, von dem sie auch etwas verstehen.

So wichtig es ist Homophobie unter Christen zu bekämpfen, so unsagbar gleichmacherisch, kulturrelativistisch und unspezifisch ist es, solche homophoben Tendenzen mit dem weltweiten Massenmord von Seiten des Jihad auf eine Stufe zu stellen. Man fasst sich ob soviel Schwachsinn einfach an den Kopf.

Doch es geht noch viel weiter. Der Text hat eine innere Logik und Struktur. Ganz ähnlich wie der Philosoph Peter Sloterdijk greift auch der Spiegel das Judentum an. Die „ultraorthodoxen Juden“ in Israel in „Bnei Brak“ werden kritisiert (und dabei auch Ultraorthodoxie und politischer Zionismus grotesk gleichgesetzt) –wohlgemerkt angesichts islamistischer Massaker in Brüssel – und weit ausholend geschrieben:

„Besonders gut eignen sich offenbar die monotheistischen Religionen für Hasspropaganda und die Abgrenzung von Andersgläubigen. Sie stiften auch dadurch Identität. Es ist kein Wunder, dass auf der schwarzen Fahne des IS die Schahada prangt, das Glaubensbekenntnis des Islam: „Es gibt keinen Gott außer Allah“, steht dort.“

Das freut Jakob Augstein. Wenn die Juden so übel sind wie die Jihadisten, wie kann man dann Antisemit sein, wenn man gegen den Staat der Juden anschreibt? Wie hört sich das Ressentiment gegen das Judentum bei Peter Sloterdijk an?

„Ich nenne das obsessiv wiederkehrende Bundesbruch-Motiv des Tanachs daher das Sinai-Schema. Es macht den Preis der Singularisierung Israels inmitten der intensiven kultischen und militärischen Völkerkonkurrenz fühlbar. In der fiktiven Urszene am Fuß des Gottesberges wurde der Motivzusammenhang zwischen dem Bundesbruch und dem standrechtlich vollzogenen Strafgericht mit archetypischer Wucht exponiert und für Übertragungen in beliebig weit entfernte Kontexte bereitgestellt.“

Die Spiegel-AutorInnen setzen ganz explizit Jihadismus, Massenmord und Islamismus mit Christentum und Judentum gleich, kategorial und theologisch:

„Und wenn IS-Kämpfer die abgeschnittenen Köpfe ihrer Feinde in die Kameras halten, dann strecken sie oft den Zeigefinger ihrer rechten Hand aus – als Gruß. Es gibt nur einen Gott, bedeutet das Zeichen. Und Ungläubige sind Todfeinde. Christen erheben sich gern über die Brutalität, mit der dieser Absolutheitsanspruch durch – gesetzt wird, weil ihre Religion durch die Aufklärung gezähmt worden sei. Aber allzu leicht fällt das nicht: ‚Du sollst keine anderen Götter haben neben mir‘, heißt es im ersten Gebot des Alten Testaments. Auch das Christentum eignet sich also zur Abgrenzung, wenn es missbraucht wird. Und das wird es immer wieder, um Macht oder sogar Gewalt zu rechtfertigen.“

Während das Judentum sich gerade in Abkehr vom Opfer gründete, lebt der Jihad vom Opfer. Während das jüdische Volk eine sehr diesseitsbezogene Religion hat, hassen Jihadisten das Leben und lieben den Tod. Für den Spiegel ist das Einerlei.

Seit 9/11 geht das so im Mainstream-Journalismus, ein Abwiegeln ob der spezifischen Gefahr, die der Jihad darstellt. Alles nichts Besonderes. Christen und Juden seien genauso extremistisch, bar jedweder empirischer Beweise. Es gibt keine christlichen oder jüdischen suicide bomber, keine jüdischen oder christlichen Ideologen, die zur mörderischen, militärischen Bekämpfung Europas, des Westens oder Israels aufrufen. Wer zwischen theologischem Fanatismus und konkreter Gewalt, zwischen evangelikalen Christen oder orthodoxen Katholiken und Jihadisten nicht unterscheiden kann, sollte sich zu Religion im Allgemeinen und Jihad im Besonderen nicht äußern.

