The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Autor: admin Seite 7 von 17

Prolegomena zu einer kritischen Antisemitismusforschung in der Pädagogik

 

Dieser Text ist für einige pädagogische Mainstream-Fachzeitschriften selbstredend zu kritisch, daher wird er hier dokumentiert.

Abstract:

Dieser Artikel wendet die Erkenntnisse der kritischen Antisemitismusforschung im Feld der Pädagogik an. An Hand von historischen Beispielen aus dem 19. Jahrhundert, der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus wie aus der Gegenwart werden unterschiedliche Analysefelder vorgestellt. Dabei wird Antisemitismus als primärer und sekundärer (nach 1945) analysiert. Die Thematisierung von muslimischem Antisemitismus, von dem neben dem rechtsextremen Judenhass im Alltag wie an Schulen oder auf der Straße die größte Gefahr ausgeht, gehört ebenso dazu wie die Analyse der Verharmlosung von BDS und Israelfeindschaft. Nicht zuletzt werden die großen ideologischen Bögen von Holocausttrivialisierung und Holocaustuniversalisierung, wie wir sie von der Totalitarismustheorie bzw. dem Postkolonialismus kennen, in ihrer Relevanz für eine antisemitismuskritische Pädagogik vorgestellt.

 

Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, The Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA):

Prolegomena zu einer kritischen Antisemitismusforschung in der Pädagogik[1]

Einleitung: Kritik des Autoritarismus  2

1.) Was ist Antisemitismus?  4

2.) „Rembrandt als Erzieher“ und der Stolz auf die deutsche Bildungsgeschichte  4

3.) Muslimischer Judenhass an Schulen  7

4.) Antisemitismus ist keine Unterkategorie von Rassismus  7

5.) Muslimische Jugendliche da abholen, wo sie stehen?  10

6.) BDS und pädagogische Programme gegen oder für Antisemitismus?  11

7.) Postkolonialer Antisemitismus  15

8.) Totalitarismustheoretischer Antisemitismus als Herausforderung
für Schulbücher in der Europäischen Union (EU) 18

9.) Holocaust und Schuldprojektion auf „die Moderne“
in einem pädagogischen Handbuch  20

10.) Die Ideologie der „linken NSDAP“ in einem führenden Fachverlag?  21

11.) Die Rückkehr der „Volkserzieher“ im Sinne Schrebers?  23

Schluss: Kategorischer Imperativ für die Erziehung nach Auschwitz  24

Literatur 25

„Durch das Gespräch mit Herrn Wagemann wurde mir zum erstenmal der Zusammenhang zwischen ‚guten‘ Deutschen und Gaskammern klar. Es bestand eine logische Verbindung zwischen den Vernichtungslagern und August Wagemanns Haltung. Ich dachte mir, daß die Todesfabriken nicht deswegen möglich waren, weil Hitler ihre Errichtung befohlen hatte, sondern weil die Wagemanns den Befehl nicht in Frage gestellt hatten. Und wie viele Wagemanns gab es in Deutschland? Ich nahm mir vor, das herauszufinden.“ (Padover 1946: 23)

Saul K. Padover, 1944

 

Einleitung: Kritik des Autoritarismus

Was lief in diesem Land, seiner politischen Kultur, Pädagogik, Gesellschaft und Politik seit 1945 alles schief, dass es noch 2019 Orte wie Herxheim am Berg in Rheinland-Pfalz mit Bürgermeistern und einer entsprechenden Bevölkerung gibt, die „Hitlerglocken“ in ihren Kirchen hängen lassen?[2] Für eine kritische Pädagogik geht es historisch wie gegenwärtig um die emanzipatorischen Nein-Sager, um jene, die sich dem Autoritarismus verweigern und keine autoritäre Ja-Sager-Persönlichkeit haben oder selbstkritisch darauf reflektieren. Es ist wichtig, von „emanzipatorischen Nein-Sagern“ zu reden, da mit Pegida oder den „Gelbwesten“ in Frankreich derzeit jeweils höchst problematische und auch den Antisemitismus befördernde[3] vorgebliche „Nein-Sager“ auf den Straßen ihr Unwesen treiben, aber alles, nur keine Emanzipation oder Kritik am Autoritarismus im Sinn haben. Damit sind wir bei einer zentralen Ausgangsposition der Antisemitismusforschung und ihrer Beziehung zur Analyse des Autoritarismus und der Wendung aufs Subjekt durch Daniel J. Levinson, R. Nevitt Sanford wie auch Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Erich Fromm und anderen Forschern der frühen Kritischen Theorie. (Rensmann 2017) Der Psychologe und Pädagoge Friedrich Funke hat deren Analysen zum Antisemitismus in einer Studie zum Autoritarismus und Rechtsextremismus herangezogen (Funke 2003).

Dieser Text nennt sich „Prolegomena zu einer kritischen Antisemitismusforschung in der Pädagogik“, was impliziert, dass alle hier aufgeführten Topoi nur angerissen werden können. Antisemitismus ist eine immer größer werdende Gefahr für Juden in der Bundesrepublik Deutschland. Der jüdische und demokratische Staat Israel wird zwar von der Politik unterstützt und der Bundestag verabschiedet Resolutionen gegen antisemitische wie israelfeindliche Aktivitäten.[4] Aber in der kulturellen, wissenschaftlichen und auch pädagogischen Elite gehört es häufig zum guten Ton, Antisemitismus nur dann zu sehen – wenn überhaupt –, wenn ältere organisierte Neonazis oder rechtsextreme Jugendliche am Werke sind. Die Zeit berichtet:

„Die Zahl antisemitischer Vorfälle steigt in der Hauptstadt seit Jahren an. 527 waren es der Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus zufolge allein im ersten Halbjahr 2018; vor allem körperliche Attacken gegen Juden haben zugenommen. Besonders im Fokus sind die Schulen. Immer wieder haben in Berlin Fälle von Antisemitismus für Schlagzeilen gesorgt. Ein 14-Jähriger wurde an seiner Oberschule getreten und gewürgt, nachdem er im Ethikunterricht erwähnt hatte, dass er schon einmal in einer Synagoge war. Ein jüdischer Junge verließ eine deutsch-amerikanische Eliteschule nach monatelangem Mobbing, Mitschüler hatten ihm den Qualm einer E-Zigarette ins Gesicht geblasen und gesagt, das solle ihn an seine Vorfahren erinnern. Selbst an Grundschulen wurden schon Kinder bedroht, weil sie jüdisch sind.“[5]

Judenhass auf dem Schulhof und im Klassenzimmer wird nicht nur kaum thematisiert, sondern häufig verharmlost, unabhängig wer die Täter*innen sind. Selbst Angebote, das Thema muslimischer Antisemitismus in der Schule aufzugreifen, werden von Schulleitungen bzw. Lehrer*innen nur ganz selten wahrgenommen.[6] Kaum ein jüdischer Schüler würde an einer ganz normalen deutschen Schule (aller Altersklassen) eine Kippa und kaum eine jüdische Schülerin würde ein T-Shirt der IDF (Israel Defense Forces) oder eine Halskette mit einem Davidstern tragen.

Die kritische Antisemitismusforschung, die versucht Antisemitismus in all seinen Formen zu analysieren und nicht nur bei den Nazis und Rechten, muss erst noch Einzug erhalten in die Erziehungswissenschaft. Wie eingangs erwähnt, wird dieser Artikel einige zentrale Topoi der aktuellen Antisemitismusforschung jeweils kurz anreißen, um überhaupt einen ersten Eindruck, ja eine Art Lichtkegel auf die Komplexität des Phänomens Antisemitismus zu werfen, um die ubiquitäre Vernebelung in diesem Bereich etwas zu lichten.

1.) Was ist Antisemitismus?

Antisemitismus wird in der internationalen Forschung als „der längste Hass“ bezeichnet (Wistrich 1987, 1991, 2010) und zeigt sich heute in drei grundlegenden Kategorien:

1) Der „traditionelle“ oder „primäre“ Antisemitismus bzw. Judenhass seit der prächristlichen Antike, der sich gegen die Religion des Judentums wie die Beschneidung oder das Schächten wendet, den christlichen Mythos hervorbrachte, Juden seien am Tod Jesu schuld, mittelalterliche Blutbeschuldigungen oder Fantasien über Brunnenvergiftungen popularisierte und zu Pogromen führte; spätestens seit dem späten 19. Jahrhundert kommen der biologisch-rassistische und Anfang des 20. Jahrhunderts der verschwörungsmythische Antisemitismus noch hinzu, der Juden sowohl hinter dem Kapitalismus wie dem Kommunismus sieht etc.

2) Nach dem Nationalsozialismus gibt es neben dem „primären“ den „sekundären“, die Erinnerung an den Holocaust abwehrenden Antisemitismus. Er zeigt sich in der Holocaustbejahung, Holocaustleugnung und zunehmend und am weitesten verbreitet in der Holocausttrivialisierung via Vergleich, Universalisierung und Leugnung der Präzedenzlosigkeit von Auschwitz.

3) Antizionismus oder die Israelfeindschaft. Durch die Boykott-Bewegung gegen Israel (BDS, boycott divestment sanctions) ist diese Form des Antisemitismus weit verbreitet und tritt zunehmend aggressiv auf und bedroht z.B. Musiker*innen, die in Israel auftreten oder bei Veranstaltungen teilnehmen, wo auch Israelis auftreten.

2.) „Rembrandt als Erzieher“ und der Stolz auf die deutsche Bildungsgeschichte

Antisemitismus wird jedoch in der pädagogischen Forschung in weiten Teilen wahlweise ignoriert, verharmlost, bejaht oder trivialisiert. Am ehesten wird noch der historische wie der NS-Antisemitismus analysiert, und auch das erst in jüngerer Zeit von einigen Wenigen (Ortmeyer 2008; Ortmeyer 2008a). Bezüglich der Jugendbewegung, die von vielen immer noch als rührend, aufregend oder stilbildend positiv betrachtet wird, hat Christian Niemeyer die letzten Jahre Aufklärung betrieben (Niemeyer 2013; Niemeyer 2013a; Niemeyer 2015). So wurde von einem Protagonisten der Jugendbewegungshistoriographie, Werner Kindt (1898–1981), Julius Langbehn (1851–1907), der 1890 mit seinem Werk „Rembrandt als Erzieher“ einen Besteller schrieb und als „Der Rembrandtdeutsche“ in die Geschichte einging, positiv gewürdigt.

Namentlich den Mythos eines „Triumvirats“, bestehend aus dem völkischen Vordenker Paul de Lagarde, Langbehn und Nietzsche, wie den Antisemitismus von Langbehn hat der Pädagoge und Nietzscheforscher Niemeyer kritisiert (Niemeyer 2014). „Rembrandt als Erzieher“ wurde kurz nach Ende des Nationalsozialismus vom Mitglied des katholischen, jugendbewegten Bund Neudeutschland, dem Philosophen, Pädagogen und späteren ersten Intendanten des ZDF, Karl Holzamer, gleichsam als „Mahnung“ affirmativ herangezogen (Holzamer 1946: 16). Doch was steht in dieser Schrift von Langbehn?

„Paris ist die Stadt der Demimode und der zügellosen Demokratie; hier gesellt sich dem sittlichen der politische Krankheitsfall hinzu. Gerade diese beiden Faktoren aber sind dem deutschen Volke in seiner innersten Seele verhasst, trotzdem, dass es gelegentlich mit ihnen kokettierte und ko­ket­t­iert; sie sind beide als ‚französische Krankheit‘ nach Deutschland ein­ge­drungen. Sie müssen auf den Tod bekämpft werden (…).“ (Langbehn 1890: 96)

Oder, auf dem Gebiet des Gesangs: „Deutsche Lieder sind mehr wert als französische Liederlichkeit“ (Langbehn 1890: 98). Auch religionsgeschichtlich konnte sich Holzamer nach­drücklich an den antijudaistischen Antisemitismus Langbehns anlehnen, wenn dieser mahnte:

„Wenn das Alte Testament sich nicht zur rechten Zeit ins Neue Testament ver­wandelt, so wird es zum Talmud; es ist aber nicht zu wünschen, dass die deutsche Wissenschaft zur Talmudwissenschaft wird; einen Anflug davon hat sie schon.“ (Langbehn 1890: 120)

Der Hass auf Gleichheit oder „freie Meinungsäußerung“, wie wir ihn bei rassistischen, nationalistischen wie antisemitischen Demonstrationen, Pamphleten, Texten und Aktionen die letzten Jahre in Deutschland verschärft erlebt haben, hat mit Langbehn einen der berüchtigtsten und einflussreichsten Vorläufer:

„Gleichheit ist Tod, Gliederung ist Leben. Eine auch noch so große Anzahl unter sich ganz gleichberechtigter Individuen ist nie­mals ein Volk; sie ist nicht einmal ein Heer; sondern eine Herde. (…) Die Sozialdemokratie stellt mithin einen Rückfall in das Herdenprinzip des men­sch­lich­en Daseins dar; sie ist ungegliederte, unbefruchtete, unbelebte men­sch­liche Masse; es gilt deshalb sie zu gliedern, zu befruchten, zu beleben. Und zwar gerade an dem Punkt, wo sie am unfruchtbarsten ist: an dem der allgemeinen Gleichheit! Diese muß durchbrochen werden.“ (Langbehn 1890: 224)

Sowie:

„Die politischen Scheinwahrheiten des Jahres 1789 sind nachgerade veraltet; es dürften an ihre Stelle politische Realwahrheiten des Jahres x treten. Nach der französischen Revolution kommt die deutsche Reform; nach der Gleichheit die Abstufung.“ (Langbehn 1890: 225)

Vor dem ganz aktuellen Hintergrund des nationalistischen Lobes auf die deutsche Geschichte wie von der Alternative für Deutschland (AfD) und deutschnationalen, heimatverliebten Autorinnen und Autoren, ist es besonders wichtig, auf die antidemokratische, antiwestliche und antisemitische Dimension in der deutschen Bildungsgeschichte aufmerksam zu machen:

„Und der politisch mündige Deutsche sollte endlich die Kinderschuhe aus­ge­treten haben; er sollte nicht mehr wie der politisch unmündige Franzose vor dem Wort ‚Adel‘ erschrecken; er sollte bedenken, wie viel echtes Deut­sch­tum gerade im deut­schen Geburtsadel steckt.“ (Langbehn 1890: 226)

Als weitere Belegstelle für die antifranzösische Agitation, für das antiwissenschaftliche, ja im weitesten Sinne re­stau­rativ-reaktionäre Denken bei Langbehn sei folgende Passage zitiert:

„Man hat von einem ‚Gott der Deutschen‘ gesprochen; so gibt es auch einen ‚Teufel der Deutschen‘; er wohnt im modernen Paris und kehrt gern in Berlin ein. Läßt sich dieser Gast auch auf die Dauer nicht bannen, so ist es doch gut, wenn man ihn kennt. Er heißt Plebejertum. Dieses äußert sich in der Kunst als Brutalismus, in der Wissenschaft als Spezialismus, in der Politik als De­mo­krat­is­mus, in der Bildung als Doktrinarismus, gegenüber der ‚Men­sch­heit‘ als Pharisäismus. (…) Deutsche Ehr­lich­­keit ist mehr als französische Eitelkeit und deutscher Geist mehr als franz­ös­isch­er Ungeist.“ (Langbehn 1890: 380)

Auch der folgende Auszug zum Thema Bildung beim Rembrandtdeutschen ist bezeichnend für seine antisemitische und deutschnationale Ideologie:

„[B]esonders die ‚Berliner Bildung‘ französiert gern. Und hierbei sind un­ge­sund-jüd­­ische Einflüsse besondere tätig; (…) Durch galloromanischen Ein­fluß, der zu­rück­­zu­schlagen war, ist das deutsche Kaiserreich gegründet worden; durch galloromanischen Einfluß, wenn er zurückgeschlagen wird, läßt sich auch die neue deut­sche Bildung gründen. Siegt deutsches über – im schlechten Sinne – franz­ös­isch­es, gesundes eingebornes über krankes fremd­art­iges Wesen, so ist das Vat­er­land gerettet.“ (Langbehn 1890: 358)

Das zeigt, wie wichtig es wäre, sich in Zukunft kritisch mit der Geschichte der Jugendbewegung, ihren antisemitischen Anteilen und dem Antisemitismus in der Pädagogik vor und nach 1933 zu befassen.

3.) Muslimischer Judenhass an Schulen

„Du Jude“ ist seit vielen Jahren zu einem Schimpfwort auf Schulhöfen und in Klassenzimmern geworden. Nicht selten sind muslimische Mitschüler*innen dafür verantwortlich. Folgender Fall wurde bundesweit bekannt:

„An der Berliner Paul-Simmel-Schule drohte ein muslimischer Mitschüler einem jüdischen Mädchen mit dem Tod. Der Schulleiter entschuldigt sich für die Verharmlosung der Tat und räumt weitere Vorfälle ein. Der Fall sorgte in ganz Deutschland für Aufregung. An der Berliner Paul-Simmel-Schule in Tempelhof drohte ein muslimischer Mitschüler einem jüdischen Mädchen mit dem Tod, ‚weil es nicht an Allah glaubt‘. Schon zuvor soll es zu Anfeindungen gekommen sein. Antisemitismus in einer deutschen Grundschule!“[7]

Wie kommt ein Kind wie dieser Junge zu einem solchen Fanatismus? Was für ein Elternhaus hat er und was für ignorante oder gegen Judenhass tolerante Lehrer*innen und andere Mitschüler*innen gibt es an so einer Schule, die nur exemplarisch steht? In einem Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit reden im Herbst 2018 zwei Lehrer aus Nordrhein-Westfalen über Antisemitismus an Schulen, vor allem bei rechtsextremen und muslimischen Jugendlichen.[8] Aber auch antisemitische Stereotype (die viele Linke und der Mainstream der Gesellschaft teilen) wie „der reiche Jude“ „Rothschild“ kommen in Schulbüchern vor, wie einer der Lehrer schockiert festhält. Das gilt auch für antisemitische Ressentiments gegenüber Israel in deutschen Schulbüchern.[9]

4.) Antisemitismus ist keine Unterkategorie von Rassismus

Doch selbst das Ansprechen von Antisemitismus passiert selten auf differenzierte und wissenschaftliche Art und Weise. Das fängt schon bei der Definition von Antisemitismus an. Viele Studien verkennen den genozidalen Charakter des Antisemitismus, sowohl historisch wie gegenwärtig in den Vernichtungsdrohungen (wie von der Islamischen Republik Iran) gegen Israel. Häufig wird Antisemitismus nur als beliebige Form der „Diskriminierung“ betrachtet. So schreibt beispielsweise Mishela Ivanova 2017 in ihrer Dissertation:

„Begrifflich verwende ich ‚Rassismus‘ als Oberbezeichnung für an Rassialisierungsprozesse anschließende Diskriminierungspraktiken, die sich an unterschiedliche Gruppen wenden können – z.B. gegen Jüdinnen und Juden (Antisemitismus), Roma und Sinti (Antiziganismus), Musliminnen und Muslime (Antiislamismus), Personen anderer sprachlicher (Linguizismus) oder kultureller (Kulturalismus) Zugehörigkeiten sowie gegen Personen, welche als ‚schwarz‘, ‚asiatisch‘ oder ‚ausländisch‘ definiert werden.“ (Ivanova 2017: 58; ähnlich Feierl-Giedenbacher 2016: 2)

Das groteske Wort „Rassialisierungsprozesse“ universalisiert den Rasseantisemitismus der Deutschen. Damit wird die Geschichte des Antisemitismus völlig verharmlost und der ideologische Kern des Judenhasses verkannt. Solcherart Universalisierung ist aber typisch für weite Teile der Forschung in der Pädagogik wie der Sozial- und Geisteswissenschaft insgesamt. Als ob Antisemitismus nur eine Form der Diskriminierung unter anderen gewesen sei. Der rassebiologische Antisemitismus in der deutschen Geschichte bis hin zum Holocaust wird völlig lächerlich gemacht, wenn er mit angeblicher und tatsächlicher Ausgrenzung von „Personen anderer sprachlicher“ oder „kultureller“ „Zugehörigkeiten“ verglichen wird.