Denn die Gleichsetzung von Jihad und Zehntausenden Toten durch jihadistische Anschläge in den letzten Jahren, vom Irak über Syrien nach Indonesien, Pakistan, Indien, New York, Madrid, London, Tunesien, Nigeria, Toulouse, Paris, Brüssel, London und vielen anderen Orten, mit Christentum und orthodoxem Judentum ist ungeheuerlich, sie verhöhnt die Opfer des Jihad und diffamiert orthodoxe Juden oder evangelikale Christen auf die widerlichste Art und Weise:

„Radikale Sunniten und Schiiten, Evangelikale, orthodoxe Juden, Orthodoxe, russische katholische Extremisten – die politische Ambition, auch die politische Instrumentalisierung ist in allen Glaubensrichtungen möglich. Denn das System der Religion lebt nicht vom freien Diskurs, von Beweisen und Abstimmungen. Das Besondere an dieser Sphäre ist ja gerade, dass sie Gewissheiten bietet, die keine Begründung mehr brauchen. Das macht ihre einzigartige Anziehungskraft aus, darin liegt ihr Potenzial zu gütigen, aber auch menschenfeindlichen Handlungen.“

Noch nicht einmal auf den Unterschied zwischen proselytischen, missionarischen und imperialistischen Religionen wie dem Christentum und Islam auf der einen und dem nicht missionarischen Judentum auf der Seite wird hier reflektiert.

Und natürlich: Es gibt keine Sonderkommissionen bei Landeskriminalämtern oder dem Bundeskriminalamt zu gefährlichen Christen oder Juden, die Massaker in Köln, Frankfurt, Augsburg, Berlin, München oder Hamburg planten. Es gibt aber Sonderkommissionen und Expertengruppen zu Islamismus und Jihad. Das weiß man beim Spiegel nicht, möchte es nicht wissen, weil die AutorInnen von der spezifischen und einzigartig gefährlichen Art des Islamismus und Jihad schweigen wollen. Es gibt keine Christen die versuchen sich in Atomkraftwerke einzuschleusen um dort womöglich eine atomare Katastrophe herbeizuführen, wie wir es ganz aktuell aus Belgien hören. Der gesamte Sicherheitsapparat an Flughäfen weltweit existiert nicht wegen schwachköpfiger oder indoktrinierender evangelikaler Prediger, sondern wegen Jihadisten und dem radikalen Islam.

In anderem Kontext ist die Analyse und Kritik an evangelikalen Christen sicher sehr wichtig. Aber die gezielte Vermischung einer solche Analyse und Kritik angesichts von dutzenden zerfetzter Menschen in Brüssel ist nicht nur ungeheuerlich, sondern lässt nach den Motiven suchen. Und logisch durchdacht herrscht hier ein antijüdisches Ressentiment vor, da zeitlich das Judentum den revolutionären Gedanken des einen Gottes gleichsam erfunden hat. Das wird diffamiert und da sind wir bei Sloterdijk und weiten Teilen des kulturellen wie wissenschaftlichen Establishments.

Wer das antimonotheistische Ressentiment des Spiegel zu Ende denkt, kommt unweigerlich auf das Judentum. Der radikal neue Gedanke eines einzigen Gottes war weltgeschichtlich von ungeheurer Bedeutung, weg von der Naturidolatrie der Antike und hin zum geistvollen Nachdenken über Mensch und Gott. Man muss gar nicht gläubig sein, um diesen welthistorischen Bruch oder die Bedeutung des geschriebenen Gesetzes im Judentum in seiner revolutionären, befreienden Natur zu erkennen.

Die Motivation jedoch, gerade angesichts der zerfetzten Menschen von Brüssel vom bösen Judentum zu reden – das der religiöse Ursprung des Christentums ist –, die könnte gerade zu Ostern antijüdischer kaum sein.

 

Für sachdienliche Hinweise ein herzliches Dankeschön an Michael Kreutz.

„Was erlauben Strunz?“ – Von Israel lernen beim Kampf gegen den Jihad!

Eine der wirklich ganz wenigen Stimmen im medialen Mainstream mit einer klaren Message gegen Jihad und Islamismus war am Morgen nach den islamistischen Massakern von Brüssel Claus Strunz im „Frühstücksfernsehen“ von Sat1. Der Journalist sagte:

„Die wichtigste Aufgabe des Staates ist es die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. Deshalb müssen wir uns jetzt mehr an Israel orientieren als an unserer naiven Vorstellung vom friedlichen Miteinander der Kulturen. (…) Europa braucht endlich eine gemeinsame, konsequente Anti-Terror-Strategie nach israelischem Vorbild.“

Claus Strunz

Das ist eine einsame Stimme in diesem Land. Dabei muss man nicht alle von ihm angetippten Ideen wie einen Bundeswehreinsatz im Innern gutheißen, aber die Tendenz seines Statements ist exakt richtig. Die wie immer hilflos wirkenden Bekundungen von Bundesinnenminister Thomas de Maiziére wie auch Stellungnahmen von Kanzlerin Angela Merkel oder Moderatorinnen und Moderatoren der üblichen Sendungen zumal in ARD und ZDF wiegelten ab oder nannten das Problem nur selten beim Namen. Talkshowgäste bei „Hart aber Fair“ (besser bekannt als „Samtweich und Inhaltsleer“) wie Terry Reintke, B’90/Grüne, Mitglied des Europäischen Parlaments, fabulierten von der kulturellen Vielfalt Brüssels und wie gerne sie dort lebe. Der arme Stadtteil Molenbeek hätte „solche und solche“ Bewohner und dürfe unter keinen Umständen einem „Generalverdacht“ (den auch Bruno Schirra natürlich nicht aussprechen wollte) ausgesetzt sein. Sie gehe dort gerne hin, auf den Markt oder ein Konzert. Diese Derealisierung eines seit Jahren offenkundigen islamistischen Milieus, in dem gleich mehrere Jihadisten ihr Mordhandwerk völlig ungehindert ausüben konnten und können, ist beängstigend.

Noch krasser formulierte es eine Kollegin der EU-Parlamentarierin von der Grünen Jugend aus der Schweiz, Irina Studhalter. Auf Twitter schrieb sie unmittelbar nach den islamistischen Morden am 22.03.2016 um 10:09 Uhr:

„Ich habe Angst. Nicht vor dem Islam, nicht vor Terror – sondern vor der rechtspopulistischen Hetze, die folgen wird. #Brussels“

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Ayman Mazyek, ging noch einen Schritt weiter und machte den Islam zum Opfer des islamistischen Mordens, indem er eine Pressemitteilung nach den Massakern vom 13. November 2015 gestern wieder verwendete:

„(…) Diese Terroristen führen Krieg gegen die Menschlichkeit und damit auch direkt gegen den Islam.“

Diese Selbstviktimisierung läuft vielen in der Bundesrepublik runter wie Honig. Es hat sich seit dem 11. September 2001 nichts zum Guten geändert. Die Islam- und Nahostforschung ist weiter vernarrt in das Gerede vom bösen Westen und dem marginalisierten Süden der Erde. Das betrifft keineswegs nur fanatische PostkolonialistInnen, sondern fast den gesamten Mainstream der Forschung. Insbesondere der obsessive Israelhass ist Beweggrund für sehr viele, wegzuschauen, wenn es gegen Juden und Israel geht und wenn Muslime und Araber Täter sind. Am Sonntag liefen bis zu 5000 Flüchtlings“unterstützerInnen“, AktivistInnen, KünstlerInnen, TheatermacherInnen und andere Antisemiten durch Berlin-Kreuzberg und hatten kein Problem damit, die unübersehbaren antisemitischen Wägen und Transparente, die dort gezeigt wurden, an sich vorbei ziehen zu lassen, von den BewohnerInnen, die das auch ohne erkennbaren Protest zuließen, nicht zu schweigen. Das Zeigen von BDS-Transparenten bei gleichzeitigem Schweigen zu islamistischem Terror ist Ausdruck des Zeitgeistes seit der zweiten Intifada 2000 und dann vor allem seit 9/11. Besser als in diesem Cartoon kann man die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland und Europas gar nicht auf den Punkt bringen:

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Wie Sat1 und Claus Strunz plädiert auch der preisgekrönte israelische Journalist Yossi Melman dafür, dass Europa von Israel lernen solle. Wenn Israel es schafft, seinen Ben-Gurion Airport terrorsicher zu machen, müssen das viel größere europäische Flughäfen auch hinbekommen, ökonomisch ist das kein Problem, ja für viel größere Flughäfen sogar leichter machbar. Verdammt nur, es fehlt der Wille. Niemand möchte den Jihad bekämpfen. Das kostet nicht nur Geld und Kraft, sondern widerspricht der Wohlfühlidylle von Berlin-Kreuzberg und Brüssel-Molenbeek. Wir brauchen Taschenkontrollen an Flughäfen, Bahnhöfen, Einkaufszentren und vielen anderen Gebäuden und Plätzen.