Ganz typisch ist auch die Diffamierung der Kritik am Islamismus, wenn „Diskriminierungspraktiken“ gegen „Musliminnen und Muslime“ nicht etwa als diskriminierend oder rassistisch, vielmehr unter der Rubrik „Antiislamismus“ kategorisiert werden. Hingegen sollte ja ein konsequenter, zivilgesellschaftlicher, wissenschaftlicher wie staatlicher Anti-Islamismus auf der Tagesordnung stehen. Anti-Islamismus wendet sich gegen die weltweit extrem gefährliche Ideologie des Islamismus, die zwar viele Schnittmengen mit der Religion des Islam hat, darin aber nicht aufgeht. Islam ist nicht gleich Islamismus. Aber anti-islamistisch sollte jeder Demokrat und jede Demokratin sein.

Zudem wird in dieser Definition von Ivanova der Begriff der Rasse auf alle möglichen Gruppen übertragen und gerade verkannt, dass die Geschichte des Antisemitismus vom rassebiologischen Antisemitismus, der in „dem“ Juden die „Gegenrasse“ sah, bestimmt ist. Die Entspezifizierung und Universalisierung des Antisemitismus ist ganz typisch für die Forschung. So schreibt Claus Melter:

„Historischer und aktueller Rassismus beinhaltet gesellschaftliche Abwertungs-, Benachteiligungs- und Ausgrenzungsverhältnisse wie Rassismus gegen als Schwarze definierte Personen, antimuslimischen Rassismus (Feindlichkeit gegen Menschen als Muslime), Antiziganismus (Feindlichkeit gegen Menschen als Sinti und Roma), Antisemitismus (Feindlichkeit gegen Menschen als Jüdinnen und Juden) und einen verwertungsorientierten Nützlichkeitsrassismus, der von der herrschenden und sich als höherwertig definierten Gruppe bestimmt wird.“ (Melter 2013: 101)

Diese kritisch gemeinte Definition von Antisemitismus verkennt, dass Antisemitismus gerade keine Unterkategorie, nichts Abgeleitetes von Rassismus ist. Rassismus besteht auf der Höher- und Niederwertigkeit von Menschen. So sahen sich im Kolonialzeitalter Weiße allen Nicht-Weißen als überlegen an, als Herrenmenschen wie auch als herrschende weiße Frauen.

Auch heute zeigt sich Rassismus darin, andere Menschen zu diskriminieren, sie bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche, im Alltag oder im Fußballstadion zu behindern, zu beleidigen oder anzugreifen. Antisemitismus ist davon kategorial verschieden, historisch wie gegenwärtig. Juden wurden und werden nicht als minderwertig behandelt oder herablassend auf sie geschaut. Ganz im Gegenteil wurde und wird Juden aus antisemitischer Perspektive eine unglaubliche Macht zugeschrieben. Nach den Protokollen der Weisen von Zion, eine russische Fälschung von ungefähr 1905, würden wenige Juden auf raffinierte Weise planen, die ganze Welt zu beherrschen, den Kapitalismus wie den Kommunismus, das urbane Leben (z.B. via Unterwanderung der Städte durch U-Bahnen), durch ausschweifende Sexualität, durch die Herrschaft der Intellektuellen und vieles mehr. Verschwörungsmythen sind bis heute eine enorm gefährliche Ideologie, was sich z.B. in den Reaktionen nach dem 11. September 2001 zeigte, als Bestsellerautoren fabulierten, hierbei habe es sich nicht um einen islamistischen Angriff auf die westliche Welt, sondern um einen „inside Job“ gehandelt. (Jaecker 2005)

Einer der am weitesten verbreiteten Fehler der Publizistik wie der pädagogischen, sozial- und geisteswissenschaftlichen Forschung zum Antisemitismus ist die Annahme, es handele sich hierbei nur um eine gegen Juden gerichtete Form des Rassismus. Das Genozidale, Wahnhafte und Obsessive am Antisemitismus wird nicht erkannt. Antisemitismus basiert auf der Angst vor der eingebildeten Macht der Juden. Daher rühren die Verschwörungsmythen, vorneweg die Protokolle der Weisen von Zion. (Ben-Itto 1998) Rassismus hingegen basiert auf der Herrschaft über eine als minderwertig definierte Gruppe. In Zeiten von Pegida und AfD ist es wichtig, sich dieser rassistischen Agitation entgegen zu stellen. (Salzborn 2017) Doch leider wird hierbei seit einigen Jahren der Antisemitismus zwar entgegen früheren Zeiten immerhin erwähnt, aber zumeist nur additiv hinzugefügt.

Eine analytische Untersuchung über die Spezifik fällt so gut wie immer unter den doch eher links-alternativen oder links-liberalen Wohlfühltisch, den die Studierenden vom Flohmarkt oder Sperrmüll haben (was ja sympathisch sein kann), während die Dozent*innen eher zu IKEA oder den hochwertigeren, Distinktion im Sinne Bourdieus versprechenden Einrichtungshäusern fahren. Doch auf den Tischen liegen dann sehr oft die gleichen Bücher und Broschüren oder es stehen die gleichen Computer darauf mit den gleichen PDFs oder Seiten, die sich irgendwie auch angeblich gegen Antisemitismus wenden. Dabei wird fast immer vom muslimischen Antisemitismus und vom überall anzutreffenden regelrechten Hass auf Israel geschwiegen.

Und selbst jene, die Antisemitismus thematisieren, verkennen seinen Gehalt, denn häufig geht es nur um die Themen Ausbeutung, Nutzen und Macht, um das cui bono. Das verkennt gerade den Antisemitismus, der jenseits von Nützlichkeitserwägungen existiert. Diese altbackenen linken Theoriegebäude versagen angesichts von Auschwitz komplett (Diner 1991; Diner 2007).

5.) Muslimische Jugendliche da abholen, wo sie stehen?

Ein ganz bezeichnendes Beispiel für migrantische Identitätspolitik und die Verharmlosung des Antisemitismus, der nur ein „Hass“ unter vielen sei, ist Dervis Hizarci, ein Lehrer aus Berlin, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Türkischen Gemeinde Berlin und Vorsitzender des Vereins „Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus KIgA e.V.“. In einem Ge­spräch am 3. Dezember 2015 mit dem United States Holocaust Memorial (USHM) spricht er ganz offen aus, dass er nicht mal holocaustleugnende Jugendliche unmissverständlich und umgehend scharf in ihre Schranken weist, sondern sie erstmal „ernst nimmt“, um sie irgendwann evtl. zu üb­er­zeugen:

„I mean, if we would ask them about these topics and they would tell us that there was no Holocaust or the numbers weren’t so big or whatever, and we would judge them for that, then we wouldn’t make any developments. We wouldn’t change anything. But this is not our goal. Our goal is to bring them to a point where they start questioning themselves. And you can just achieve this when you take them from that point where they are and bring them to your side. I believe there are connections between all kinds of hatreds, because I see this as a kind of devil’s circle – hate produces more hate.“[10]

Holocaustleugnende oder den Holocaust relativierende Jugendliche mit der Wirklichkeit zu konfrontieren, wäre seines Erachtens offenbar erstmal der falsche Weg. Holocaustleugnung angesichts solcher Jugendlichen sofort und dezidiert als Antisemitismus zu bezeichnen, wäre demnach auch nicht richtig. De facto müsste Hizarci als Lehrer an einer deutschen Schule natürlich erstmal sagen, dass wir in einem Rechtsstaat leben und dass Holo­caust­leugnung in der Bundesrepublik Deutschland eine Straftat ist.

Ein Pro-Contra Holocaustleugnung gibt es nicht – darüber diskutiert man nicht. Doch er behauptet: Ohne dies­en identitären Zugang – nur er als Türke (oder Deutsch-Türke oder Deutscher mit türkischem Migrationshintergrund etc.) mit einem „gemischten Hintergrund“ habe die Möglichkeit eine „gemischte“, sprich: multikulturelle Klasse zu unterrichten – könne man migrantische Antisemiten nicht überzeugen. Ohne diesen partikularistischen, antiuniversalistischen und identitären Zugang bräche offenbar sein ganzes Engagement in sich zu­sam­m­en. Eine nicht-migrantische Lehrerin, die Holocaustleugnung sofort sanktionierte, hätte demnach keine Chance. Würde er mit Rechten auch so umspringen, wenn die den Holocaust leugnen im Schulunterricht?

Wir kennen das aus der Zeit der späten 1980er und der 1990er Jahre, als „akzeptierende Jugendarbeit“ die Rechten dort abholte, wo sie standen und ihnen Kuchen mitbrachte, sie in ihren Jugendclubs besuchte, ihre Cliquen bestehen ließ und nicht fragte, was sie „für Probleme machen“, sondern „was für Probleme sie haben“.[11] Sie wurden nicht mit ihrer faschistischen Ideologie konfrontiert, sondern sozialarbeiterisch begleitet. Es wäre eine Forschungsfrage nicht zuletzt für die Sozialpädagogik, was die heutige Arbeit mit muslimischen Antisemiten aus den negativen Erfahrungen mit akzeptierender Jugendarbeit, die ja in den 1990er Jahren zu einer extremen Stärkung des Rechtsextremismus bis hin zum NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) führte, gelernt hat.

Es gehe zudem nicht darum, was man zu den Jugendlichen sagt, sondern auch, wer es sagt, so Hizarci. Er selbst spricht von hier ge­bor­en­en Schulkindern als „Türken“, das ist also keineswegs, wie oft suggeriert wird, eine Fremdzuschreibung, sondern er selbst scheint sich auch als Türke zu begreifen, obwohl er hier geboren und Deutscher ist. Der Kern des Problems ist aber die wissenschaftlich und politisch falsche Analogie von Antisemitismus und „allen möglichen Formen von Hass“. Hizarci behauptet damit, Kritik am muslimischen Judenhass, wenn man ihn so nennt, könne zu einem „Teufelskreis“ führen, denn „Hass produziert mehr Hass“. Damit wird tendenziell eine scharfe und unmissverständliche Kritik am muslimischen Antisemitismus als angeblich Hass produzierend diffamiert.

6.) BDS und pädagogische Programme gegen oder für Antisemitismus?

Repräsentativ für das Nicht-Verstehen des Antisemitismus und namentlich des antizionistischen Antisemitismus ist ein Tagungsband einer großen, mehrjährigen Veranstaltungsreihe der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, gefördert von der Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft und in Kooperation mit dem Pädagogischen Zentrum des Fritz Bauer Instituts sowie dem Jüdischen Museum Frankfurt und dem Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der Technischen Universität Berlin. Unter dem Namen „Blickwinkel“ haben diese Institutionen von 2011 bis 2017 jährliche Tagungen veranstaltet, eine Auswahl der offenbar besonders guten Beiträge der Tagungen von 2014 bis 2016 wurde 2017 publiziert.

In dem Band sind neben einem Grußwort der Geldgeber und der Einleitung der Herausgeber*inn­en Meron Mendel und Astrid Messerschmidt 14 Beiträge mit unterschiedlichen Schwerpunkten wie Alltagskommunikation und Jugendarbeit, Religion, sozialpsychologischen Fragestellungen und „Antisemitismuskritik im Kontext von Rassismus“ abgedruckt. (Mendel/Messerschmidt (Hg.) 2017) Darunter fällt auch der Beitrag von Jihan Jasmin Dean: „Verzwickte Verbindungen: Eine postkoloniale Perspektive auf Bündnispolitik nach 1989 und heute“. (Dean 2017) Sie ist Doktorandin am Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) und am Frankfurt Research Center for Postcolonial Studies der Uni Frankfurt und postuliert:

„Insofern kann Antisemitismus als eine von mehreren, spezifischen Aus­prä­g­ungen rassifizierenden Diskurse gesehen werden, zu denen auch anti­mus­lim­ischer Rassismus, Antiziganismus und Kolonialrassismus gehören.“ (Dean 2017: 105)

Antisemitismus sei also eine von vielen Formen „rassifizierender Diskurse“. Demnach werden heute Muslime, die als Opfer von „antimuslimischem Rassismus“ eingeführt werden, so behandelt wie früher die Juden, oder wie ist das gemeint mit dem „rassifizierenden Diskurs“? Seit wann wird heute von Muslimen als „Rasse“ gesprochen? Hat sich Dean je mit der Geschichte des rassebiologischen Antisemitismus befasst? Im Text jedenfalls ist davon nichts zu merken. Im Folgenden werden von der Autorin Muslime als die eigent­lichen Opfer der heutigen Zeit seit 9/11 dargestellt.

Kein Wort des Schocks über das unglaubliche islamistische Verbrechen des 11. September 2001, als gekaperte Personenflugzeuge in die beiden Türme des World Trade Center flogen und 3000 Menschen lebendig verbrannten, zerfetzt und zer­quet­scht wurden und in den Tod sprangen. Kein Wort zu diesem Grund der Kritik am heutigen Islamismus.

Dass es schon seit vielen Jahren, lange vor 9/11, ordinären Rassismus gibt, gerade gegen Türken, aber noch früher gegen Italiener, die eher als „Gastarbeiter“ in die BRD kamen als Türken („Anwerbeabkommen“ der BRD mit Italien 1955, mit der Türkei 1961), das ist längst bekannt und viel diskutiert. Auch Griechen, (mittlerweile Ex-) Jugoslawen, Schwarze und viele andere sind in der BRD seit Jahrzehnten vielfältigen rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt. Es gibt Rassismus in Deutschland – doch der ist gegen alle als nicht-deutsch definierten Menschen gerichtet. Die Muslime als besondere Opfergruppe herauszunehmen, läuft fehl. Das umso mehr, als ja der Islamismus eines der größten Probleme unserer Zeit ist, was man vom Christentum nicht behaupten kann, unabhängig davon, ob man nun die christliche Religion sinnvoll oder nicht findet. Aber es gibt keine christlichen Selbstmordattentate weltweit und keine Sicherheitsüberprüfungen an Flughäfen aufgrund von christlichen Terroristen, sondern aufgrund von Islamisten.

Die Rechten unterscheiden nicht zwischen Islam und Islamismus, das ist ein großes Problem. Aber ebenso wenig sollte und darf das die notwendige und sehr scharfe Kritik am Jihad und Islamismus verdrängen. Die Rede von „rassifizierten Communities“ (Dean 2017: 107) ist eine sprachliche Verharmlosung, ja Leugnung der Spezifik des rassebiologischen Antisemitismus. Hier und heute wird in Deutschland keine einzige Migrantengruppe als „die Gegenrasse“ betrachtet wie früher die Juden. Das ist eine solche sprachliche Absurdität, dass man schon an der Wortwahl merkt, dass die Autorin den kategorialen Unterschied von Vernichtung und Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus nicht kennt. Schon ihr Begriff „Rassifizierung“ ist kontraproduktiv, ja universalisiert die sehr spezifische und einzigartige Konstruktion der Juden zu „der Gegenrasse“ schlechthin.

Für die Nationalsozialisten war „der“ Jude – und nicht etwa „Jüdinnen und Juden“, wie das in an diesem Beispiel grotesk anmutenden Gender-Jargon heißt – der Feind der Menschheit sowie der Deutschen. Das Kunstwort „Rassifizierung“ im Beitrag von Dean – dem längsten in dem Band – stellt eine Analogie von Juden und anderen her, die angeblich genauso oder ähnlich diskriminiert würden. Sie schreibt über Juden und den Zionismus Folgendes:

„Kritik und Anerkennung müssen nicht in Widerspruch zueinander stehen. Mitt­lerweile gibt es politische Ansätze wie den radical diasporism, welche der israelischen Besatzungspolitik kritisch gegenübersteht, sich aber glei­ch­zeitig einer öffentlichen Positionierung zu dieser entziehen bzw. widersetzen will, weil sie sich in der Diaspora verorten. Aus einer theoretischen Perspektive, die Jüdische Studien mit Postkolonialer Theorie verbindet, kann der politische Zionismus als ambivalentes Projekt – als Diskurs einer anti­kolonialen nationalen Befreiungsbewegung und eines Siedlerkolonialismus zugleich – betrachtet werden“. (Dean 2017: 121)

Dean kokettiert mit dem antizionistischen Anti­semi­tis­mus gleich doppelt, indem sie sich hinter die marginale Gruppe von Juden stellt, die sich nicht als zionistisch, sondern in der Diaspora verhaftet begreift. Dazu definiert sie in einer beachtlich überheblichen Manier die welt­hist­or­ische Bewegung des Zionismus als „ambivalent“. Jihan Jasmin Dean bezieht sich hingegen positiv auf eine der derzeit erfolgreichsten und aggressivsten antisemitischen Bewegungen: die BDS-Bewegung zum Boykott Israels. Sie schreibt:

„Darüber hinaus ist es problematisch, BDS zu einer universellen Strategie zu erheben, denn es kommt auch auf den historisch-geografischen Kontext an, in dem sie angewandt wird – in Deutschland schließt eine Boykottforderung unweigerlich an antisemitische Diskurse an. Dennoch kann BDS als eine parti­ku­lare und kontextabhängige Strategie anerkannt werden, die in der palä­sti­nen­sischen Bevölkerung breiten Rückhalt hat und auch internationale Un­ter­stützung findet“. (Dean 2017: 104)

Diese positive Würdigung der weltweiten BDS-Bewegung ist skan­da­lös – in einem Band, der sich mit „antisemitismuskritischer Bildung“ befassen möchte und doch Antisemitismus unterstützt. Der von Meron Mendel und Astrid Messerschmidt edierte Forschungsband promotet somit geradezu BDS, in dem gesagt wird, BDS sei nur in Deut­schland wegen der Geschichte un­günstig, aber nicht sonst­ wo. Dabei ist die BDS-Bewegung z.B. in Großbritannien besonders aktiv und wird auch dort wie überall sonst als antisemitisch kritisiert.[12] (Nelson/Brahm (Hg.) 2015) Die Herausgeber*innen des Bandes prei­s­en den Beitrag von Dean so­gar explizit an. (Mendel/Messerschmidt 2017a: 18) Der Beitrag von Jihan Jasmin Dean ist also in viel­facher Hinsicht höchst problematisch und zeigt, warum häufig je­ne, die vorgeben, gegen Anti­semitismus zu sein, Teil des Problems sind.

Um einen zentralen Aspekt klarzustellen: Kritik an der Regierungspolitik Neuseelands oder Kanadas ist genauso wenig problematisch wie Kritik an der Regierungspolitik Israels. Sehr viele Israelis wie auch Forscher*innen zu Israel kritisieren seit Jahren die seit 1967 andauernde Besatzung des Westjordanlandes, ohne die Agitation gegen Israel und Juden von Seiten vieler Palästinenser*innen (und nicht nur von Terrorgruppen) zu ignorieren.

Ebenso wird in Israel seit Jahren die extrem rechte Regierungspolitik Benjamin Netanyahus kritisiert. (Stern 2018) Doch das ist eine immanente Kritik, die Israel gerade im Sinne des Zionismus verbessern und schützen, ja stärken möchte. Die BDS-Bewegung möchte Israel zerstören, was alleine via dem proklamierten „Rückkehrrecht“ für die 1948 im Krieg der arabischen Staaten gegen Israel aus Israel vertriebenen bzw. von selbst gegangenen Araber und deren Millionen Nachfahren inkludiert, was an Absurdität nicht zu übertreffen ist und den jüdischen Charakter Israels zerstören würde. (Nelson/Brahm (Hg.) 2015)

7.) Postkolonialer Antisemitismus

In einem Buch zu „Postkoloniale Theologien“ von 2018 heißt es in einem Text des Theologen Michael Nausner von der Theologischen Hochschule Reutlingen:

„Ich glaube, die Situation, die wir heute in Europa und nicht zuletzt in Deut­schland vorfinden, wurzelt unter anderem auch in den Umständen, die Mbembe mit conditio nigra bezeichnet. Der Antisemitismus ist in Deutschland aus­führlich und vielfältig analysiert worden. Aber diejenigen Aspekte des Antisemitismus, die im kolonialen Denken wurzeln, sind noch immer weit­gehend unbekannt. Dabei würde ein ‚Zusammendenken der Gräueltaten des Ko­lonialismus sowie des Dritten Reichs […] erheblich dazu beitragen, ein nuan­ciertes Verständnis dafür zu entwickeln, ob und inwieweit der Kolon­ialismus und die Shoah als Fehler, die das Scheitern der europäischen Aufklärung signalisieren, wahrgenommen werden können oder ob beide Ereignisse eher als Teil des Projekts der Modern[e] zu verstehen sind.‘“ (Nausner 2018: 43)

Dieses Zitat im Zitat ist von Achille Mbembe aus seinem Band „Kritik der Schwarzen Vernunft“. (Mbembe 2014) In seinem Buch „Kritik der schwarzen Vernunft“ analysiert und kritisiert der kameruner Politologe Achille Mbembe die Gewalt des Kolonialismus und des Rassismus. Zu Recht attackiert er sowohl den Islam wie das Christentum und den Kolonialismus als universalistische Ideo­logien, die Afrika unter sich aufteilt­en, auch wenn das Wort „Ideologie“ kaum auftaucht. Die Ge­walt­för­mig­keit des „Neger“-Daseins, Mbembe verwendet absichtlich das Nomen „Neger“, wird plastisch und bedrückend dargestellt. Es ist nur so, dass Mbe­m­be im Rassismus und Kolonialismus die einzige und die Welt beherrschende Ide­o­logie sieht.

Für die Antisemitismusforschung gilt es, Mbembe kritisch zu lesen. Es geht um folgende Stelle in seinem Band „Kritik der schwarzen Vernunft“, die alles auf den Punkt zu bringen scheint. Er bezieht sich auf den auf der karibischen Insel Martinique geborenen Schriftsteller, Politiker und Mitbegründer der „Négritude“ Aimé Césaire (1913–2008), und schreibt:

„Was der Westen Hitler nicht verzeihe, sei ‚nicht das Verbrechen an sich, das Verbrechen gegen den Menschen […], nicht die Erniedrigung des Menschen an sich, sondern das Verbrechen gegen den weißen Menschen, die Erniedrigung des weißen Menschen, und dass er, Hitler, kolonialistische Methoden auf Europa angewendet hat, denen bislang nur die Araber Algeriens, die Kulis Indiens und die Neger Afrikas ausgesetzt waren‘“. (Mbembe 2014: 290, Anm. 9)

Dieses Zitat steht für weite Teile der postkolonialen Forschung und indiziert einen postkolonialen Antisemitismus: Es leugnet, dass die Shoah ein nie dagewesenes Verbrechen war. Zudem wurden Juden demnach nicht als Juden, sondern als „Weiße“ ermordet. Das ist eine weitere Form des Antisemitismus, die Juden das Jude-Sein abspricht und fantasiert, Juden seien nicht als Juden von den Deutschen im Holocaust ermordet worden.

Frantz Fanon (1925–1961) ist eine zentrale Quelle Mbembes. Fanon verglich in seinem Buch „Schwarze Haut, weiße Masken“ den Rassismus gegenüber Schwarzen mit dem Antisemitismus und erinnerte an seinen Philosophielehrer von den Antillen, der meinte, er sollte achtgeben, wenn jemand etwas gegen Juden habe, da Antisemiten unausweichlich auch Rassisten seien. Das ist wissenschaftlich problematisch und ignoriert, dass auch viele Schwarze Antisemiten sind und sein können, ohne zwingend rassistisch zu sein. Darüber und zu den Schwierigkeiten für Juden in der postkolonialen Theoriedebatte schreibt 2016 der israelische Literaturwissenschaftler Efraim Sicher. (Sicher 2016)

Neben seiner Analyse von Fanon geht er auf den amerikanischen Menschenrechtsaktivisten W.E.B. Du Bois (1868–1963) ein, der von einem Jahrhundert des Rassismus sprach (1850–1950) und damit offenkundig den Holocaust mit einbegriff, was falsch ist und den Holocaust in seiner Präzedenzlosigkeit negiert. Der britische Soziologe Paul Gilroy sehe ebenso „Affinitäten zwischen Schwarzen und Juden“ und stelle Vergleiche von „Kolonialismus“ mit dem „rassischen Antisemitismus“ an. (Sicher 2016: 81)

Seit den 1980er Jahren hat der Postkolonialismus die Debatte über die Geschichte auf den Kopf gestellt. (Sicher 2016: 82) Antisemitismus wird seither und bis heute in Schul- und Lehrbüchern international als ein „Modell des europäischen Rassismus“ betrachtet, der wiederum aus dem „Nationalstaat“ und „totalitärer Ideologie“ entstanden sei. Und so argumentiert die postkoloniale Ideologie, der Zionismus sei schuldig, weil er ein „exklusiver Nationalismus“ sei.

Wie Sicher analysiert, basieren weite Teile postkolonialer Theoriebildung auf der Annahme, der Holocaust habe nicht primär etwas mit der Geschichte des Antisemitismus, sondern mit dem europäischen Kolonialismus zu tun. Das ist grundfalsch und leugnet wiederum jedwede Spezifik des Antisemitismus wie die Präzedenzlosigkeit der Shoah. Für die „soziale Erziehung“ hatte schon 1991 der Historiker Dan Diner versucht, das Nie Dagewesene von Auschwitz bei der Analyse des Nationalsozialismus in das Zentrum zu rücken, was aber kaum Widerhall erfuhr. (Diner 1991; Diner 2007)

Es gab jüngst eine öffentlichkeitswirksame Kontroverse über die Spezifik der Shoah und zur Kritik bzw. Affirmation der postkolonialen Position. Es geht hier um die Kritik an der Verharmlosung der Shoah durch den Postkolonialismus. In einem Gespräch des Journalisten Alan Posener mit dem Historiker Jürgen Zimmerer, organisiert von der Wochenzeitung Freitag, dessen Herausgeber Jakob Augstein und dem Journalisten Michael Angele, lehnen sich die beiden Freitag-Journalisten an eine antisemitische Ideologie an und sagen:

„Man kann das mit der Einzigartigkeit aber auch ganz anders sehen, oder? Die aus Jamaika stammende Kulturhistorikerin Imani Tafari-Ama kümmert sich gerade in Flensburg um die Kolonialgeschichte dieser Handelsstadt, und sie hat neulich gesagt, die Europäer müssten anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner im Zuge des transatlantischen Sklavenhandels das größte Ver­brechen in der Menschheitsgeschichte sei – größer als der Holocaust. Off­en­bar hängt der Blick auf die Geschichte auch davon ab, welchem Kulturkreis man angehört.“ (Augstein/Angele 2018)

Darauf antwortet Posener:

„Es gibt keinen ‚weißen‘ oder ‚schwarzen‘, ‚jüdischen‘ oder ‚christlich­en‘ Blick auf den Holocaust; es gibt, wenn wir von Wissenschaft reden, und hier ist von einer Wissenschaftlerin die Rede, nur den wissenschaftlichen Blick auf den Holocaust. Und ‚das mit der Einzigartigkeit‘ des Holocausts kann man eben nicht ‚ganz anders sehen‘, bloß weil man aus Jamaika stammt.(Posener 2017; vgl. auch Posener 2017a)

Die jamaikanische Kulturwissenschaftlerin Imani Tafari-Ama, von Juli 2017 bis März 2018 Fellow am Flensburger Schifffahrtsmuseum mit dem Projekt „KulturTransfer. Unser gemeinsames Kolonialerbe“, unterstützt von der Kulturstiftung des Bundes in deren Programm „Fellowship Internationales Museum“,[13] wurde in der taz Gelegenheit zur Verbreitung ihrer antijüdischen, den Holocaust als präzedenzloses Verbrechen leug­nen­den Un­ge­heu­er­lich­keit­en gegeben:

„Wenn ich Deutsche nach ihrer kolonialen Schuld befrage, heißt es oft, das kollektive Gedächtnis sei eben mit dem Holocaust viel zu sehr beschäftigt gewesen. Der habe alles andere verdrängt. Das mag stimmen. Trotzdem bleibt der Genozid an den Herero und Nama in Namibia bestehen; trotzdem bleiben die Unt­er­drück­ungs­maßnahmen in Togo, in Ruanda, in Tansania, in Kamerun – oder eben auf den Jungferninseln – Verbrechen, für die jemand haften muss. Die Europäer müssen anerkennen, dass die Verschleppung der Afrikaner das größte Verbrechen in der Men­schheitsgeschichte ist, größer noch als der Holocaust.“[14]

Das ist eine offenbar im Mainstream angekommene neue Form der Holo­caust­leugnung, der Softcore-Variante. Das „größte Verbrechen der Men­sch­heits­ge­schichte“ sei der transatlantische Sklaven­handel und der Kolonialismus ge­wes­en – und nicht der Holocaust. Das ist eine antisemitische Geschichtsumschreibung. Die Sklaverei und der Kolonialismus waren schreckliche Verbrechen, aber im Kolon­ia­lis­mus wurde kein Volk aus keinem an­der­en Grund, als es zu vernichten, ver­nichtet. Es gab außerdem gerade kein „cui bono“ in der Shoah. Die Sinnlosigkeit war das Unaussprechbare, das Unvorstellbare, der Bruch jeglichen zivilisatorischen Ver­trauens.

8.) Totalitarismustheoretischer Antisemitismus als Herausforderung für Schulbücher in der Europäischen Union (EU)

Ein weiteres Beispiel für sekundären Antisemitismus ist die Gleichsetzung von Rot und Braun, Kommunismus und Nationalsozialismus. Am 28. März 2018 gaben die „Platform of European Memory and Conscience“ und die Europäische Union (EU) bekannt, dass der britisch-chinesische Architekt Tszwai So den Architekturwettbewerb für ein „Gesamteuropäisches Denkmal für die Opfer des Totalitarismus“ gewonnen hat.[15]

Das wöchentliche Architects‘ Journal (AJ) aus London gab die Entscheidung freudig bekannt[16] und machte sich somit zu einem Sprachrohr dieser in Architektur zu gießenden Ideologie des Rot = Braun. In Brüssel wird der Jean Ray Platz nach Sos Vorstellungen geplant: es sollen in Bodenplatten tausende Briefe von Opfern des „Totalitarismus“ eingelassen werden. Diese Gleichsetzung des Holocaust mit politischen Verbrechen des Stalinismus, die kategorial verschieden sind und keine Vernichtung eines Volkes zum Ziel hatten, ist also Mainstream in Europa.

Altbundespräsident (2012–2017) Joachim Gauck war 2008 einer der Erst­unt­er­zeich­ner der „Prager Deklaration“, welche den Nationalsozialismus mit dem „Komm­u­nismus“ in Europa gleichsetzt und de facto anstelle des Holo­caust­ge­denktages am 27. Januar für einen gemeinsamen europäischen Gedenktag am 23. August plädiert – der Tag, an dem 1939 der „Hitler-Stalin“-Pakt ge­schlossen wurde.[17]

Darin wird in einem 19 Punkte umfassenden Programm der Stalinismus bzw. „der Kommunismus“ mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. In Punkt eins heißt es, es solle an ein „gesamteuropäisches Verstehen“ ap­p­elliert werden, die „natio­nal­soz­ia­list­ischen und kommunistischen totalitären Regime jedes nach seinem Wert“ zu beurteilen, denn beide „Regime“ hätten gleichermaßen als „untrennbarer Teil ihrer Ideo­logien“ „aggressive Kriege angefangen“, beide hätten „ganze Nationen deportiert und vernichtet“ und diese beiden Regime stellten somit die „Haupt­kata­strop­h­en“ des „20. Jahrhunderts“ dar.

Zweitens sollen die vielen „Ver­brechen“, welche „im Namen des Kommunismus“ begangen wurden als „Verbrechen gegen die Menschheit“ betrachtet werden, „genauso wie die Nazi Ver­brechen vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal be­ur­teilt“ wurden. Von besonderer Bedeutung ist Punkt 9 der Deklaration, worin ge­ford­ert wird, den „23. August“ 1939 als „Gedenktag an die Opfer von natio­nalsozialistischem und kommunistischen Regimes“ einzurichten, „in genau der Art wie Europa die Opfer des Holocaust am 27. Januar erinnert“. In Punkt 17 wird schließlich gefordert, alle

„europäischen Lehrbücher anzupassen und zu überarbeiten, damit die Kind­er lernen und vor dem Kommunismus und seinen Verbrechen gewarnt wer­den können, auf die gleiche Weise wie sie gelernt haben die Nazi-Ver­brechen zu beurteilen.“

Damit ist der Kern der Prager Deklaration eindeutig: Der Holocaust soll ein vergleichbares Verbrechen sein, der Antisemitismus der Deutschen und ihrer Helfer war nichts Besonderes, vielmehr ‚typisch‘ für ‚totalitäre Regime‘. Der Holocaustgedenktag würde dadurch abgewertet werden. Während der Postkolonialismus angeblich ähnliche Verbrechen oder Vorläufer des Holocaust ins 19. oder frühe 20. Jahrhundert vorverlegt oder gar noch früher in die Zeit des frühen Sklavenhandels, so suggeriert die Totalitarismustheorie, Stalin habe vor Hitler Massenmord der gleichen oder ähnlichen Art betrieben, wie in der ukrainischen Hungernot 1932. Das war bereits ein Argument des Rechtsextremen und Geschichtsrevisionisten Ernst Nolte. (Nolte 1985; Nolte 1986)

Ähnlich läuft auch die Analogie von 1968 und 1933 wie beim Publizisten und Historiker Götz Aly. Dabei vergleicht Aly das Anzünden der hetzerischen Bild-Zeitung im Frühjahr 1968 mit der antisemitischen Bücherverbrennung der Nazis und deutschen Studenten am 10. Mai 1933. (Aly 2008; Aly 2008a; Driessen 2018)

9.) Holocaust und Schuldprojektion auf „die Moderne“ in einem pädagogischen Handbuch

Eine andere Version der Geschichtsumschreibung hat einer der einflussreichsten rechtsextremen Vordenker der Neuen Rechten seit den 1970er Jahren entwickelt, Henning Eichberg (1942–2017). Eichberg wurde unter den Fittichen des ehemaligen Nazis und Bandenbekämpfungsspezialist im Führerhauptquartier, Arthur Ehrhardt, groß, für den er noch 1971 eine Totenrede hielt. Er war 1972 Autor einer programmatischen Schrift über die Neue Rechte, einer Art Gründungsmanifest.

Wenig später schrieb er Texte für das Altnazi-Blatt „La Plata Ruf“, das in Argentinien vom ehemaligen Adjutanten von Goebbels, Wilfred von Oven, herausgegeben wurde. Wer Eichberg war, wurde spätestens 1982 einer Massenöffentlichkeit bekannt, als der Stern, der damals eines der größten politischen Magazine der alten BRD mit einer Auflage von knapp 2 Millionen war, Eichberg und einige seiner „Kameraden“ als die „Roten Nazis“ zerpflückte. (Völklein 1982) In den 1980er Jahren war Eichberg Hauptprotagonist der neurechten Postille „Wir selbst“.

Diese brachte nicht nur Joseph Beuys oder die Grünen aufs Titelblatt, sondern 1987 auch den Ex-SS-Mann („Ich war dabei“) und Vorsitzenden der rechtsextremen Partei „Die Republikaner“, Franz Schönhuber.[18] Diese Taktik nennt man in der Politikwissenschaft „Querfront“, häufig werden so rechtsextreme Inhalte als harmlos oder links präsentiert, was aber das offenkundige Kooperieren mit Rechtsextremen inkludiert.

Vor diesem Hintergrund ist ein grundlegender Artikel Eichberg in einem pädagogischen Handbuch doppelt skandalös. Erstens aufgrund der Personalie Eichberg, zweitens ist aber auch der Text selbst zu problematisieren. Eichberg hat seine These, 1945 sei „keine Zäsur“ ge­wes­en, in mehreren wiss­en­schaftlichen Beiträgen, auch in der Sportwissenschaft, seinem Haupt­ar­beitsgebiet, wiederholt und ausgebaut.

Am deutlichsten kann das an Hand eines programmatischen Arti­kels über Lebenswelten und All­tagswissen in der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus gezeigt werden. (Eichberg 1989) In dieser 1989 im renommierten Handbuch der deutschen Bild­ungs­ge­schichte erschienenen Abhandlung untersucht er Strukturen und Phän­o­mene der Wei­m­arer Republik und des Nationalsozialismus im Wesentlichen unter ihrem Aspekt der Kontinuität:

„Es war charakteristisch, daß die Olympischen Spiele 1936 den Höhepunkt des olympischen Zeremoniells und das letzte Thingspiel des NS-Staates brachten – und zugleich das erste Auftreten des Fernsehens in einer breiteren Öff­ent­lich­keit. Die Auto- und Fernsehgesellschaft zeichnete sich bereits im NS-Staat in Um­rissen ab, einschließlich ihrer ‚amerikanisierten‘ Elemente wie Coca-Cola-Werbung und Jazzmusik.“ (Eichberg 1989: 55)

Das antisemitische nationalsozialistische Thingspiel (Euringer 1933), von dem Eichberg völlig fasziniert war (Eichberg 1976; Eichberg 1977), sei „alltagskulturell“ „Coca Cola“ geopfert worden. Er versucht den National­soz­ia­lis­mus als Gesellschaft darzustellen, die sowohl in ihren Verbrechen dem in­du­strie­gesellschaftlichen Prinzip des „Prod­uk­ti­vis­mus“ gefolgt, als auch im Alltag ganz modern gewesen sei:

„Und während die Totalitarismuslehre im Zusammenbruch des NS-Staates eine Zäsur sieht, wird der Befund aus der Analyse der Körperkonfigurationen und der Öffentlichkeiten heraus eher fließend: Mit Motorisierung und Coca Cola, mit Mallorcareisen und Fernsehen, mit Leistungswettbewerb und Üb­er­wach­ungs­staat präformierte die Alltagskultur unter dem NS-Staat die­jen­ige der Nachkriegszeit.“ (Eichberg 1989: 59)

Der „Zusammenbruch des NS-Staates“ sei keine „Zäsur“ gewesen, Au­sch­witz demnach kein Zivilisationsbruch. Die Bundesrepublik wird vielmehr, kon­se­quent sozialhistorisch, zum Nachfolger eines „Überwachungsstaates“ erklärt, „Mallorca“ und „Coca Cola“ seien die Sieger der Geschichte und schon im „NS-Staat“ prägend, ja die BRD „präformierend“ gewesen.