Vor allem jedoch brauchen wir andere Curricula an Schulen und vor allem Universitäten. Jihad und Islamismus müssen Kernbestandteile der Ausbildung in vielen entsprechenden Studiengängen werden, nicht nur aber gerade in der Islam- und Nahostforschung.

Das Allerwichtigste ist aber die politische Kultur in diesem Land. Es muss klar sein, dass es ohne den Islam keinen Islamismus gäbe. Der Islam ist kein Opfer des Islamismus, wie Mazyek uns eintrichtern möchte. Sicher gibt es nicht-islamistische Muslime. Und nein, wir brauchen keine „interreligiösen Dialoge“ mehr. Wir brauchen keine öffentlich auftretenden, kopftuchtragenden Frauen, die uns erklären, wie friedliebend sie selbst, ihre Männer, Brüder, Väter und der Islam seien. Religion ist Privatsache und andere sollten mit dem Bekenntnisdrang von Musliminnen nicht belästigt werden. Was die Muslime und Musliminnen privat glauben oder nicht glauben ist völlig schnuppe, das ist Privatsache, ebenso bei Christen, Buddhisten, Naturreligiösen, Pantheisten etc. Das zu kapieren ist der erste Schritt hin zu einer säkularen Debatte. Moderate Muslime oder explizit anti-extremistische Muslime zu stärken, ist eine wichtige Aufgabe. Aber ohne eine Veränderung der politischen Kultur, die sich vehement gegen den Islamismus positioniert, ist das nicht möglich. Das ewige Drumrumgerede, wenn die Politik von „Terror“ spricht, wo es doch sehr spezifisch um islamistischen Terror oder Jihadismus geht, muss aufhören.

Wer den grünen Faschismus des Jihad nicht bekämpft, wird einen europäischen braunen Faschismus bekommen. Die Wahlerfolge von Front National oder AfD und vieler anderen extrem rechter Parteien in Europa, sind Alarmzeichen genug. Ein moderner Antifaschismus muss sich gegen Jihad und „biodeutschen“ Faschismus wenden, wobei nicht wenige Islamisten und Jihadisten ja „biodeutsche“ Konvertiten sind (was durchaus einen Unterschied zu Belgien oder Frankreich ausmacht, wo homegrown Jihadisten aus einem zumeist arabisch-muslimischen Milieu herkommen).

Es braucht eine demokratische Analyse und Kritik des Jihad und Islamismus, gerade auch des legalen Islamismus, der den Nährboden bereiten kann für den gewaltförmigen.

Sich den öffentlichen Raum zurück erobern heißt mehr Polizei und mehr Sicherheit, aber auch mehr öffentliche Diskussionen über die sehr spezifische Gefahr des Islamismus und des Jihad. Solange aber nicht nur in der Bundesrepublik lieber Israelhass, BDS und die Rückkehr eingebildeter Millionen palästinensischer Flüchtlinge auf der Agenda stehen, wird der Kampf gegen den Jihad nicht stattfinden.

Von Israel lernen, heißt islamistischen Jihad bekämpfen lernen. Doch Deutschland und Europa, vor allem die kulturellen Eliten und die Linken, ziehen dem Kampf gegen den Jihad den Hass auf Juden auf den Staat Israel vor. Das muss sich ändern.

„Was erlauben Strunz?“ – Von Israel lernen beim Kampf für die Demokratie, die westliche Lebensweise und gegen den Jihad!