Die präzedenzlosen Ver­brechen der Deutschen werden derealisiert, um die Täter in den USA zu suchen. Dieser antisemitisch motivierte, er­inn­er­ungs­abwehrende Anti­am­eri­ka­nis­mus in der Diktion der Querfront ist in seiner Struktur heftiger und zu­kunfts­trächtiger als jeder offene Rechtsextremismus.

Herausgegeben und für handbuchwürdig be­fun­den wurde dieser Revisionismus der besonders neu-rechten Art vom Tüb­inger Historiker Dieter Langewiesche, späterer Leibniz-Preisträger und Mit­glied in diversesten Historikerkommissionen und Akademikerverein­igungen, sowie einem ehemaligen Vizepräsidenten der Humboldt-Uni­versität Berlin, dem Pädagogen Heinz-Elmar Tenorth. Die Universalisierung von Auschwitz wischt die deutsche Schuld beiseite (zu der die alten Nazis, mit denen Eichberg sich umgab, beigetragen hatten) und verharmlost den Antisemitismus, je generiert eine erinnerungsabwehrende, sekundär antisemitische Reaktionsweise.

10.) Die Ideologie der „linken NSDAP“ in einem führenden Fachverlag?

2018 gab es eine Kontroverse um einen Kollegen Eichbergs, den Pädagogen und Verleger des Lit Verlags, Wilhelm Hopf. Der Lit Verlag führt dutzende pädagogische Buchreihen.[19] Hopf hatte im März 2018 die rassistische „Gemeinsame Erklärung“ unterzeichnet, die sich gegen in Europa Asyl suchende Menschen wendet und Pegida quasi einen Persilschein ausstellt. Nach massiver Kritik von Autor*innen und Herausgeber*innen von Büchern im Lit Verlag zog Hopf seine Unterschrift wieder zurück.[20]

Was er nicht mehr rückgängig machen kann, ist seine jahrzehntelange Kooperation mit dem Neuen Rechten Eichberg, der mehrere Bücher im Lit Verlag publizierte (Eichberg 1986; Eichberg 1987; Eichberg 1988; Eichberg 2011) und mit dem zusammen Hopf auch schrieb. (Planck 1898) Ganz typisch für Eichberg ist dabei die Ablehnung der Gleichheit der Menschen – er präferiert, ganz identitätsversessen, die „Unterschiede“, ein typischer Sprech des rechtsextremen Ethnopluralismus nach dem Motto „Afrika den Afrikanern, Deutschland den Deutschen“ etc.[21]

In seinem Buch „Minderheit und Mehrheit“, das 1979 gar als Schulbuch herausgekommen war, schrieb Eichberg noch 2011 im Lit Verlag – auch noch im April 2018 ist dieses Buch beim Lit Verlag erhältlich. Darin schreibt Eichberg:

„In der öffentlichen Wahlpropaganda vor 1933 und auch bei einigen linken NSDAP-Führern selbst (zum Beispiel beim linken NSDAP-Flügel um Gregor Strasser) blieb hingegen der Antisemitismus zunächst im Hintergrund.“ (Eichberg 2011: 29)

Laut dem NSDAP-Parteiprogramm von 1920 konnten Juden „keine Volks­ge­noss­en“ sein. Wie kann der Lit Verlag also schreiben, der „Antisemitismus“ sei „vor 1933“ „im Hintergrund“ geblieben? Hitlers „Mein Kampf“, Erster Band, erschien 1925. Eichberg hatte sich schon früher mit Goebbels und den Strasser-Brüdern befasst, namentlich bezog er sich 1970 in seinem Text „Sozialismus von rechts“ (Eichberg 1970) positiv auf die Bro­schüre „Nazi-Sozi“ von Goebbels von 1926. Neben den Gebrüdern Strasser meint Eichberg diesen ach-so-wahnsinnig-linken Flügel der NSDAP in seiner Passage im Lit Verlag.

Gregor Strasser war mit seinem Wort von der „‚antikapitalistischen Sehnsucht des deutschen Volkes‘“ (Eichberg 1970: 16), eine führende Stimme der Nazis: „Der Radikalste des Strasserflügels aber war Joseph Goebbels, bevor er 1926 aus persönlichen Gründen zu Hitler konvertierte und damit den innerparteilichen Machtkampf gegen die Linken entschied. Er gab in seinem ‚Nationalsozialistischen Briefen‘ (ab 1925) und in der Kampfschrift ‚Der Nazi-Sozi‘ (1926) dem linken Natio­nal­sozialismus die eindeutigsten Konturen“ (Eichberg 1970: 17). Goebbels schrieb in seinem Pamphlet:

„Gewiß ist der Jude auch ein Mensch. Noch nie hat das jemand von uns be­zweifelt. Aber der Floh ist auch ein Tier, nur kein angenehmes. (…) Würden diese 60 Millionen gleich wie wir gegen den Juden kämpfen, dann brauchten sie sich nicht mehr zu fürchten, sondern dann wäre der Jude mit der Furcht an der Reihe.“ (Goebbels 1926: 8 f.)

Das soll also der gar nicht so antisemitische frühe „linke“ Flügel der NSDAP gewesen sein. Am 3. Oktober 2016, als der „Tag der Einheit“ in Dresden stattfand, agitierte ein fast pogromartiger Mob in Pegida-Manier gegen die Elite des Landes und ein „besorgter Bürger“ zeigte ein Plakat mit einem Spruch von Goebbels.[22]

11.) Die Rückkehr der „Volkserzieher“ im Sinne Schrebers?

Angesichts von Tendenzen der politischen Kultur im Zuge des Aufkommens und Erstarkens der Alternative für Deutschland (AfD) und verwandter extrem rechter Ideologeme wie der Agitation gegen Gender Mainstreaming oder gegen Chancengleichheit und Inklusion[23] sind auch Ideen wie die Prügelstrafe oder autoritäre und antidemokratische Erziehungsmethoden wieder im Gespräch. Hierbei wäre nicht nur ein Rückblick auf die erziehungswissenschaftliche Kritik der letzten Jahrzehnte von Bedeutung, sondern vielleicht auch das In-Erinnerung-Rufen eines reaktionären Klassikers wie Schreber.

Nach Daniel Gottlob Moritz Schreber (1808–1861) werden bis auf den heutigen Tag die Schrebergärten bezeichnet. Er war im 19. Jahrhundert ein Volkserzieher und Naturdomestizierer ersten Ranges. Seine Bücher (Schreber 1858) erlangten hohe Auflagen, seine Ideologie war mitunter eine pädagogische Vor­weg­nahme der Carl Schmittschen (Sombart 1991) Freund-Feind Dichotomie und also sehr deutsch: „die edlen Keime der menschlichen Natur sprießen in ihrer Reinheit fast von selbst hervor, wenn die unedlen (das Unkraut) rechtzeitig verfolgt und aus­ge­rott­et werden“. (Schreber 1858: 104)

Der sprachliche Duktus lässt die im­pli­zit­en und expliziten Exegeten Schrebers als diejenigen Deutschen erkennbar werden, die prak­tisch wurden: eliminatorische Antisemiten. Wobei es kein Zufall war, dass das Tötenwollen, bei Schreber ‚ausrotten‘ genannt, in Deut­schland Juden traf, da diese häufig mit Ungeziefer und Unkraut ana­log gesetzt wurd­en, wie es ja Schrebers Vernichtungs- und Aus­merz­ungs­päda­gog­ik/-gär­t­ner­ei pro­pa­gierte und praktizierte.

Die Dimension von Natur­be­herr­schung, wie sie in der Dialektik der Aufklärung kritisiert wird (Horkheimer/Adorno 1947), hat in Schreber einen Apologeten und Protagonisten vor sich, der weiß wovon er spricht, denn die Men­sch­en­ver­suche an seinen eigenen Kindern – Ans-Bett-Binden bei nächtlicher Er­ek­tion, oder kalte Dusche beim selben ‚Vergehen‘, Ge­rad­sitz­en incl. der Her­stell­ung extra dafür entwickelter Geradehalter (Langenbach 1988; Burkard 1990) etc. – hat bei einem Sohn den Selbstmord, beim anderen ‚Wahnsinn‘ erzeugt; letzterer ist als Daniel Paul Schreber in die Geschichte der Psychoanalyse u.a. bei Freud eingegangen. (Santner 1996) Schreber bringt innere und äußere Natur­be­herr­sch­ung auf den Punkt:

„Der Mensch soll seiner hohen Bestimmung gemäß immer mehr und mehr zum Siege über die materielle Natur gelangen, der einzelne Mensch zur Herrschaft über seine eigene Natur, die Menschheit im Ganzen zur Herrschaft über die Natur im Großen“. (Schreber 1858: 121)

Für das bürgerliche Selbst hat solche innere Naturbeherrschung, die Folge einer patriarchal evozierten und die sinnlose kapitalistische Warenwelt legitimierenden Selbstkasteiung ist, die „Introversion des Opfers“ (Horkheimer/Adorno 1947: 62) zur Kon­se­quenz.

Schluss: Kategorischer Imperativ für die Erziehung nach Auschwitz

Am 18. April 1966 postulierte der Philosoph Theodor W. Adorno einen kategorischen Imperativ nach der Shoah: „Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ (Adorno 1966: 674) Eine kritische Subjekttheorie könnte im Anschluss an Niemeyer versuchen, jene reformistischen Projekte eines „besser, höher, weiter, mehr“ der (allerdings ohnehin in Europa im Zerfall begriffenen und der extremen Rechten Platz machenden) Sozialdemokratie grundsätzlich in Frage zu stellen.

In neoliberal-kapitalistischen Zeiten ist es für viele auf den ersten Blick schwer vorstellbar oder gar kontraproduktiv, sich gegen die typisch gewerkschaftlichen Forderungen nach „mehr“ zu positionieren. Es kann nicht immer nur um das „bessere Leben“ gehen, nein, es sollte um das „richtige Leben“ gehen, wie Niemeyer in Anschluss an Nietzsche mit Adorno im Gepäck in seiner Abschiedsvorlesung (die auf ihre Weise eine Willkommensvorlesung für die „nächsten 25 Jahre“ ist) postuliert. Niemeyer bringt es auf den Punkt und das sollte zumal sein Metier, die Pädagogik und Sozialpädagogik, zum Nachdenken animieren:

„Vielleicht erklärt dies auch dass die via Habermas nur unzurei­chend auf Nuancen à la Nietzsche vorbereitete studierendenbewegte Grün­dergeneration der BRD-Sozialpädagogik offenbar nur unvollständig verstand, was die durch Adorno populär gewordene Vokabel ‚richtiges Leben‘ verbietet: nämlich den gleichwohl vielfach gezogenen Rückschluss, ‚richtiges‘ falle mit ‚gutem‘ Leben in eins im Sinne vorgeblicher sexueller Befreiung à la Jerry Ru­bin (1971) oder in der Linie paternalistisch herzustellender sexueller Freizügig­keit in Kinderläden und Heimen. Es geht um etwas ganz anderes, nämlich um den Auftrag an jeden einzelnen, sich um ein Leben in Selbstaufgeklärtheit im ‚Denken und Handeln‘ zu bemühen mit dem Ziel, zumindest einen Part dazu beigetragen zu haben, ‚daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe‘ (Adorno 1970, S. 358) und ersatzweise, auch psychologisch tragfä­hig, ein Leben in Offenheit für das Andere und den Anderen möglich wird.“ (Niemeyer 2018: 289)

Für eine kritisch-pädagogische Antisemitismusforschung der Zukunft hat diese Aufforderung eine große Bedeutung. Wie ich zu zeigen versuchte, kann die Antisemitismusforschung eine ganz  breite Wirkung in der Pädagogik erzielen, wenn erkannt wird, auf wie vielen Feldern die Erkenntnisse der kritischen (und nicht herkömmlichen wie sich selbst immunisierenden) Antisemitismusforschung angewandt werden können. Viele Vertreter*innen der Pädagogik wie der Sozial- und Geisteswissenschaften, die meinen, irgendwie kritisch oder links oder zumindest aufgeklärt zu sein, denken von sich selbst, nicht antisemitisch sein zu können. Der Antisemitismus sei doch im Feld der Rechten beheimatet. Pustekuchen, Antisemitismus kommt in allen Teilen der deutschen Gesellschaft vor und nicht zuletzt bei den sich selbst kritisch dünkenden Forscher*innen.

Literatur

 

Adorno, Theodor W. (1966)/1998: Erziehung nach Auschwitz, in: ders., Gesammelte Schriften, Band 10/2, Kulturkritik und Gesellschaft II, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 674–690

Aly, Götz (2008): Unser Kampf. 1968 – ein irritierter Blick zurück, Frankfurt am Main: Fischer

— Ders. (2008a): Die Väter der 68er. Vor 75 Jahren kam Hitlers Generationenprojekt an die Macht: die 33er, Frankfurter Rundschau, 30. Januar 2008

Anders, Günther [1956]/1988: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution, München: C.H.Beck

— Ders. (1979)/1987: Wenn ich verzweifelt bin, was geht’s mich an?, in: ders., Günther Anders antwortet. Interviews & Erklärungen. Herausgegeben von Elke Schubert. Mit einem einleitenden Essay von Hans-Martin Lohmann, Berlin: Edition Tiamat

Augstein, Jakob/Angele, Michael (2018): Vor Auschwitz. War der Genozid an den Herero und Nama eine Blaupause für den Holocaust? Ein Streitgespräch über Rassismus und Antisemitismus, Der Freitag 34/2017, online 08.10.2017, https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/vor-auschwitz (03.05.2018)

Ben-Itto, Hadassa (1998)/2001: „Die Protokolle der Weisen von Zion“ – Anatomie einer Fälschung, Berlin: Aufbau Verlag

Burkard, Maria (1990): Zur Geradheit verkrümmt. Die Orthopädie des Moritz Schreber, in: Ludwig Uhland Institut Tübingen (Hg.), Der aufrechte Gang. Zur Symbolik einer Körperhaltung, Tübingen: TVV, S. 53–60

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— Ders. (2010): A Lethal Obsession. Antisemitism from Antiquity to the Global Jihad, New York: Random House

 

[1] Dieser Text war für einige pädagogische Mainstream-Fachzeitschriften selbstredend zu kritisch, daher wird er hier dokumentiert.

[2] „‘Hitler-Glocke‘ darf hängen bleiben“, 22.10.2018, http://www.spiegel.de/panorama/justiz/herxheim-hitler-glocke-darf-haengen-bleiben-a-1234565.html (13.01.2019).

[3] „The Ugly, Illiberal, Anti-Semitic Heart of the Yellow Vest Movement. The protests have combined legitimate economic grievances with the worst of far-right politics. And the French left has been happy to go along“, 7. Januar 2019, https://newrepublic.com/article/152853/ugly-illiberal-anti-semitic-heart-yellow-vest-movement (13.01.2019).

[4] „Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Antisemitismus entschlossen bekämpfen, Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/444, 17.01.2018“, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/004/1900444.pdf (13.01.2019).

[5] „Ein Schüler sagte: ‚Israel gibt es doch gar nicht‘“, 24. November 2018, https://www.sueddeutsche.de/bildung/antisemitismus-an-schulen-ein-schueler-sagte-israel-gibt-es-doch-gar-nicht-1.4220606 (13.01.2019).

[6] Von 30 angefragten Schulen zum Thema muslimischer Antisemitismus haben sich nur 5 bzgl. eines Seminars rückgemeldet, Arnfried Schenk (2018): „Hitler war ein guter Mann“, sagt die Mitschülerin, Die Zeit, 17/2018, 19. April, https://www.zeit.de/2018/17/antisemitismus-juden-muslime-schule-deutschland/komplettansicht (13.01.2019).

[7] „Antisemitismus: Schulleiter entschuldigt sich für Verharmlosung“, 29. März 2018, https://www.bz-berlin.de/berlin/antisemitismus-an-paul-simmel-grundschule-schulleiter-raeumt-weitere-vorfaelle-ein (13.01.2019); „Berliner Grundschülerin soll antisemitisch gemobbt worden sein“, 25. März 2018, https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2018/03/vorwurf-antisemitismus-schule-berlin-tempelhof.html (13.01.2019).

[8] „‘Schon wieder Holocaust?‘ Rechtsradikale Schüler mobben jüdische Kinder, arabischstämmige loben Hitler. Was können Schulen gegen Antisemitismus tun? Zwei Lehrer berichten von ihren Erfahrungen”, 12. September 2018, https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2018-09/diskriminierung-antisemitismus-rechtsextremismus-juden-schulen-mobbing/komplettansicht (13.01.2019).

[9] „Verzerrtes Israel-Bild in deutschen Schulbüchern“, 4. Juni 2018, https://blogs.faz.net/blogseminar/der-nahost-konflikt-deutschen-schulbuechern/ (13.01.2019).

[10] https://www.ushmm.org/confront-antisemitism/antisemitism-podcast/dervis-hizarci (29.07.2018).

[11] Siehe dazu Michael Lausberg (2015): Akzeptierende Jugendarbeit, 28.11.2015, https://de.indymedia.org/node/6745 (31.07.2018).

[12] „Groups condemn ‚appalling‘ anti-Israel motion which claims to be ‚protecting Jewish students’“, 21. November 2018, https://www.thejc.com/news/uk-news/jewish-students-slam-appalling-anti-israel-motion-which-claims-to-be-protecting-jewish-students-1.472884 (13.01.2019).

[13] https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/programme/fellowship_internationales_museum/kultur_transfer.html (23.07.2018).

[14] „Koloniale Amnesie geht nicht“, 11.06.2017, http://www.taz.de/!5416099/ (30.04.2018).

[15] „British­‐Chinese Architect Tszwai So Wins Platform’s Competition for a Proposal of a Pan­‐European Memorial for the Victims of Totalitarianism in Brussels“, 28. März 2018, https://www.memoryandconscience.eu/wp-content/uploads/2018/03/press_release_28.3.2018.pdf (30.05.2018).

[16] „Spheron chief wins contest for monument to totalitarianism’s victims“, 9. April 2018, https://www.architectsjournal.co.uk/news/spheron-chief-wins-contest-for-monument-to-totalitarianisms-victims/10029849.article (30.05.2018).

[17] http://www.praguedeclaration.eu/ (07.08.2018); http://defendinghistory.com/wp-content/uploads/2012/01/Prague-Declaration-Declaration-Text.htm (07.08.2018).

[18] Heft 1/1987, Siehe eine Abbildung hier: http://www.wir-selbst.de/1987/01/ (13.01.2018).

[19] http://www.lit-verlag.de/cgi-local/suchbuch (Stand 12.01.2019).

[20] „Verleger zieht Unterschrift zu ‚Erklärung 2018‘ zurück“, 10. April 2018, https://www.tagesspiegel.de/kultur/wilhelm-hopf-verleger-zieht-unterschrift-zu-erklaerung-2018-zurueck/21160718.html (13.01.2019).

[21] Eichberg 2011, 116: „Wer von einer bestehenden oder/und gewollten Gleichheit der Menschen ausgeht, wird dazu neigen, sowohl Diskriminierung als auch Sondergruppenbildung von Minderheiten für überflüssig oder anachronistisch zu halten. Er wird eine ‚Gesellschaft ohne Hautfarbe‘ (Rolf Italiaander) anstreben.“

[22] „So viel Hass“, 3. Oktober 2016, Stuttgarter Zeitung, https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.einheitsfeiern-in-dresden-so-viel-hass.32ed59d3-90dd-45ee-9063-345d75e5f9f1.html (13.01.2019)

[23] http://www.news4teachers.de/2016/03/auf-krawall-gebuerstet-wie-die-afd-auch-mit-der-bildungspolitik-stimmung-macht/ (11.01.2019).