Ein Cartoon, der alles über die Brüsseler Morde, über Berliner Flüchtlings"unterstützer", die Berliner Theaterszene, den "Migrationsrat", die gesamte Islam- und Nahostforschung und die politische Kultur seit 9/11 sagt

So gefährlich wie die AfD? Der „Karneval der Geflüchteten“

Die AfD ist eine extrem rechte, völkische Partei, der parlamentarische Arm von Pegida („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“), die ja weniger ein Problem mit Autoritarismus, Antisemitismus und Jihad denn mit Gender-Mainstreaming, Homosexualität, Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Holocaust oder die Befreiung 1945 durch die Amerikaner und die Alliierten hat. Die AfD kokettiert nicht nur mit Goebbels (Höcke), wedelt permanent mit der Deutschlandfahne, möchte einen Schießbefehl an der Grenze und das individuelle Recht auf Asyl abschaffen, sondern hat auch ein eher radikal neoliberales Parteiprogramm in Planung, wie verschiedene Medien berichteten. Kritik an der AfD ist also notwendig.

Viele, die sich gegen Neonazismus, Nationalismus und Rassismus wenden, fühlen sich aber ganz plump als die „Guten“ wie zum Beispiel die ca. 5000 Leute, die in Berlin am Sonntag, den 20. März 2016 durch Berlin-Tempelhof und Berlin-Kreuzberg zogen, um einen „Karneval der Geflüchteten“ (das RBB-Fernsehen berichtete) unter dem Motto „My Right is Your Right“ zu inszenieren. Wie selbstverständlich waren von Anfang an antiisraelische Gruppen involviert wie BDS Berlin. Das kann man auf der Seite der Organisatoren unschwer in einer Pressemitteilung nachlesen, die zum 9. März zu einem Mobilisierungstreffen eingeladen hatten. Die Teilnahme von Ahmed Shah und Nadia Grassmann an dieser Veranstaltung war ein untrügliches Zeichen, dass es gegen Israel und somit gegen Juden gehen wird. Grassmann ist seit Jahren mit ihren Eltern – Jürgen Grassmann ist eine führende Figur dieser pro-iranischen antiisraelischen Aufmärsche – an den al-Quds-Aufmärschen beteiligt. Diesen antisemitischen, auch Pro-Hisbollah Hintergrund einiger der aktiv Involvierten an diesen Karneval der Geflüchteten, hatte bereits vorab das American Jewish Committee (AJC) in Berlin kritisiert.

Auf dem „Karneval der Geflüchteten“ am 20. März in Berlin wurde ein BDS-Transparent getragen („Boycott Divestment Sanctions“). Ein Transparent sprach von „6 Millionen Palestinian Refugees demand their Right of Return“, also sechs Millionen palästinensischer Flüchtlinge, die angeblich ein „Rückkehrrecht“ nach Israel hätten.

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Ein Wagen hatte ein Transparent „Solidarität mit Palästina ist Solidarität mit den Flüchtlingen“, womit alle Flüchtlinge in das antisemitische Lager der Israelfeinde eingemeindet werden sollen, was sicher vielen auch nichts ausmacht. Es wurden auch palästinensische Fahnen geschwenkt.

BDS Karnveal der Geflüchteten 20032016

Jene sechs Millionen Flüchtlinge gibt es nicht. Das ist eine völkische Lüge, wie die Forschung seit Jahrzehnten herausgearbeitet hat. Im Krieg der Araber gegen die Juden 1947/48 wurden ca. 600.000 Araber vertrieben bzw. verließen das Land oder wurden von arabischen Ländern gezwungen, es zu verlassen (wie in Haifa), weil ein Dableiben das Anerkennen des jüdischen Staates impliziert hätte. Diese Zahl von ca. 600.00 hat der Nahostforscher Efraim Karsh en detail belegt. Ebenso wurden bis zu einer Million Juden im Zuge des Krieges 1947/48 und den Jahrzehnten danach aus arabischen Ländern vertrieben bzw. wanderten aus (ohne je Nachkommen als „Flüchtlinge“ zu rubrizieren). Die Palästinenser wie die UN-Organisation UNRWA sprechen nun heute von bis zu 6 Millionen palästinensischen Flüchtlingen. Wie kommt das? Wie wird aus ca. 600.000 Menschen eine Gruppe von 6 Millionen? Indem der Flüchtlingsstatus quasi vererbt wird. Das wäre so, als wenn der völkische  und revanchistische Bund der Vertriebenen (BdV) von dutzenden Millionen deutschen Vertriebenen aus Polen, der Ex-CSSR etc. reden würde, also Nachkommen einrechnen würde, die 1960 oder 1990 in München oder Köln geboren wurden. Das würde Polen und die Republik Tschechien von heute auf morgen zu deutschen Ländern machen. Diese völkische Logik wurde natürlich in der Bundesrepublik immer bekämpft und hatte nie eine Chance, Mainstream zu werden. Wenn heute Nazis solche Forderungen stellen würden, und allen aus Polen vertriebenen Deutschen samt Nachkommen – also dutzende Millionen Menschen – ein Rückkehrrecht nach Polen zuspräche, wäre das das Ende von Polen und würde zu einem Krieg führen.

Wenn nun aber Palästinenser und ihre FreundInnen mit der gleichen völkischen Logik auf einer politischen Demonstration in Berlin auftreten, wird das gefeiert und akzeptiert.

Palästina Karneval 20032016

Die Forderung nach einer Rückkehr von eingebildeten Flüchtlingen nach Israel ist antisemitisch. Warum? Sie möchte den jüdischen Staat Israel zerstören, da die Mehrheitsverhältnisse sich zuungunsten der Juden entwickeln würden. Jüdische Selbstbestimmung im eigenen Staat würde zerstört werden. Und das ist das Ziel von BDS wie von Gruppen, die das Rückkehrrecht von eingebildeten (und einigen wenigen noch leben tatsächlichen) Flüchtlingen von 1947/48 fordern.

Während relativ viele Menschen in diesem Land sich den Nazis und Völkischen von AfD oder Pegida in den Weg stellen, mit wenig Erfolg zwar, aber immerhin, wird der Antisemitismus, Israelhass und Antizionismus von Aktionen wie dem Karneval der Geflüchteten goutiert. Führende Theater Berlins wie die Schaubühne oder das Maxim-Gorki-Theater, der Migrationsrat und viele andere Gruppierungen haben diesen neuen Judenhass, den Hass auf Israel als jüdischer Staat, toleriert wenn nicht aktiv unterstützt. Wer mit Ahmed Shah eine Mobilisierungsveranstaltung zu diesem Event macht, weiß, was er oder sie tut. Shah wurde schon vor Jahren wegen antisemitischer Aktivitäten kritisiert.

Während die AfD in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt unfassbare Wahlerfolge zu verzeichnen hat, mit Peter Sloterdijk einen ehemaligen ZDF-TV-Star als Vordenker hat (die Pegida-Frau Tatjana Festerling bezieht sich explizit auf ihn), ist der andere Teil des kulturellen Establishments mit der Agitation gegen Israel beschäftigt. Dabei würden sich der Karneval der Geflüchteten und Sloterdijk doch prima verstehen: auch der Karlsruher antihumane Heidegger-Jünger sieht in Israel einen „Schurkenstaat“.

Während nun in Berlin und Deutschland BDS immer mehr öffentliche Auftritte und Erfolge zu verzeichnen hat, Judenhass kommt halt an, wenn man ihn etwas anders präsentiert, wird diese Woche in Amerika womöglich Wegweisendes an einer Universität entschieden. An einer der größten amerikanischen Universitäten, der University of California, der zehn Unis angehören, liegt dem obersten Entscheidungsgremium, dem „Board of Regents“, ein Entschließungsantrag vor, der explizit „Antizionismus“ als Form von Hass bzw. Bigotterie ablehnt wie Antisemitismus, Homophobie oder Sexismus. Darüber berichtet vorab der Präsident des Think Tanks Louis D. Brandeis Center for Human Rights Under Law aus Washington, D.C., Kenneth L. Marcus.

In den Erläuterungen bzw. Kontextualisierungen eines diese Woche zur Abstimmung vorzulegenden Statements für den Board of Regents heißt es nämlich:Anti-Semitism, anti-Zionism and other forms of discrimination have no place at the University of California.” Damit würde erstmals eine große amerikanische Universität höchst offiziell Antizionismus auf die gleiche Stufe wie Antisemitismus  stellen!

Antizionismus ist neben Verschwörungsmythen, regressivem Antikapitalismus, der das „böse Abstrakte“ der Ökonomie ablehnt und das „gute Konkrete“ vergöttlicht, der Agitation gegen die jüdische Religion (wie die Beschneidung, das Schächten etc.), Holocaustleugnung und –trivialisierung eine der Hauptformen des heutigen Antisemitismus. Antizionismus ist eine der gefährlichsten Formen des Antisemitismus, weil er nicht oft als solche erkannt wird.