©ClemensHeni

Robert S. Wistrich Memorial Lecture 2019: Prof. Dr. Christian Niemeyer: War der „eigentliche“ Nietzsche ein Linker?

Das Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA) lädt zur

Robert S. Wistrich Memorial Lecture 2019

Montag, 20. Mai 2019 – 19 Uhr

Prof. Dr. Christian Niemeyer

War der „eigentliche“ Nietzsche ein Linker?

 

Moderation: Dr. phil. Clemens Heni, Direktor, BICSA

 Wo? Schankwirtschaft Laidak
Boddinstr. 42/43 • 12053 Berlin, Neukoelln

Friedrich Nietzsche hatte für Juden eine große Bedeutung, nicht zuletzt auch für die zionistische Bewegung. Auch Robert S. Wistrich hat Nietzsche intensiv rezipiert und ihn vor dem Vorwurf des Präfaschismus in Schutz genommen. Das hindert heute Rechte nicht, Nietzsche zu vereinnahmen, Linke wiederum verkennen gerne, was an kritischem Potential – Kritik an Deutschland vorneweg – hier geborgen werden kann.

Der international renommierte Nietzscheforscher und langjährige Professor (1992–2017) für Pädagogik an der TU Dresden, Christian Niemeyer, wird darlegen, warum und wie Nietzsche sich mitunter selbst im Weg war, um ein Linker zu werden, der er „eigentlich“ aus tiefstem Herzen war.

 

Prof. Dr. Christian Niemeyer

Juden für ein judenfreies Europa 2034?

Von Dr. Clemens Heni, 28. April 2019

Am 14. März 2019 stimmten weite Teile der Fraktionen von FDP und AfD im Deutschen Bundestag für den FDP-Antrag „Unterstützung Israels bei Abstimmungen im Rahmen der Vereinten Nationen (Uno)“. Israel sei „die einzige Demokratie im Nahen Osten“.

Das war der Anlass für den amerikanischen Publizisten Daniel Pipes vom Middle East Forum (MEF) aus Philadelphia, der eine Berlinreise unternahm, auf Twitter zu schreiben, Merkel würde nur reden, die AfD würde „liefern“. Das gefällt dem Historiker Michael Wolffsohn, der in einem Beitrag für die Bild-Zeitung vom 17. März Pipes wohlwollend zitiert. Pipes hat der Internet-Plattform Politically Incorrect (PI) ein Exklusiv-Interview gegeben. Darin äußert er die Hoffnung, dass Europa in „15 Jahren“ von rechten Parteien beherrscht werde. Damit meint er vor allem Ungarn, Österreich und Italien als Vorbilder. Dabei traf sich Pipes auch mit der AfD wie mit MdB Markus Frohnmaier, der erst kürzlich den Neonazi Manuel Ochsenreiter als Mitarbeiter entlassen musste, weil diesem ein Terroranschlag in der Ukraine vorgeworfen wird. Frohnmaier ist wegen einem rechtsextremen Tattoo auf seiner Brust, einem Lorbeerkranz, Symbol der vom Verfassungsschutz beobachteten German Defence League (GDL), berüchtigt. Frohnmaier und Ochsenreiter sind auch für ihre Nähe zum iranischen islamistischen Regime bekannt, wie Kazem Moussavi herausgearbeitet hat. Das also sind die Kumpel von Stop-the-Bomb oder dem Mideast Freedom Forum Berlin (MEFF), falsch, verwechselt: vom Middle East Forum (MEF) und Daniel Pipes aus Philadelphia. Wen wundert das?

Im Dezember 2017 hatte die Wochenzeitung Die Zeit Pipes und dessen Middle East Forum für die Unterstützung der extrem rechten Online-Seite „Journalistenwatch“ kritisiert, das für die Agitation gegen die Holocaustüberlebende und ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, bei extremen Rechten beliebt ist. 2018 finanzierte Pipes juristische Hilfe für den vorbestraften Rechtsextremisten Tommy Robinson (bürgerlich: Stephen Yaxley-Lennon), der für seine Agitation gegen Muslime in Großbritannien bekannt ist.

Warum gibt sich eine Partei, die stolz ist auf die deutschen Soldaten „in zwei Weltkriegen“ (Gauland) und die Unterstützer hat, die singen „Wir bauen eine U-Bahn nach Auschwitz“, so pro-israelisch? Jüngst war der jüdische Publizist Henryk M. Broder Gast bei der AfD-Bundestagsfraktion. Die Agitation gegen Muslime, Linke, den Feminismus, selbstbestimmte Frauen und Gender, ist ein Bindeglied.

Erinnern wir uns: als im Frühjahr 2012 ein Kölner Landgerichtsurteil besagte, dass die Beschneidung Minderjähriger nicht rechtens sei, gab es einen Aufschrei unter Europas Juden, auch Muslime waren zutiefst schockiert. Damals schrieb „PI News“:

„Wenn sich aber jüdische Verbände und Organisationen beispielsweise so an die uralte Vorschrift der Beschneidung klammern, zeigen sie damit, dass sie sich in diesem Punkt nicht vom Islam unterscheiden. So etwas können wir nach meiner festen Überzeugung in unserem Land nicht zulassen.“

Wenn nun Wolffsohn in der Bild-Zeitung gerade Bundesaußenminister Heiko Maas vorwirft, dieser habe betont, er sei wegen Auschwitz in die Politik gegangen und würde nun Israel via UN-Abstimmungen im Stich lassen, ist das eine Umdrehung der Wahrheit, wie sie dreister nicht sein könnte. Ich war persönlich in Jerusalem dabei, als am 12. Mai 2015 Heiko Maas als erster Bundesminister der Bundesrepublik und damaliger Justizminister auf der weltweit größten Konferenz gegen Antisemitismus, dem Global Forum, veranstaltet vom israelischen Außenministerium, eine Rede hielt und seinen Kampf gegen den deutschen Antisemitismus mit seinem Einsatz für Israel koppelte.

Netanyahu jedoch ist Vertreter der rechtesten Regierung, die Israel jemals hatte. Er hat die amerikanischen Juden vollkommen vom Judenstaat entfremdet, wie selbst der Präsident des World Jewish Congress, Ronald S. Lauder, im Sommer 2018 in der New York Times in scharfen Worten feststellte. Das Nationalstaatsgesetz von 2018 bringt Israel gerade weg von der Demokratie, wie der Vizepräsident des Israel Democracy Institutes und preisgekrönte Professor für juristische Studien, Yedidia Z. Stern, 2018 schrieb.

Im letzten Wahlkampf stellte sich Netanyahu hinter den Sexisten, Rassisten und Pöbler Donald S. Trump, der Amerika seit 2016 an den Rand des Abgrunds führt und die politische Kultur des Westens massiv beschädigt. Netanyahu liebäugelt und kooperiert mit der noch extremeren und rassistischen Rechten in Israel wie der Partei Otzma Yehudit, was der linkszionistische Publizist Yossi Klein Halevi völlig fassungslos festhält. Kritik an der Besatzung des Westjordanlandes ist jedoch nicht antisemitisch. Israel und der Zionismus haben Besseres verdient als Benjamin Netanyahu.

Jene wenigen Juden, die jetzt gemeinsam mit der Neuen Rechten gegen Merkel und die Bundesregierung wie Heiko Maas agitieren, wollen offenbar das gleiche wie PI News: kein Platz für Juden in Europa! Wenn der von Wolffsohn so geschätzte Pipes Recht behält und in 15 Jahren ganz Europa von extrem rechten Partei regiert wird, dann wird kein Platz mehr sein für Juden in Europa, auch nicht für Muslime, Linke und den Feminismus und eine vielfältige Gesellschaft. Damit hätte Hitler doch noch vollends gewonnen.

 

Der Autor ist Politikwissenschaftler, 2018 erschien seine Studie „Der Komplex Antisemitismus“.

 

P.S.: „Wir hatten uns nicht vorgenommen jemals auf die Welt zu kommen
Und trotzdem ist es irgendwie passiert
Als wir uns schließlich selbst erkannten und alles ziemlich scheiße fanden
Da hatten wir das Wichtigste kapiert

Also was wollt ihr tun, wenn die Arschlöcher kommen
Allergie! Aversion! Anti Alles Aktion!
Es ist Staatsfeind Antilopen-Hardcore-Fraktion
Allergie! Aversion! Anti Alles Aktion!
Hey! Hey! Hey!
Macht, was ihr wollt, aber lasst uns in Ruh'“

©ClemensHeni

Markus Lanz, das ZDF und ein anständiger Hamburger. Der sekundäre Antisemitismus des sicherlich Nicht-Antisemiten Klaus von Dohnanyi

Von Dr. Clemens Heni, 18. April 2019

Am Dienstagabend, 5. März 2019, hatte sich der gebührenfinanzierte Dampfplauderer vom Dienst, Markus Lanz, neben Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der ZEIT, den ehemaligen Bundesminister und das SPD-Urgestein Klaus von Dohnanyi zum Plausch in die nach ihm benannte Sendung im ZDF geladen. Was der Gast dabei von sich gab – und der Moderator durchgehen ließ, ohne nachzufragen, ließ tief blicken und indiziert, wie die politische Kultur in diesem neuen Deutschland funktioniert, auch ganz ohne AfD.

Für einen ganz normalen Deutschen ist Wissenschaft unnötig. Er oder sie weiß es aus eigener Anschauung ohnehin besser. Jeder gute Deutsche hat einen „gesunden Menschenverstand“, was Kritiker als ungesund oder krank dastehen lässt. Dohnanyi machte in der Sendung den Austritt der SPD aus der Reichsregierung 1930 für den Aufstieg der NSDAP verantwortlich. Widerstand habe es massenhaft in Deutschland gegeben, nach 1933, fast jeder und jede hatte einen Juden, der versteckt oder versorgt wurde, das war der Tenor des SPDlers. So klang dieser mit vollem Kalkül vorgetragene Schrei gegen die heutige Schonzeit für Juden aus dem Munde eines SPD-Vordenkers. Es müsse Schluss sein mit der Erinnerung an die „Judenvernichtung“, die Zukunft rufe, so sprach er.

Da wird der zapplige, nie den Status des pubertierenden Strebers loswerdende Lanz, der sich quasi freut wie Oskar, der seinen ehemaligen verknöcherten autoritären Schulleiter wiedertrifft und der alleine für das Wackeln mit seinen aalglatten Schuhen einen Werbevertrag einer großen Schuhfirma erhalten sollte, ganz hellhörig. Er habe jüngst ein Interview mit dem Historiker Götz Aly gelesen, der darauf abheben würde, dass „Hitler den Sozialstaat aufgebaut habe“. Hitler und Sozialstaat, da werden Deutsche ganz wuschig, das ist spannend und irgendwie doch fast verboten. Sind eventuell gar Juden im Publikum? Oder vor den TV-Geräten? Wurden die Juden von einem ganz modernen Sozialstaat ermordet? War es gar nicht böse gemeint?

Diese modernistische Pointe Alys und Lanz‘ ist eine Position der Neuen Rechten seit Jahrzehnten, namentlich von Rainer Zitelmann und Michael Prinz, die das ach-so-moderne Element des Nationalsozialismus herauskehren. Nicht der Antisemitismus, sondern der ökonomische Surplus die Deutschen habe jene dazu gebracht habe, die Juden zu vertreiben, totzuschlagen, zu denunzieren, zu deportieren, zu vergasen und zu massakrieren, wobei natürlich bei den Neuen Rechten der Holocaust ohnehin gar nicht im Fokus steht, sondern Hitler als „Revolutionär“ umarmt wird (Zitelmann).

Im Gespräch von Lanz mit Dohnanyi und Lorenzo geht es somit um Trump und AfD, die so wenig böse seien wie Hitler und die Deutschen 1933, einfach nur die „soziale“ Frage nicht richtig beantworten würden, aber es an sich gut meinen würden.

Als dann aber Giovanni di Lorenzo von der „nationalsozialistischen Ideologie“ und „einem entsetzlichen, ungeschminkten Antisemitismus“ redet, wird Dohnanyi wütet und sagt, „aber nicht in Deutschland“, „sehr viel mehr bei der Nazipartei“, „aber die war damit nicht erfolgreich“.

Die NSDAP habe also erstens keinen Kontakt zu den Deutschen gehabt und zweitens habe sie zwar irgendwie Antisemitismus in sich gehabt, aber sei damit nicht erfolgreich gewesen. Diese Exkulpation Deutschlands vom Antisemitismus ist die typische Lüge der Deutschen seit jeher. Dann fragt Lanz wie der kleine Schuljunge, immer noch der Streber, der alles wissen möchte und insgeheim schon weiß, Dohnanyi, „wieviel hat denn die Bevölkerung gewusst?“ – natürlich so gut wie gar nichts, nur das Militär wusste manches, so der SPDler. Und weil sie ja nichts wissen konnten, sind sie auch nicht schuldig.

Und dann wendet sich der ganz normale Deutsche aus Hamburg an di Lorenzo und sagt „Ich bin anderer Meinung als Sie und meine nicht, dass das ständig wiederholt werden muss“ – die Sache mit dem Antisemitismus. Er möchte nicht mehr hören, „was hinterher dann passiert ist“ – damit ist Auschwitz gemeint, das interessiert den Erinnerungsverweigerer nicht, und da klatscht das Publikum, nicht AfD frenetisch mit Getrampel oder bayerisch mit Klatschen auf die Lederhosen, sondern gediegener, ZDF-mäßiger, Hamburgerischer, auch wenn die Sendung aus Mainz kommt.

Und sofort kommt der Erste Bürgermeister a.D. und Rot=Braun-Ideologe und Shoahverharmloser auf die DDR, auch die Eltern von Merkel hätten nicht „gewusst, was alles geschah“ – also wieviel KZs es gab und wieviele Millionen Menschen in Bautzen vergast wurden etc. pp. Dieser Wahnsinn flutscht nicht nur beim ZDF und bei Lanz hinunter wie Honig.

Bereits 1995 unterstrich der nationalpolitische Vordenker Klaus von Dohnanyi, was für ein guter Deutscher er ist, als er im Stern schrieb:

Seit das deutsche Kaiserreich 1871 entstand, wuchs in Europa die Unruhe über dessen Stärke und in Deutschland mit dieser Stärke der Übermut. Aus diesem Gemisch entstand der Sprengstoff des Ersten Weltkriegs. Dieser wiederum wurde dann auf dem Hintergrund des für Deutschland unerträglichen Versailler Vertrags und einer trotzigen deutschen Unbelehrbarkeit zum Nährboden für den Nationalsozialismus. Allerdings läßt sich auch nicht bestreiten, daß Kriege in Europa nicht nur von der vereinten deutschen Nation geführt wurden, sondern zuvor über Jahrhunderte gegen die kleinen deutschen Teilstaaten, und zwar mit dem Ziel, diesen die staatliche Einheit Deutschlands unmöglich zu machen… Immer wieder war es zentrales Ziel der Politik der europäischen Großmächte, die Einheit Deutschlands notfalls auch militärisch zu blockieren… Nicht von der Wiedervereinigung, sondern von den Kommunisten wurden die Unternehmen, die ja vor 1945 genauso wettbewerbsfähig waren wie die im Westen, zerstört.“

 Das kommentierte Hermann L. Gremliza (Literatur-Konkret 1995):

 „Auch in einem großen Arschloch steckt mitunter ein exaktes Thermometer. Seit dem 3. Oktober 1990 nämlich gilt: Die deutsche Vergangenheit ist bewältigt, Erinnerungen an sie, Verbindung zwischen einst und heute sind zu unterlassen; die deutsche Geschichte hat, soweit sie nicht Vergangenheit ist, viele helle Seiten und eine dunkle; die dunkle Seite heißt DDR; deren Abschaffung war politisch, ökonomisch und vor allem sittlich geboten, die daran beteiligten Personen waren edel, hilfreich und gut.“

 Das soziale Moment ist Lanz so wichtig und da ist er ganz bei Dohnanyi. Und das trifft sich auch mit weiten Teilen der unkritischen, also typischen und Mainstream-Forschung. Die Neue Rechte, die betont, wie „modern“, also auch sozialstaatlich der NS gewesen sei, wird von sport- und fußballinteressierten Frauen wie  der Historikerin Christiane Eisenberg umworben, die in ihrer Habilitationsschrift von den ach-so-schönen Seiten der Olympiade 1936 geradezu schwärmte und das „moderne“ Element wie Liegestühle, Blumenrabatte oder ein Kino für die Sportler*innen herausstrich.

Und wieder ein SPDler, der Berliner Innen- und Sportsenator Andreas Geisel, hat nun die Idee, 2036 wieder eine Olympiade nach Berlin zu holen, hat schon damals so schön geklappt. Dieser Bezug zu Nazi-Deutschland via dem immer noch stehenden Berliner Olympiastadion ist für die ganz normalen Deutschen richtig prickelnd. Am besten kommt das, wenn keine offen als Nazis erkennbaren Personen solche Vorschläge machen, es ist viel galanter, wenn die SPD anstatt der NPD oder der AfD solche Vorschläge macht.

Dohnanyi ist viel zu alt fürs Rumzappeln wie Lanz, er promotet seinen Ehering, die Familiengeschichte und weiß sehr genau, wie man den sekundären Antisemitismus bedient und selbst generiert.

Dohnanyi verleugnet den Antisemitismus im Jahr 1928. Ja, die Deutschen hätten später, nach 1933, „sehr viel für die Juden getan, das wird völlig unterschätzt heute“. Also auch dieses Märchen, das jeder geschichtswissenschaftlichen Studie über das Leben von Juden im NS entgegensteht, ist Dohnanyi ganz wichtig. So wichtig, dass er ja bereits 1996 bei der Goldhagen-Debatte in vorderster Front gegen den jüdischen Politikwissenschaftler, der die „ganz normalen Deutschen“, „Hitlers willige Vollstrecker“ untersuchte, Front machte. Dabei wurde er auch von jüngeren Kollegen wie den Historikern Norbert Frei oder Johannes Heil tatkräftig unterstützt, wie z.B. der Historiker Martin Kött in einer Studie über „Goldhagen in der Qualitätspresse“ 1999 quellengesättigt zeigen konnte.

Man sollte vor allem nicht die Vergangenheit nach „heutigen Maßstäben“ beurteilen, so der ehemalige Hamburger Bürgermeister. Reden wir doch Tacheles: Wir „Gutmenschen“ kriegen die Vollkrise, wenn jemand Juden mit Flöhen vergleichen würde, aber 1926, als Joseph Goebbels vom „linken“ Flügel der NSDAP dies in seinem „Nazi-Sozi“ tat, da war das der Zeitgeist. Da nun mit heutigen Maßstäben zu kommen, das geht schon mal gar nicht. So denken die Dohnanyis, die für die große Masse von Deutschen sprechen.

Es ist bei all diesen Debatten typisch, dass die Deutschen Antisemitismus nicht kritisieren, sondern als „Antisemitismusvorwurf“ bezeichnen. Klaus von Dohnanyi generierte diesen Topos der armen gebeutelten Deutschen nach 1945 doch selbst – und zwar als Redner im Deutschen Bundestag zum Gedenken an die Befreiung von Auschwitz in einer Gedenkstunde am 31. Januar 1997:

Man darf aber nicht vergessen, in welch existentieller Not auch Deutschland und die Deutschen in den ersten Jahren nach Kriegsende waren.