Die AfD ist eine gefährliche Partei und Pegida eine völkische Bewegung, die die politische Kultur in diesem Land schon jetzt massiv beschädigt hat. BDS, die Forderung nach einer Rückkehr von eingebildeten fünf Millionen palästinensischen Flüchtlingen wie Antizionismus insgesamt sind noch weiter verbreitete und äußerst gefährliche Ideologeme in der Mitte der Gesellschaft. Das Gewährenlassen dieser neuen Form des Antisemitismus im Multikultivorzeigekiez der ganzen Republik, Berlin-Kreuzberg, zeigt an, wie wenig Widerstand der neue Antisemitismus bislang zu erwarten hat.

Auf der AIPAC Konferenz 2016 sprach sich am 21. März 2016 die mögliche erste Frau als Präsidentin der USA, Hillary Clinton, gegen BDS aus, und das kontextualisierte sie explizit mit der erschreckenden Zunahme von Antisemitismus weltweit.

Von Amerika lernen, heißt BDS und Antizionismus bekämpfen zu lernen. Vielleicht ist diese Woche ein guter Zeitpunkt damit zu beginnen. Wenn auch nicht in Berlin-Kreuzberg.

 

Der Verfasser, Dr. phil. Clemens Heni, ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), www.bicsa.org

 

 

Perry Anderson und der nüchterne linke Antisemitismus: die Einstaatenlösung

Von Dr. phil. Clemens Heni, Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Der britische Historiker Perry Anderson ist einer der bekanntesten westlichen Linken. In einem Essay in der November/Dezember Ausgabe der führenden Zeitschrift der Neuen Linken, New Left Review aus London, plädiert er in einem über 14.000 Wörter langen Beitrag für die Zerstörung des jüdischen Staates Israels. Er macht das kaltblütig und ohne Bewunderung für die Hamas (wie Judith Butler), die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) oder die herrschenden arabischen Regime.

Anderson, Jahrgang 1938, lebt und lehrt in Kalifornien an der University of California Los Angeles (UCLA), ist in der Bundesrepublik ein bekannter Name. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und wird von führenden Verlagen wie Suhrkamp publiziert. In einer Übersicht über einige seiner Bücher der letzten Jahre würdigt ihn die FAZ 2015 als luziden wie „angriffslustigen“ Kritiker der Türkei, Italiens, Indiens oder Amerikas. Von seinem Hass auf Israel war in diesem Text Jürgen Kaubes von Anfang Dezember 2015 noch keine Rede.

Anderson folgt dem Guru des Postkolonialismus Edward Said in dessen Plädoyer für die Zerstörung Israels. Dem Historiker Anderson ist Geschichte reichlich egal, die historische Verbundenheit, über 3500 Jahre, von Juden zum Land Israel – unwichtig, nicht erwähnenswert. Die Motivation von Theodor Herzl, den Juden sowohl die Rückkehr in ihr Land als auch, ganz realpolitisch gedacht, einen Schutzraum vor Antisemitismus zu bieten – unwichtig, nicht erwähnenswert. Der glühende Judenhass der muslimischen und arabischen Welt, die zur Kollaboration mit den Deutschen im SS-Staat führte, nebbich.

Muslimische SS-Einheiten im Zweiten Weltkrieg, die Radiosendungen des Mufti von Jerusalem zur Aufpeitschung arabischen Judenhasses im Nahen Osten, die Zusammenarbeit namentlich vom anti-islamistischen, sozialistischen Ägypten unter Nasser mit alten Nazis wie Johann von Leers, der in den 1950er Jahren zum Islam konvertierte und fortan Omar Amin von Leers hieß – unwichtig, nicht erwähnenswert.

Heutige Vernichtungsdrohungen gegen den jüdischen Staat wie von Iran – unwichtig, nicht erwähnenswert. Mehr noch: Anderson unterstützt die iranischen Ambitionen auf Atomwaffen, da damit Parität mit Israel hergestellt sei. Dass Israel nicht damit droht andere Staaten zu vernichten und nicht von einem Hass auf Muslime, Araber oder Iraner getrieben ist – für einen Historiker vom Format Perry Andersons unwichtig, nicht erwähnenswert.

Es gab jetzt ein Symposium der britischen Zeitschrift Fathom, die Kritikerinnen und Kritiker von Andersons Essay versammelt hat. Der Philosoph Michael Walzer ist sichtlich schockiert ob des Tons von Anderson, der nur „Verachtung“ übrig habe für jene Palästinenser, die an einem Ausgleich mit Israel interessiert seien und die Zweistaatenlösung präferierten.

Shany Mor spricht auf dem Symposium von einem „theologischen Antizionismus“, den er bei Anderson untersucht. So würde dieser realitätsfern leugnen, dass es eine spezifische arabisch-palästinsensische Agenda gäbe. Die bewusste Ablehnung eines eigenen Staates, wie er Arafat und den Palästinensern von Ehud Barak sowie Bill Clinton zweimal im Jahr 2000 angeboten wurde, in Camp David und in Taba, wird nicht als solche antizionistische Politik erkannt. Dann ignoriert Anderson den muslimischen und arabischen Antisemitismus, wie Mor unterstreicht. Schließlich sei Israel immer schuld, ob es nun Gaza verlässt und den Palästinensern überlässt oder nicht, in beiden Fällen sind die Juden schuld.

Die israelische Politikwissenschaftlerin, Politikerin und public intellectual Einat Wilf argumentiert gegen Anderson, dass er offenbar einen „Bürgerkrieg“ möchte, denn namentlich die Araber und Muslime sind nicht bereit Juden als Gleiche unter Gleichen im Nahen Osten, geschweigen denn Israel, zu akzeptieren. Historisch gesehen seien die Juden nur „Dhimmis“ unter islamischer Herrschaft gewesen. Eine Einstaatenlösung würde fanatisierte Araber/Palästinenser auf Juden hetzen, von den anti-arabischen Juden in Israel, die es in einer Minderheit auch gibt, nicht zu schweigen.

Perry Anderson steht stellvertretend für Viele in der westlichen Welt, nicht nur für die Linke. Er ist obsessiv daran interessiert, den jüdischen Staat zu zerstören. Er möchte das einbetten in eine Revolutionierung des ganzen Nahen Ostens. Das hört sich lächerlich an, doch entgegen anderen Fanatikerinnen wie Judith Butler hat Anderson gerade kein blind eye auf den Islamismus der Hamas oder die herrschende Klasse in der arabischen Welt. Er hat jedoch wie alle Antizionisten einen erschreckend blinden Fleck was die Geschichte der Juden betrifft. Die Wörter Antisemitismus und Holocaust oder Shoah tauchen in dem langen Essay nicht ein einziges Mal auf. Anderson heuchelt nicht einmal Interesse an der unsagbaren Leidensgeschichte des jüdischen Volkes vor. Als ob es Auschwitz und Sobibor nicht gegeben hätte schreibt der linke Agitator gegen die einzige wirklich sichere Heimstätte für Juden an.

Und für diese Kaltblütigkeit gegenüber Juden, für diese Verachtung für jeden Ausgleich von Palästinensern und Zionisten, für dieses Ignorieren des Holocaust und der jahrtausendealten Geschichte der Juden in exakt diesem Land Israel gibt es ein Wort: Antisemitismus. Perry Anderson ist ein moderner Antisemit, der Juden das Recht auf Selbstbestimmung abspricht. Das sollte der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, dem Wissenschaftskolleg zu Berlin oder dem Suhrkamp-Verlag Grund genug sein, bei ihrem Mitglied, Ex-Fellow oder Autoren nachzuhaken. Die Einstaatenlösung ist antisemitisch, weil sie Juden das Recht auf Selbstbestimmung nehmen möchte. Israel ist der jüdische Staat, eine Miniinsel in einem Meer voll arabischer und muslimischer Verachtung für jedwede jüdische Präsenz im Nahen Osten. Dabei waren Juden bekanntlich viel früher im Land als Muslime, der Islam ist nicht nur eine relativ junge Religion, sondern auch eine proselytisch-imperialistische. Juden sind zudem ein Volk und nicht nur eine Religionsgemeinschaft, was oft übersehen wird. Ein Historiker jedoch, der in einem Text über jüdische Geschichte im 20. Jahrhundert den Holocaust nicht einmal erwähnt, kann nicht anders denn von einem antijüdischen Ressentiment getrieben sein. Diese Kaltblütigkeit im Mainstream westlicher Intellektueller ist unsagbar erschreckend.

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