Da ist sie, die sekundär antisemitische Redeweise, die die deutschen Täter, Mitläufer und Mittäter und Mitwisser und Wisser und Henker und Denker, Richter und Hausfrauen, BDM-Führerinnen wie Ex-Wehrmachtsgeneräle, Industriekapitäne, NSDAP-Mitglieder und Ex-Nazi-Funktionäre wie auch Antisemiten, die keine NSDAPler waren, in Schutz nimmt. Dieser Satz – „Man darf aber nicht vergessen, in welch existentieller Not auch Deutschland und die Deutschen in den ersten Jahren nach Kriegsende waren“ – kommt aus tiefstem Herzen und spricht die Wahrheit aus.

Gerade das Wort „existentielle Not“ ist verräterisch, da die Deutschen überhaupt gar nicht in existentieller Not waren, das Land war erstmal besetzt und die Alliierten verteilten später sogar Kaugummi und Schokolade und waren unterm Strich doch viel zu freundlich zu den Deutschen, namentlich die Amerikaner, die ja neue Alliierte brauchten, ab 1947/48 im Krieg, dem „kalten“, gegen den Kommunismus.

Massenhaft wurde erstmals im Januar 1979 über die TV-Serie „Holocaust“ diskutiert und da waren grade die Linken nicht sehr interessiert, wie der Politologe Andrei Markovits, der damals Fellow der Hans-Böckler-Stiftung war, schockiert bemerkte. Sogleich ging es bei den Linken darum, sich selbst als mögliches Opfer eines „Atomtodes“ zu imaginieren wie die Juden damals („atomarer Holocaust“). Der Antisemit Ernst Nolte hat dann 1985 und verschärft 1986 den Historikerstreit begonnen, indem er die Schuld bei Stalin suchte, beim Erzfeind Kommunismus und die „asiatische Tat“ als Ursache für Hitler und den Holocaust herbei fabulierte.

Damals verlor Nolte den Historikerstreit gegen Jürgen Habermas und Hans-Ulrich Wehler (erster hat das schon zuvor mit der Depotenzierung der Kritischen Theorie und Adornos, letzterer 1996 in seinen Attacken gegen Goldhagen wiedergutgemacht), aber on the long run ist er der große Sieger, noch posthum. Denn 1986 fand 1997 im „Schwarzbuch des Kommunismus“ in Frankreich und bei Joachim Gauck einen Nachfolger und mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung und bei Ulrike Ackermann und vielen anderen ein euphorisches Publikum. Seit einigen Jahren gibt es auch ein sehr laut hörbares Echo aus den USA via der Publikation „Bloodlands“ (2010) des Historikers Timothy Snyder, preisgekrönter Schriftsteller nicht nur in Leipzig, sondern eine Ikone litauischer Geschichtspolitik.

Dann kam der 9. November 1989, als die SPD im Bundestag zu Bonn am Rhein die deutsche Hymne anstimmte und nur wenige begriffen, was passierte und aus dieser Partei austraten, wie Gremliza. Manche verrückten Kritiker wie wir Abiturienten des Frühjahrs 1989 schrieben dann Widervereinigung ohne „e“, ahnend, was sich da zusammenbraute. Seit damals wird von den braven und guten Deutschen von den „zwei Diktaturen auf deutschem Boden im 20. Jahrhundert“ gleichsam gefaselt. Rot tendiere zum Braun und vice versa, das ist die Ideologie, die jetzt von der EU aufgegriffen wird und wir bald einen gesamteuropäischen Gedenktag 23. August haben werden, der den Holocaustgedenktag ablösen wird.

Am 28. März 2018 gaben die „Platform of European Memory and Conscience“ und die Europäische Union (EU) bekannt, dass der britisch-chinesische Architekt Tszwai So den Architekturwettbewerb für ein „Gesamteuropäisches Denkmal für die Opfer des Totalitarismus“ gewonnen hat. Das wöchentliche Architects‘ Journal (AJ) aus London gab die Entscheidung freudig bekannt und machte sich somit zu einem Sprachrohr dieser in Architektur zu gießenden Ideologie des Rot = Braun. In Brüssel wird der Jean Ray Platz nach Sos Vorstellungen geplant: es sollen in Bodenplatten tausende Briefe von Opfern des „Totalitarismus“ eingelassen werden. So läuft heute Geschichtsrevisionismus und der Antisemitismus aus Erinnerungsabwehr. Das ist vollkommen Mainstream und nicht mal die paar selbst ernannten (universitären, zivilgesellschaftlichen oder NGO-mäßigen) Kritiker*innen des Antisemitismus hierzulande merken das.

Anstand ist den Dohnanyis so wichtig. Der Journalist Otto Köhler hat das festgehalten (Konkret 3/98), die Sache mit dem deutschen „Anstand“ und dem „Widerstand“, für den der Vater Dohnanyis stand. 1997 hatte Dohnanyi in der Frankfurter Paulskirche ein Loblied auf den 20. Juli singen dürfen, Köhler kommentierte:

Dohnanyi, der in seiner Ansprache mit maliziösen Bemerkungen nicht sparte –  [meinte,] Goldhagen solle doch mal erklären , ‚warum sein Manuskript von der Harvard University Press nicht zum Druck angenommen wurde‘ – fällt über den Berliner Historiker Christian Gerlach ebenso her wie über den ‚in Ton und Gemeinheit vergleichbaren Artikel‘, den der Historiker David Morley in der ‚Süddeutschen Zeitung‘ veröffentlicht hatte – im beiden Fällen handele es sich ’schlicht um perfide Diffamierungen‘ des besseren Deutschland. Gegen die er seine Argumente setzt: ‚Es ist sicher wichtig zu wissen, daß sich auch Signaturen von Treskow (sic!) auf verbrecherischen Befehlen finden; es wäre aber dann auch wichtig, darauf hinzuweisen, daß ein erfolgreicher Putsch nur aus dem aktiven Militär und nicht aus der Emigration möglich war.‘

Otto Köhler resümierte:

Aber Dohnanyi kann noch mehr: ‚Es ist auch richtig, daß jeder Offizier – auch ein Mann im Widerstand – im Krieg Schutzmaßnahmen gegen Partisanen ergreifen mußte und daß diese überall von großer Härte waren.‘ Das müsse – anstelle von ‚ehrabschneidenden Schlußfolgerungen‘ eine ‚wissenschaftliche Aufarbeitung der Fakten‘ berücksichtigen. Die Wissenschaft hat längst aufgearbeitet. Auch das Militärgeschichtliche Forschungsamt läßt keinen Zweifel daran, daß Wehrmacht und SS ihre Massenmordaktionen an jüdischen Kindern, Frauen und Männern als ‚Schutzmaßnahmen gegen Partisanen‘ tarnten. Doch mit Argumenten darf man dem Festredner nicht kommen: ‚Denn‘, so Dohnanyi, ‚die verläßlichste Quelle, auch der Solidarität des Widerstandes, war niemals irgendein theoretisches Gebäude, sondern immer menschlicher Anstand. Wenn es sein mußte, bis in den Tod. Diese Eigenschaft des menschlichen Anstandes, diesen ‚reinen Heroismus‘ ehren wir durch die Ausstellung, die wir heute eröffnen.‘ Der Herr, der da so eifrig mit dem Wort ‚Anstand‘ jonglierte, sollte, auch wenn er sonst wenig weiß, das eine Zitat doch wenigstens kennen, das zeigt, was in Deutschland aus diesem Begriff geworden ist – eine Primärtugend für Mörder. Himmler am 4. Oktober 1943 vor SS und Polizei: ‚Von euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen, oder wenn 1.000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwäche – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Das ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.‘

Die Abwehr der Erinnerung – dazu gehört auch und vor allem das geschwätzige Reden über „damals“, startend mit Richard von Weizsäcker 1985 – ist das zentrale Thema der Deutschen nach dem 8. Mai 1945. Die Wehrmachtsausstellung 1995 hat Neonazis zu Demonstrationen und Aktionen motiviert, alte Kämpfer heulten los und viele alte „Kameraden“ zündeten ein Feuer, wie es die Deutschen seit der „Flak“ auf ihren „Flaktürmen“ nicht mehr gesehen hatten. Parallel dazu wurden Dutzende Nicht-Deutsche ermordet.

Das gab es schon lange vor 1989, Franz-Josef Degenhardt („Väterchen Franz“) sang davon schon in den 1960er Jahren bezüglich der abgestochenen Italiener, aber danach wurde es exzessiv und führte auch dank der „akzeptierenden Jugendarbeit“ zur Gründung des NSU Ende der 1990er Jahre und im Jahr 2000 zum ersten Mord an einem Migranten durch den NSU.

Im Oktober 1998 hielt der Schriftsteller Martin Walser seine Dankesrede für den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Entgegen Dohnanyi, der nur ein Jahr jünger als Walser ist, zitterte er vor „Kühnheit“ und wehrte in einer antijüdischen Diktion die Erinnerung an Auschwitz ab, wie nicht einmal Nolte es vermocht hatte:

Das fällt mir ein, weil ich jetzt wieder vor Kühnheit zittere, wenn ich sage: Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung.

Ein Dohnanyi lässt sich natürlich nicht einschüchtern und deshalb zitterte er auch nicht, als er in Walsers Tonlage im März 2019 bei Lanz im gleichen antisemitischen Duktus lospolterte.

Zudem bekam Walser entgegen Nolte 1986 standing ovations in der Frankfurter Paulskirche, bis auf den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, dessen Frau Ida, und Friedrich Schorlemmer. Heute ist diese Position Mainstream, das ZDF freut sich über einen Gast wie Dohnanyi, der eine Art Großvater auch für die Katrin Müller-Hohensteins ist, die gerne vom „inneren Reichsparteitag“ (2010) reden, wenn ein deutscher Fußballspieler ein Tor schießt.

Der erste Intendant des ZDF war 1962/63 Karl Holzamer, ein katholischer antihumanistischer Antisemit, der den „Rembrandtdeutschen“ (1890) Langbehn 1946 an der neu gegründeten Universität Mainz als „Mahner“ würdigte und später jungen schicken Frauen und Männern in Existentialistencafés das unchristliche Lesen, Diskutieren, Nachdenken, Rauchen, Trinken und Cool-Sein übel nahm.

Holzamer erinnerte 1985 zudem daran, wer alles in seinem Bund Neudeutschland war, so auch neben Filbinger und Barzel der Bruno Heck. Bruno Heck (1917–1989) war CDU-Bundestagsabgeordneter (1957–1976), Bundesfamilienminister, von 1967–1971 erster Generalsekretär der CDU, von 1950–52 Regierungsrat im Kultusministerium von Württemberg-Hohenzollern und von 1968–1989 Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). 1983 publizierte er einen Aufsatz, in dem er in typisch sekundär antisemitischer Diktion erklärte:

Die Rebellion von 1968 hat mehr Werte zerstört als das Dritte Reich. Sie zu bewältigen, ist daher wichtiger, als ein weiteres Mal Hitler zu überwinden,

wie der Journalist Albrecht von Lucke in einer luziden Kritik an Heck festgehalten hat. Da lacht und klatscht Klaus von Dohnanyi.

2002 lud Kanzler Gerhard Schröder Walser just am 8. Mai ein und ließ ihn über Versailles fabulieren und wiederum die Deutschen als Opfer böser Mächte und der Geschichte präsentieren. 2003 heulte dann Schröder vor Rührung, wie vielleicht kein Kanzler seit 1949, als er den Film „Das Wunder von Bern“ sah, wo von Sönke Wortmann das deutsche „Wir“ gefeiert und damals die erste Strophe der Nationalhymne millionenfach gesungen wurde. Nur wenige Jahre nach Auschwitz waren „wir“ wieder „wer“. Nicht mehr die Schlächter von Sobibor oder Majdanek, nein, Fußballweltmeister, das ist ja noch besser. Außer dem Vergessen der Shoah ist den Deutschen nichts so wichtig wie die Fußballweltmeisterschaft, vor allem jene von 1954, die ersteres so begünstigte wie kein anderer Vorgang es je vermocht hätte.

Das „Sommermärchen“ von 2006 (den Dokumentarfilm dazu drehte ebenfalls Wortmann, der grüne Deutsche) schoss „dank“ Jürgen Klinsmann nicht nur die Polen ab, sondern hat geschafft, was selbst 1954 nicht konnte: schwarzrotgoldene Unterhosen und Untertassen waren nun allgegenwärtig, „der“ Deutsche kam jetzt zu sich selbst. Die jungen Leute, die weder wussten, was Abseits ist, noch, dass man nicht 7 Spieler im Laufe eine Spieles auswechseln kann oder gar das ganze Team, waren frenetisch und fanatisch („ausgelassen“, „Partypatriotismus“), sie waren stolze Deutsche, keine international interessierten Sport- und Fußballfans. Nicht die Welt war „zu Gast bei Freunden“, sondern Deutschland war Gast bei sich selbst und schrie die Erinnerung an den Holocaust so laut weg, dass man es vom Brandenburger Tor über das Holocaustmahnmal (ein Mahnmal, „zu dem man gerne gehen soll“, R. Schröder) bis zum Denkmal für Hermann den Cherusker bei Detmold hören und fühlen konnte.

Der Aufstieg der AfD (2013) und von Pegida (2014) waren die Konsequenz, wobei der Millionenbestseller von Thilo Sarrazin von 2010 (auch ein Genosse wie Schröder und Dohnanyi), „Deutschland schafft sich ab“, im Kern ein Loblied auf den „Wiederaufbau“ der 1950er Jahre und die „deutschen Tugenden“ legte und das Wort „Deutschland“ mit Genuss ausspricht.

Die Sendung von Lanz mit Dohnanyi zeigt, wie un-nötig die AfD für den Betrieb ist, sekundären Antisemitismus kann der deutsche Mainstream auch ohne die neuen Nazis im Bundestag und den Landtagen.

Der Gemeinderat von Herxheim am Berg, einer kleinen Gemeinde in Rheinland-Pfalz mit ein paar Hundert Einwohner*innen und unzähligen Weinstöcken, idyllisch gelegen, hat sich 2018 dafür ausgesprochen, eine Bronzeglocke mit der Inschrift „Alles für’s Vaterland. Adolf Hitler“, mit einem Hakenkreuz untermalt, in seiner evangelischen Kirche St. Jakob hängen zu lassen. Dieser allzu deutsche Vorgang sagt alles über die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2018 aus.

Der Auftritt von Klaus von Dohnanyi bei Markus Lanz 2019 ist das Pendant hierzu. Der Antisemitismus ist bei dumpf-deutschen Pfälzern so sehr beheimatet wie beim Hamburger sozialdemokratischen Nationalisten und Erinnerungsverweigerer und einem der beliebtesten ZDF-Vorbeter. Dohnanyi ist auch kein alter Mann, der vergessen möchte, sondern ein ganz typischer jung-deutscher unverschämter Ausdruck der Zukunft des (sekundären) Antisemitismus, der sich als dessen angebliches Gegenteil (SPD, „Widerstand“) vorstellt.

Natürlich ist Klaus von Dohnanyi ganz sicher kein Antisemit. Es gibt keine Antisemiten mehr – bis auf ein paar linke oder muslimische Spinner und „Unverbesserliche“, das wissen wir doch alle. Er treibt den sekundären Antisemitismus, den kaum jemand auch nur erkennt, geschweige denn attackiert, nur zu einem weiteren Höhepunkt und dafür lieben ihn die Deutschen, nicht nur Lanz und das Publikum im Studio.

Mit diesem Personal hat Deutschland wieder eine Zukunft – eine Zukunft für seine Vergangenheit, wie der Publizist Wolfgang Pohrt es Anfang der 1980er Jahre auf den Punkt gebracht hatte.

Wer sich hingegen mit der Wirklichkeit in Deutschland der Jahre 1928 bis 1934 beschäftigen möchte, kann zu einem kleinen Buch mit großer Wirkung und Relevanz greifen: „Antisemitismus zum Weihnachtsfest. Boykotte gegen jüdische Geschäfte 1928–1934“ von der Historikerin Hannah Ahlheim (2018). Dort wird die Bedeutung des Antisemitismus gerade schon vor 1933 exemplarisch am Beispiel jüdischer Gewerbetreibender und der Bedeutung des christlichen Weihnachtsfestes kritisch untersucht.

Davon wollen aber die normalen Deutschen nichts mehr hören. Schluss, aus, Ende, fertig. Antisemiten waren nur ganz wenige und vor allem: „nicht wir“.

Kein Antisemitismusbericht und keine „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)“ wird diesen neuen Antisemitismus je erfassen. Er ist viel zu ubiquitär und würde jede Statistik sprengen und ad absurdum führen.

©ClemensHeni

 

Ethnopluralismus und „Balkanisierung für Jedermann“ oder: Ein neu-rechtes Massaker an Muslimen in Neuseeland – Wieviel Henning Eichberg, Renaud Camus und Götz Kubitschek steckt in dem Neo-Nazi-Massenmörder in einer Moschee von Christchurch vom 15. März 2019?

Von Dr. Clemens Heni, 16. März 2019

Erste Gedanken anlässlich einer möglichen Epochenschwelle.

Für Georg Diez

Eine rechtsextreme Terrorgruppe hat am Freitag, den 15. März 2019, in Neuseeland 49 Muslime in zwei Moscheen massakriert und Dutzende weitere verletzt. Der 28jährige Haupttäter, der 41 Menschen in der Al-Nur-Moschee ermordete, hat offenbar ein Manifest verfasst, das im Internet zu finden war (bzw. ist) und das auf schockierende Weise zeigt, wie jahrzehntelange neu-rechte Ideologie zum Massenmord motivieren kann.

Der Titel der Selbstbezichtigung sagt alles: „The Great Replacement“ – „Der große Austausch“.

Darunter sieht man eine Art kreisförmiges Piktogramm mit Beschriftung, das im oberen Teil von links nach rechts die Themen „Arbeiterrechte“, „Anti-Imperialismus“, „Umwelt“, „Verantwortliche Märkte“ und im unteren Teil, der durch ein verfremdetes Keltenrad, einem Neo-Nazi Symbol, verbunden ist, die Topoi „Schutz der Herkunft und der Kultur“, „Ethnische Autonomie“, „Recht und Gesetz“ sowie „Suchtfreie Gesellschaft“, aufführt.

Der britische Faschist Oswald Mosley ist ein Vorbild des Täters, der sich stolz einen „Ökofaschisten“ nennt.

Es geht dem Mörder um die angebliche Gefahr eines „white Genocide“, dem Aussterben der „weißen Rasse“, der Europäer. Für ihn ist der Ausdruck „white Race“ Zeichen dafür, dass alle Weißen Europäer seien, damit meint er Nordamerika, Australien, Neuseeland – und Europa selbst.

Dieser Mörder ist ein rationaler Stratege, kein spontaner Schläger oder Totschläger, es geht nicht um Affekt oder Emotion – es geht um rationales Handeln, um eiskaltes Töten, gepaart – das ist absolut zentral – mit einem neu-rechten Manifest, das die Wahrheit über die Neue Rechte ausspricht. Das macht diese Tat so gefährlich.

Der Täter hat sich 2 Jahre auf seine Tat vorbereitet, wie er schreibt, und hat Frankreich, Spanien, Portugal, Europa bereist und nicht Menschen gesehen, sondern „Eroberer“, damit meint er Muslime.

Absichtlich hat er ein Land ausgewählt für seinen perfiden Mordplan, das in den letzten Jahrzehnten noch nie in den Schlagzeilen war wegen einem Massaker: Neuseeland. Das beschreibt er in dem Pamphlet. Er möchte den Nicht-Weißen zeigen, dass noch der allerhinterste Ort der westlichen Welt nicht mehr sicher ist.

Er unterscheidet sich vom typischen affektgeladenen Schreibtischtäter im Online-Pöbel-und-Hetz-Zeitalter dadurch, dass er zum Massenmörder wurde. Er rechnet damit, 27 Jahre ins Gefängnis zu kommen wie Nelson Mandela. Er gibt sich den Anstrich des Befreiungskämpfers und benutzt Mandela auf widerwärtige Weise, ja diffamiert ihn und degradiert ihn zum Massenmörder. Interessant ist gleichwohl, dass diese Neuen Rechten kein Problem mit Schwarzen haben – solange diese separiert von Weißen leben. Das gilt auch für Muslime.

Der Titel der 74seitigen Anklageschrift – de facto ist es eine Anklageschrift gegen sich selbst, obwohl er sich natürlich für „unschuldig plädieren“ wird in dem Gerichtsprozess und sein Massaker als „Partisanenaktion“ schön redet und rationalisiert – ist also „The Great Replacement“ – „Der große Austausch“. Das ist auch der Titel eines in Deutschland erhältlichen Buches von Renaud Camus – „Revolte gegen den großen Austausch“, erschienen im rechtsextremen Verlag Antaios von Götz Kubitschek. Das französische Original war 2011 erschienen.

Der vorbestrafte Renaud Camus fantasiert von einer Eroberung Frankreichs durch Einwanderer*innen und namentlich durch die Muslime.

Das ist exakt die Tonlage und Ideologie des Massenmörders von Neuseeland, wie man in seinem Manifest nachlesen kann. Es geht ihm um die niedrige Geburtenrate im Westen, das erinnert an Thilo Sarrazins Angst vor „Deutschland schafft sich ab“ und seiner Anti-Islam Agitation.

Davon unbenommen ist die Gefahr des Islamismus, nur sind das zwei Seiten der gleichen Medaille: Islamisten wollen in der Tat mit Geburten ihre gemeingefährliche Ideologie und Religion verbreiten, so wie Nazi-Faschisten (braune entgegen den grünen Faschisten, grün hier gedacht als Farbe des Islam, nicht ökologisch) auch ihre Macht ausbauen wollen und ein ganz ähnliches Herrschaftsgebäude aufbauen wollen. Beiden stehen für autoritäre, ich-schwache Persönlichkeitsstrukturen. Der IS-Jihadist schaut mit Respekt auf den Massenmörder von Christchurch und vice versa.

Der Massenmörder hat kein Problem mit Muslimen an sich, nur dann, wenn sie im Westen leben, also in Europa und seinen Ablegern aus seiner Sicht.

So wie Pegida, die AfD und die Neue Rechte in allen westlichen Ländern, von Le Pen in Frankreich (die er lächerlich harmlos findet) über Wilders in Holland, Trump in USA (den er insofern euphorisch begrüßt, als er Symbol einer „erneuerten weißen Identität“ sei, aber dessen Realpolitik lächerlich findet) oder Orbán in Ungarn, möchte der australische Neue Rechte oder Neo-Nazi, das ist in diesem Fall deckungsgleich, homogene Einheiten.

Was er am meisten hasst ist Vielfalt und den amerikanischen „melting pot“. Daher auch sein völkischer Antikapitalismus, der in seiner Reinheits-Diktion an Lanz von Liebenfels oder die Guido-von-List Gesellschaft von Anfang des 20. Jahrhunderts erinnert, beides waren Inspirationsquellen Hitlers aus dessen Wiener Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, wobei deren Antisemitismus bei diesem Täter hier in Neuseeland fehlt oder schwächer ausgeprägt ist.

Mit Juden hat er kein Problem, solange sie in Israel leben und „seinem Volk“ (damit meint er die „weiße Rasse“) nichts antun. Der Antisemitismus hierbei liegt darin, Juden als fremd zu sehen, demnach sind jüdische Amerikaner oder jüdische Australier und jüdische Deutsche keine „Weißen“ oder „Europäer“. Da haben wir dann wieder den rassischen Antisemitismus. Israel ist demnach auch kein westliches Land.

Der Kern des Pamphlets, das ein Massaker an 49 Muslimen rechtfertigt, ist der Begriff „Balkanisierung“ oder „Balkanization“. Der Täter möchte die USA von innen heraus zerstört wissen, in dem er über den Konflikt über Waffengesetze erreichen will, dass sich das Land entlang ethnischer Kategorien gleichsam rassisch aufteilt. Er wünscht sich einen Bürgerkrieg in USA, das nur stellvertretend steht für den ganzen Westen (Europa, Australien, Neuseeland, Nordamerika).

Das ist der Kern des ganzen neue-rechten Pamphlets:

 

„Finally, to create conflict between the two ideologies within the United States on the ownership of firearms in order to further the social, cultural, political and racial divide within the United states. This conflict over the 2nd amendment and the attempted removal of firearms rights will ultimately result in a civil war that will eventually balkanize the US along political, cultural and, most importantly, racial lines. This balkanization of the US will not only result in the racial separation of the people within the United States ensuring the future of the White race on the North American continent, but also ensuring the death of the ‘melting pot’ pipe dream.”

Ob der Massenmörder Henning Eichberg gelesen hat, ist unklar. Eichberg (1942–2017) war der einflussreichste deutsche Vertreter und Mitbegründer der Neuen Rechten Anfang der 1970er Jahre. Von Eichberg stammt der Begriff „Balkanisierung.“ Ich habe in meiner Dissertation an der Uni Innsbruck 2006 dieses Konzept analysiert.

1979 hielt Eichberg in Bregenz (Österreich) auf den Bregenzerwälder Kulturtagen den Vortrag „Balkanisierung für jedermann“. Dies ist einer von Eichbergs bekanntesten politisch-propagandistischen Texten, der danach im Österreichischen Rundfunk auszugsweise gesendet, mehrfach nachgedruckt und nicht nur in nationalen Kreisen breit diskutiert wurde. Das deckt sich exakt mit der Ideologie des Massenmörders von Neuseeland im März 2019.

Hier haben wir einen Kern der Neuen Rechten vor uns, was viele Publizist*innen heute nicht erkennen, da sie denken, nur Carl Schmitt und ein starker Staat oder der Drang zur Weltmacht („….und morgen die ganze Welt“) seien typisch für die Neue Rechte. Gerade nicht. Die originale Neue Rechte à la Eichberg stand und steht auch nach ihm für mehr Regionalismus, mehr selbst produzierten Spinat, für mehr Fahrrad statt Auto – Hauptsache Identität und Authentizität werden gewahrt, wieder erlangt und militant verteidigt.

Staat und Nation werden als das Böse schlechthin beschrieben, allerdings nur, wenn es sich um große Staaten und vor allem heterogene Nationalstaaten handelt. Deren Existenz hat für einen Nationalrevolutionär keine Berechtigung, während nationalistische Bewegungen für völkisch-homogene Einheiten bejaht werden. So fordert Eichberg „Elsaß den Elsässern“, und meint, dass „die Entstehung von neuen Staaten wie Cymru (Wales), Alba (Schottland), Euzkadi (Baskenland), Bretagne und Flandern nicht ausgeschlossen“ sei. Diese aufgeführten nationalistischen Strömungen sind, wie so oft, nur ein Umweg, um zum Eigentlichen zu kommen, der „deutschen Identität“ – das hat er 1979 geschrieben:

„Nicht mehr der ‚BRD-Bürger‘ sein mit amerikanisierter Sprache und mit ITT-Bewußtsein – sondern deutsche Identität, das ist ein Schritt zur ‚Balkanisierung für jedermann‘.“

Dieser Antiamerikanismus ist noch heute enorm virulent, das massenmörderische Pamphlet des Australiers betont, dass die Leute ihre lokalen Wirtschaftsbosse ermorden sollten, solange sie Steuern zahlen würden und somit den Status Quo, der „anti-weiß“ sei, unterstützten. Die Bewegung der Reichsbürger lacht sich schief, endlich setzt mal einer ihre Thesen in die richtig blutige Tat um.

Folgende Passage von Eichberg 1979 ist quasi eine Mischung aus diesem Pamphlet des australischen Neonazis von März 2019, Jürgen Elsässers „Compact-Magazin“, wie es auf der ersten großen AfD-Demo, die mitten durch Berlin laufen konnte am 7. November 2015, zu sehen war („Ami go home“ stand da auf einem Plakat, ganz Deutschland war in den Farben der USA getaucht), und weiten Teilen neu-rechter Agitation online wie auf der Straße:

„Der Hauptwiderspruch tut sich also auf zwischen regionaler Eigenart einerseits und der multinationalen Einheitskultur andererseits. Diese steht uns gegenüber in Gestalt einer amerikanischen Sprache, multinationaler Konzerne (nicht nur, aber besonders mit amerikanischen Headquarters) und – nicht zu vergessen – amerikanischer Besatzungstruppen im eigenen Land.“

Ja, mehr noch: Vielmehr wollte der neu-rechte Protagonist Eichberg 1979 offenbar folgende Nazi-Direktive revitalisieren:

„In einzelnen Zeitungen wird vielfach vom jugoslawischen Volk gesprochen. Demgegenüber ist festzustellen, daß es kein jugoslawisches Volk, wohl aber einen jugoslawischen Staat gibt“,

wie es in einer Presseanweisung 1941 hieß. Eichbergs Rede kreist um ein weiteres zentrales Nomen, die ‚Volksgruppe‘, die in folgender Aufzählung immer mitgedacht werden muss, wie Eichberg in seinem zentralen Buch „Nationale Identität“ 1978 schreibt, dem ersten deutschsprachigen Buch mit einem solchen Titel, der so eine enorme Karriere machen sollte:

„Bretonen und Iren, Schotten und Waliser, Basken und Katalanen, Korsen und Okzitanier, Jurasser und Frankokanadier, Ukrainer und Georgier, Armenier, Letten und Sowjetjuden – Völker in Unruhe. (…) Multinationale Großreiche wie die USA und die Sowjetunion sehen sich bedroht.“

Die Beziehung Eichbergs zu einer weiteren Sprach-Direktive des NS von 1941 ist dabei eklatant:

„es ist nicht mehr von dem Volk in der Sowjetunion, sondern höchstens von der Bevölkerung, von Volksgruppen oder Volksstämmen zu sprechen.“

Am Beispiel USA agitiert der neu-rechte Theoretiker für die ‚Volksgruppe‘, gegen Akkulturation und die Gleichheit der Menschen:

Denn es ging den Indianern nicht um eine rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, sondern – eher in Übereinstimmung mit den Separationstendenzen der Black Muslim und anderer Black-Power-Gruppen – um Selbstbestimmung und Identität als eigene Gruppe, um Widerstand gegen die Politik des ‚Schmelztiegels‘.

Diese Hetze gegen den „melting pot“, gegen die Gleichheit der Menschen in ihrer Vielfalt, kehrt nun in diesem Pamphlet des australischen Massenmörders wieder.

Das Massaker in zwei Moscheen in Neuseeland ist ein neu-rechter Mordfall. Die Ideologie passt vollkommen zu derjenigen des bis heute einflussreichsten Vordenkers der Neuen Rechten in der Bundesrepublik, Henning Eichberg. Renaud Camus oder Götz Kubitschek sind die neuen Eichbergs (im Falle Camus‘ ist es eher Alain de Benoist, das französische Pendant zu Eichberg in vielfacher Hinsicht) und mittlerweile ist die nationalistische und neu-rechte Ideologie so Mainstream, dass auch auf Geburtstagen von „Lügenpresse“-Schreihälsen die versammelte neu-rechte Wutpresse sich sammelt und gar Ständchen gesungen bekommt von ARD-Journalisten.

Die Ablehnung der Gleichheit der Menschen war und ist der Kernpunkt der Neuen Rechten. All jene neu-rechten Internetseiten, die wie dieses Pamphlet die Homogenität von Gesellschaften oder eine höhere Geburtenrate „weißer“ Frauen – als ob eine Frau „weiß“ sein und die Menschheit nach Farben getrennt werden könnte – einfordern und fanatisch herbeischreien, seit vielen Jahren, haben ihren Anteil an diesem Massaker.

Drei zentrale Topoi der Neuen Rechten werden in dem Manifest „The Great Replacement“ bedient:

1) Ablehnung der Gleichheit der Menschen

2) Ethnopluralismus und Ablehnung des amerikanischen Traums des „melting pot“

3) Die „Balkanisierung“ oder die gezielte Zerstörung von Nationalstaaten (wie damals Yugoslawien) und das Einfordern eines Bürgerkriegs zur Erkämpfung von homogenen Einheiten zur Abwehr des „weißen Genozids“.

Wie alle Nazis hat auch dieser australische Hetzer außer vor seinem leeren Inneren, seiner Gefühlskälte und Brutalität nur vor einer Gruppe von Menschen Angst: der Antifa. Das wird in einer Passage deutlich, die mit „Antifa/Marxisten/Kommunisten“ überschrieben ist, und der Antifa drohen möchte, aber nur seine Angst, richtige Angst vor der Antifa dokumentiert.

Er weiß ob der Übermacht der Antifa in jeder Großstadt in westlichen Ländern oder er ahnt sie zumindest. Denn um die Städte geht es ihm, er sagt explizit – hier de facto im Widerspruch zu den Kubitscheks und Rittergutnazis in Doitschland –, die weißen Rassisten sollten nicht auf die Dörfer ziehen und sich ein kuschliges völkisches Nest bauen.

Es geht ihm gerade nicht um das Erkämpfen von kleinen rechten Räumen, wie wir es von den völkischen Siedlern hier und heute kennen. Er möchte die Einwanderung stoppen und Nicht-Weiße einschüchtern und da treffen, wo sie sich aufhalten, namentlich in Moscheen, ganz egal ob jene Muslime geborene Neuseeländer*innen waren oder nicht. Für ihn sind Menschen nicht gleich. Es ist reiner Zufall, wer wo geboren wird. Für Nazis, Neue Rechte und Rassisten ist es hingegen eine Fügung und ein Auftrag, „weiß“ zu sein. Wäre es nicht so blutig, könnte man darüber ewig lachen.

Er, ganz der rationale Stratege, weiß, dass die Migrant*innen auch bevorzugt in die Städte ziehen, wegen der Vielfalt, dem melting pot (der häufig gar keiner ist, denn Ethnopluralismus können auch Islamist*innen, by the way) etc. Deshalb möchte er Neo-Nazi-Schläger und Mörderbanden motivieren, in den Städten Europas (damit, wie gesagt, sind Nordamerika, Australien, Neuseeland und Europa gemeint) zu leben, dort zu bleiben und zuzuschlagen.

Der vorbestrafte Rechtsextremist und Pegida-Redner Tommy Robinson plant seit Monaten eine Tour durch – Australien. Ob und wieviel direkten oder indirekten Kontakt dieser auch vom amerikanischen Middle East Forum (MEF) und dessen Präsidenten Daniel Pipes unterstützte Robinson mit diesem Neo-Nazi hatte oder inwiefern Texte und Videos Robinsons Eindruck auf den Massenmörder von Neuseeland machten, wäre eine dringende Frage an die Strafverfolgungsbehörden – und an die Antifa.

Denn der australische Massenmörder weiß, dass die Antifa seinen Nazikameraden auch weiterhin entgegenstehen wird. Davor hat er Panik oder Angst.

Gleichwohl: solche Massaker konnte keine Antifa verhindern, wie wir auch Breivik oder Bataclan und 9/11 nicht verhindern konnten.

Ist Christchurch eine nächste Epochenschwelle? Nach 9/11 und dem unfassbaren Anstieg islamistischer Gewalt, jetzt nach Breivik, der sich ganz strategisch die Jusos und Sozialisten als Ziel ausgesucht hatte und ein Vorbild des australischen Täters ist, ein blutiger Aufruf an Neonazis auf der ganzen Welt, bürgerkriegsähnliche Zustände zu initiieren, die ja von Parteien in Parlamenten, Publizist*innen oder Geburtstagsfeiern und Kolumnisten, die immer noch nicht gefeuert sind vom Spiegel und forderten, „Nazis rein“, flankiert werden?

©ClemensHeni

 

Stavit Sinai und BDS oder hat das jüdische Studienwerk ELES ein Antisemitismusproblem?

Von Dr. Clemens Heni, 10. März 2019

Für Theodora W.

Eine frühere Version dieser Rezension des Buches „Weil ich hier leben will. Jüdische Stimmen zur Zukunft Deutschlands und Europas“ erschien in der Zeitschrift der Kommende Dortmund, Amosinternational, Jg. 13 (2019), Heft 1, S. 53–54. Herzlichen Dank an den Theologen und Philosophen DDr. Richard Geisen für die Herausgabe dieser Zeitschrift, seine wundervolle, politisch scharfe und kritische Arbeit über die Jahrzehnte hinweg, die ich nur ganz am Ende erleben durfte, als er mich im November 2018 zu einem Vortrag in die Kommende Dortmund einlud. Vor wenigen Tagen, im Frühjahr 2019, ging Richard Geisen in Rente. Ich wünsche ihm weiterhin viel Freude an der intellektuellen Kritik an den deutschen, unsozialen, rechten, ökologisch wie gesamtgesellschaftlich problematischen Tendenzen wie auch an den erzkatholischen Zuständen!

 

Im März 2019 kam ein Phänomen ans Tageslicht, das seit langem existierte, aber jetzt mal wieder in voller Wucht offenkundig wurde: Auch Frauen und Feministinnen können Antisemitinnen sein. Warum auch nicht? Warum sollten nur Männer Antisemiten sein können? Das mit den weiblichen antisemitischen Personen ist eine wenig überraschende Aussage (man denke an den amerikanischen Women’s March, Linda Sarsour, Tamika Mallory und Carmen Perez), aber es überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit links fühlende feministische Gruppen 2018 und 2019 die amerikanische Aktivistin Selma James einluden.

Sie war bei Veranstaltungen im Rahmen des „Frauenstreik“, einem bundesweiten Zusammenschluss von feministischen Gruppen, in Göttingen wie in Berlin eingeladen. James ist Jahrgang 1930, kämpft für die Bezahlung von Hausarbeit, was ein interessanter und bekannter Ansatz ist, vor allem jedoch war sie 2008 eine Mitbegründerin des „Jewish Anti-Zionist Network“. Deren Forderung: „Oppose Zionism and the State of Israel.“ Das ist also keine Kritik, sondern aggressive Ablehnung des Judenstaates. Selma James ist eine jüdische Gegnerin jüdischer Souveränität und des jüdischen und demokratischen Staates Israel. Sie ist also eine jüdische Antisemitin, denn ihre Ablehnung Israels und des Zionismus, wie man online lesen kann, unterscheidet sich nur darin von Islamisten, Neonazis, dem Iran oder dem deutschen Stammtisch (von bayerisch bis links-alternativ, je nach Vorliebe für Weißbier oder vegane Drinks), dass sie jüdisch ist. Sie kritisiert nicht etwa völlig zu Recht die Besatzung des Westjordanlandes oder die rechtsextreme Politik der Regierung unter Benjamin Netanyahu, nein, sie diffamiert den ganzen Zionismus seit Herzl.

Sie hat gar kein Interesse an einer Verbesserung der Situation der Palästinenser. Sie möchte Israel zerstören und den Palästinensern das ganze Land geben, das in einem bis dato einzigartigen völkerrechtlichen Beschluss 1947 geteilt wurde (UN-Teilungsbeschluss für Palästina). Es sollte einen jüdischen und einen arabischen Staat geben. Aufgrund ihres schrankenlosen Judenhasses lehnten die Araber es ab, einen eigenen Staat Seite an Seite mit dem jüdischen Israel zu bekommen. Der Ansatz von Selma James, hätte BDS Erfolg und Israel müsste das absurde „Rückkehrrecht“ der Palästinenser gewähren, würde zu einem Bürgerkrieg führen (das sehen sogar arabische Israelis hier und heute so) und die gesamte arabische und muslimische Welt gegen den Judenstaat und Juden aufwiegeln, in einem noch stärkeren Maße als seit 1948 ohnehin üblich.

Von der jüdischen Antizionistin Selma James zum Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) ist es nicht weit. Im November 2018 betonte zwar der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, anlässlich der Verleihung des DAGESH Kulturpreises, dass BDS keinen Platz in jüdischen Organisationen und Gruppen haben dürfe:

Ich bin in diesem Zusammenhang sehr glücklich darüber, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Zentralrat und dem Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk intensiver geworden ist. Eine bessere Investition als die in die Bildung begabter junger Menschen ist im Judentum doch kaum vorstellbar. Seit diesem Jahr wird ELES auch institutionell gefördert. Und für die Stipendiaten und Stipendiatinnen sind die gemeinsamen politischen Aktivitäten, gerade auch mit der Bildungsabteilung des Zentralrats, sicherlich eine Bereicherung. Sehr gerne beteiligt sich der Zentralrat auch an der Jüdischen Denkfabrik. Von diesem Think Tank werden wir sicherlich in Zukunft noch viele neue Ideen und Impulse bekommen, was es bedeuten kann, jüdisch zu sein. (…)

Jüdischsein bedeutet, sich dem jüdischen Staat verbunden zu fühlen und außerhalb Israels für die einzige Demokratie im Nahen Osten einzutreten – ungeachtet dessen, dass jeder Jude und jede Jüdin durchaus Kritik an der Politik der israelischen Regierung hat und natürlich haben darf. Wer aber zum Boykott Israels aufruft oder als Jude BDS unterstützt, hat nach nicht begriffen, dass Jüdischsein nicht bedeuten kann, sich mit den Feinden des jüdischen Volks gemein zu machen. Das gilt natürlich genauso für die Juden in der AfD.

Jüdischsein bedeutet leider auch heute, Angst zu haben – wie vor zehn Tagen, als wir fassungslos waren über das Massaker in der Synagoge von Pittsburgh. Ein weißer Antisemit und Rechtsextremist hat elf unschuldige Menschen ermordet, nur weil sie Juden waren. Diese Tat hat uns alle erschüttert. Denn es gibt keine schrecklichere Vorstellung als die, wehrlos einem Attentäter ausgesetzt zu sein. Ein Überfall auf unsere Synagoge ist für jeden und jede von uns ein Albtraum, der niemals wahr werden darf.

Ist die Hinwendung des Zentralrats zu ELES eine vergebliche Liebesmüh? Oder gar das Füttern der eigenen Feinde, jener, die an der Abschaffung des Zentralrats und seiner Vorstellungen von Erinnerung an die Shoah, Kampf gegen jeden Antisemitismus und Unterstützung für den jüdischen und demokratischen Staat Israel mit aller Vehemenz arbeiten?

Naive Leser*innen des Buchtitels „Weil ich hier leben will. Jüdische Stimmen zur Zukunft Deutschlands und Europas“, das 2018 von Walter Homolka, Jonas Fegert und Jo Frank im Freiburger Herder Verlag herausgeben wurde, könnten denken, es sei doch schön, ein Buch von Juden zu lesen, über Juden hier und heute in diesem Land.

So ist z.B. Greta Zelener mit ihren Eltern aus Odessa am Schwarzen Meer nach Deutschland eingewandert. In ihrem Beitrag setzt sie sich für jüdische Erwachsenenbildung ein. Viele der Autor*innen des Bandes hätten eine solche in der Tat mehr als nötig. Sandra Anusiewicz-Baer beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit der Geschichte jüdischer Schulen vor allem seit 1993, da sich mit dem Zuzug von zehntausenden Juden aus der ehemaligen Sowjetunion deren Anzahl in der Bundesrepublik in ganz kurzer Zeit nahezu verzehnfachte (auf ca. 200.000, auch wenn offiziell nur ca. die Hälfte als Juden anerkannt und Mitglied Jüdischer Gemeinden sind, da viele nur väterlicherseits, also nicht halachisch jüdisch sind). Problematisch wird es, wenn Anusiewicz-Baer schreibt, es komme auf das jeweilige „Familiennarrativ“ an, wie die Geschichte des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkriegs und der Shoah erzählt werde.

Dadurch fällt der universell zu erinnernde Zivilisationsbruch Auschwitz in den Raum der Beliebigkeit. Das passt zum Mit-Autor Max Czollek und dessen Bestseller „Desintegriert euch“; darin behauptet er ernsthaft, viele neudeutschen (ex-sowjetischen) Juden würden sich als Sieger der Geschichte sehen und grade nicht als Nachfahren von Opfern. Das mag aus der Innenperspektive einiger weniger Überlebenden stimmen, ist aber analytisch falsch, da die Juden Opfer der Shoah wurden und nicht die Sieger des Zweiten Weltkriegs sind.

Der Kern des vorliegenden Buches besteht darin, dass sich hier junge, zumeist zwischen Anfang der 1970er und den 1990er Jahren geborene Juden (sowie Nicht-Juden oder Konvertiten wie Homolka, Jg. 1964) gegen den gesamtgesellschaftlich marginalen jüdischen Mainstream stellen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist ein Feindbild für viele Artikel. Warum? Weil der Zentralrat der Juden genau dafür steht, wofür die jungjüdischen Autor*innen nicht stehen: für die Erinnerung an die Shoah, für die Kritik am Antisemitismus in all seinen Formen und für die Unterstützung Israels.

Der Band kommt zum zehnjährigen Jubiläum des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES) heraus. Ca. 600 Studierende und Promovierende sind bislang vom ELES gefördert worden. Die 15 Beiträge in dem 224 Seiten dünnen Buch, inklusive dem Vorwort der Herausgeber und einer „Hinführung“ via einem Gespräch von Homolka mit einem Berliner Senator, Klaus Lederer (Die Linke), stehen laut Umschlagstext für „das jüdische Leben in Deutschland in einer ungeahnten Vielfalt. Junge Jüdinnen und Juden ergreifen das Wort“.

So schreibt Meytal Rozental: „Als Kind war es mein Traum, Botschafterin zu werden. Damals dachte ich, das sei der einzige Weg, um die Ferne zu erleben. Erst später habe ich verstanden, dass man als Botschafterin den Staat Israel repräsentieren muss. und [sic!] das kam für mich nicht infrage.“ Hier geht es nicht um die nachvollziehbare und in der Tat sehr wichtige Kritik an der gegenwärtigen Regierung unter Benjamin Netanyahu, die so rechts ist wie keine frühere Regierung Israels. Nein, hier geht es um das Repräsentieren des jüdischen und demokratischen Staates Israel an und für sich. Das abzulehnen ist antizionistischer Antisemitismus und delegitimiert Israel. Rozental zeigt sich als Fanatikerin gegen den jüdischen Nationalstaat. Sie schreibt offenbar ohne Kenntnis der Literatur zum Zionismus vor 1933 oder vor 1939: „Eine Sache, die mir sehr wichtig ist, ist die Wahrnehmung von Juden vor dem Zweiten Weltkrieg – als Universalisten, als Menschen, die mit keinem Nationalstaat verbunden sind, nicht sein können oder dürfen!“ Juden „dürfen“ demnach keinen eigenen jüdischen Staat haben. Das ist die Ideologie von Post- und Antizionisten wie Judith Butler; auch Micha Brumlik, der im Beirat von ELES sitzt, geht in diese Richtung.

Max Czollek[i] findet es unerträglich, dass die 2006 eröffnete Synagoge in München gleich im Eingangsbereich an die Shoah erinnert. Er tut so, als ob es Mainstream wäre, den Holocaust zu erinnern und sieht gar nicht die wachsende Holocausttrivialisierung – zu beobachten etwa bei Altbundespräsident Gauck, der Rot und Braun analogisiert und in antisemitischen Büchern (z.B. mit dem Titel „der rote Holocaust“) publizierte, oder bei postkolonialen (schwarzen) Autor*innen, die die Sklaverei als größeres Verbrechen imaginieren als die Shoah.

Dafür kokettiert Hannah Peaceman, die sich an Jürgen Habermas anzuschließen scheint und ihn mit der jüdischen Tradition des „Machloket L’shem Shemayim“ in Beziehung setzt, mit problematischen Ideologemen. Doch zuerst sei mit Machloket eine jüdische Tradition des Nicht-Rechthabenwollens und der Wahrheitssuche verbunden. Das hört sich interessant, aber auch hochtrabend an und das ganze Buch wie auch ihr Beitrag stehen für das exakte Gegenteil: sie wollen alle Recht haben und nach der Wahrheit sucht kaum ein Beitrag.

Die Autorin setzt gerade sich selbst und die anderen (jüdischen) Autorinnen und Autoren des Bandes wie viele andere jüdische Aktivist*innen mit dieser angeblich so bedeutsamen Tradition des Machloket in Beziehung und bezichtigt den Zentralrat wegen der Nazi-Zeit innerjüdische Widersprüche nicht zu thematisieren:

„In der Diversität der jüdischen Gemeinschaft steckt ein großes Potential für Machloket. Viele Widersprüche in einer zahlenmäßig kleinen Gemeinschaft können eine große Herausforderung darstellen. Insbesondere vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Vergangenheit ist die Haltung der größeren jüdischen Institutionen bis heute die, Dissens innerhalb der jüdischen Gemeinschaft möglichst nicht an die Öffentlichkeit zu tragen.“

In ihrem Beitrag kokettiert Peaceman mit der so falschen wie anstößigen Bezeichnung „Zentralrat der rassistischen Juden“ und setzt diese Diffamierung – die auf einer Attacke u.a. von Armin Langer beruht, der dem Zentralrat unterstellt, für eine „Obergrenze“ für Flüchtlinge zu sein (was falsch ist, wie der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, vor Monaten unterstrich) – in Beziehung zu Machloket, jener „Streitbarkeit um des Himmels Willen“.

Entgegen Langers Diffamierung ist der Zentralrat der Juden sehr kritisch gegenüber Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus: Auf einer Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome vom 9. November lud die Jüdische Gemeinde alle Parteien ein und Zentralratspräsident Schuster begründete die Nicht-Einladung der antisemitischen AfD.

Auch höchst problematische Publizist*innen, die wahlweise den Antisemitismus oder Islamismus kleinreden, wie Yasemin Shooman, die z.B. Pro-BDS Veranstaltungen mit Aktivisten wie Sa’ed Atshan für das Jüdische Museum Berlin organisierte, gehören zu ihren trüben Quellen. Peaceman ist Mitbegründerin und zusammen mit Micha Brumlik, Marina Chernivsky, Max Czollek, Anna Schapiro und Lea Wohl von Hasselberg Mitherausgeberin der Zeitschrift Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart (so von Heft 3, 2018), die im hippen Neofelis Verlag erscheint, in der Shooman 2018 mit einer Attacke auf die Jüdische Gemeinde zu Berlin und deren Kritik am islamistischen Antisemitismus gedruckt wurde. Peaceman hat zusammen mit Micha Brumlik Jalta auf einer Veranstaltung in Frankfurt am Main vorgestellt.

Es gehe also den Peacemans nicht ums Rechthaben, sondern um „den Himmel“, wenn sie mit islamistischen oder antisemitischen Positionen kokettieren oder sie aktiv befördern. Die CSU wie die AfD würden beim Thema Zuwanderung auf den Zentralrat der Juden verweisen, so Peaceman, deren ganzer Ansatz, den ZdJ zu diffamieren, sich dadurch blamiert, dass Schuster wie zitiert namentlich die AfD nicht zu den Gedenkfeierlichkeiten am 9. November einlud. Sie fabuliert:

„Zeitgleich und immer wieder positioniert sich der ZdJ öffentlich und intern-institutionell eindeutig gegen die AfD und ihre Vereinnahmung. Die Gleichzeitigkeit kann verwundern.“

Man könnte so eine innerjüdische Kritik sogar dann ernst nehmen –

(ich selbst kritisiere in meiner Studie „Der Komplex Antisemitismus“ (Berlin 2018, 763 Seiten) den Zentralrat z.B. für das Zur-Verfügung-Stellen von Räumlichkeiten für eine äußerst problematische Konferenz von „Scholars for Peace in the Middle East (SPME), German Section“ im Januar 2018, wobei auch Leute teilnahmen, die zuvor dadurch aufgefallen waren, dass sie (wie Alexander Grau) die rechtsextremen Randale um Götz Kubitschek und die Identitäre Bewegung auf der Frankfurter Buchmesse 2017 verharmlost, wenn nicht mit ihnen kokettiert hatten) –

, wenn denn Peaceman nach rechts offene Positionen des Zentralrats (die es geben mag) kritisiert, aber nicht zeitgleich mit den Islamismus wie Antisemitismus befördernden oder ihn trivialisierenden muslimischen Autor*innen kooperieren würde.

So jedoch ist das alles Heuchelei und Geschwätz. Das mag zu Habermas passen, der zwar gegen Antisemitismus und die AfD ist, aber kein Problem hatte mit der jüdischen Anti-Israel-Hetzerin Judith Butler auf einem Podium zu sitzen in New York City (siehe dazu mein Buch „Kritische Theorie und Israel“ von 2014).

Es geht um eine „strategische Identitätspolitik“, wie Tobias Herzberg unterstreicht. Es geht um die muslimischen Referenzen in dem Band, so etwa um Kübra Gümüsay, die nicht nur für obsessives Kopftuchtragen steht, sondern meint, es gebe keine Alternative zur AKP in der Türkei. Herzberg zitiert sie mit der Aufforderung, „Liebe zu organisieren“.

In Heft 4 von Jalta ist dann Gümüsay gar Autorin von Jalta, es wächst zusammen, was zusammengehört. Angesichts der Großdemo #unteilbar im Oktober 2018 schrieb die Jungle World über die Mitaufruferin Gümüsay:

„Es gibt unter den Erstunterzeichnern noch weitere Gruppen und Personen, die Verbindungen in antidemokratische, autoritäre, frauenfeindliche und antisemitische Milieus haben. Die Autorin Kübra Gümüşay, ebenfalls Erstunterzeichnerin, trat 2016 auf einer Veranstaltung der Organisation Milli Görüş auf. Bei Milli Görüş handelt es sich um eine türkisch-islamistische Organi­sation, der bereits gerichtlich Gegnerschaft zur bürgerlich-demokratischen Ordnung und ein antisemitischer ­Charakter bescheinigt wurden. 2013 bekundete Gümüşay auf Twitter Zustimmung zur autoritären und antidemokratischen türkischen Regierungspartei AKP: ‚Ich sehe zurzeit keine Alternative zur AKP in der Türkei.‘“

Das sind also die Autorinnen und Kooperationspartnerinnen der jüdischen Zeitschrift Jalta. Dabei ist der Antizionismus vieler jüdischen Autor*innen ja schon krass genug und Kern dieser Besprechung und Kritik.

Für Benjamin Fischer ist Deutschland „das spannendste Projekt für die jüdische Gemeinschaft in Europa“, was exemplarisch steht für den ganzen Band. Der enorme Anstieg (quantitativ und qualitativ) von Antisemitismus in den letzten Jahren wird einfach entwirklicht: Dazu gehören namentlich die zweite Intifada im Herbst 2000, 9/11, die Hetze gegen die Beschneidung (Brit Mila) – angesichts einer Landgerichtsurteils aus Köln – von der FAZ über die Hauspostille Bahamas bis zur Giordano Bruno Stiftung im Jahr 2002, die Mavi Marmara Aktion 2010, der Krieg Israels gegen die Hamas 2014 sowie die jihadistischen Massaker in Frankreich 2015 und andernorts wie auch deren Nachwirkungen in Deutschland.

Auch Frederek Musalls Text, der den HipHop vorstellt und für ELES in Stellung bringt, ist von dem überall hörbaren Schweigen über einen Skandal im Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk überlagert.

In dem Band wird nämlich mit keinem Wort erwähnt, dass eine ELES-Stipendiatin, Stavit Sinai, als Störerin einer Veranstaltung mit einer Holocaustüberlebenden und einer israelischen Politikerin im Juni 2017 an der Humboldt-Universität Berlin beteiligt war. Die drei Hetzer*innen publizierten danach eine Selbstbezichtigung, die im Netz steht. Darin verwenden die Autor*innen den Begriff „crimes against humanity“ bezüglich Israel. Das ist Antisemitismus, eine Verharmlosung der Shoah und eine Diffamierung, Dämonisierung und Delegitimierung Israels (die drei D’s zur Kennzeichnung von heutigem Antisemitismus bezüglich Israel). Die Uni erstattete Anzeige und der Berliner Verfassungsschutz berichtete über die antijüdische Aktion:

„Bereits im Juni [2017] war die Veranstaltung einer Holocaust-Überlebenden an der Humboldt-Universität mit anti-israelischen Sprechchören massiv gestört worden. Für die beiden letztgenannten Vorfälle zeichnete die so genannte BDS-Kampagne verantwortlich. BDS steht für ‚Boycott, Divestment and Sanctions‘ und zielt auf eine kulturelle, wirtschaftliche und politische Isolation Israels ab. Die BDS-Kampagne, bei der es sich nicht um eine einheitliche Bewegung handelt, war bislang vor allem im englischsprachigen Raum aktiv. Mit ihren Forderungen nach einem uneingeschränkten Rückkehrrecht für Palästinenser und der Gleichsetzung Israels mit dem südafrikanischen Apartheid-Regime, stellen Teile von BDS das Existenzrecht Israels in Frage und unterstellen Israel in Gänze eine rassistische Prägung.“

Sinai ist als Unterstützerin der antisemitischen Boykottbewegung gegen Israel (Boycott Divestment Sanctions, BDS) bekannt, was man auch in einer BDS Resolution gegen die Uni Wien von November 2018 sehen kann.

2012 war Stavit Sinai offenkundig an einer brutalen Aktion gegen den Jüdischen Nationalfonds (JNF, Jewish National Fund) beteiligt, als sie mit einer ganzen Gruppe von Antisemiten gegen diese zionistische Einrichtung vorging, wie man auf einem Video wie einer Selbstbezichtigung (auf Hebräisch) sehen bzw. nachlesen kann.

Sinai war Doktorandin an der Uni Konstanz in Geschichte und Soziologie und ist jetzt Dr. des. (Doktor designatus, d.h. sie hat ihre Arbeit noch nicht publiziert, was in der BRD notwendig ist, um den Doktortitel zu tragen). Sie war ELES-Stipendiatin und „Assoziierte“ am Selma Stern Zentrum sowie Assoziiertes Mitglied am Kollegium des Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Dem Direktorium des Selma Stern Zentrums – Dr. Anne-Margarete Brenker, dauerhafte Vertretung von Rabbiner Prof. Walter Homolka, PhD, PhD, DHL; Prof. Dr. Liliana Ruth Feierstein, Sprecherin (2018/19); Rabbiner Prof. Walter Homolka PhD, PhD, DHL; Prof. Dr. Rainer Kampling, Stellvertretender Sprecher (2018/19); Prof. Dr. Sina Rauschenbach; Prof. Dr. Julius H. Schoeps; Prof. Dr. Kerstin Schoor; Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum; Dr. Werner Treß, dauerhafte Vertretung für Prof. Dr. Julius H. Schoeps – haben diese antijüdischen Aktivitäten Sinais offenkundig nichts ausgemacht. Es sind keine Stellungnahmen gegen Sinai bekannt. Warum auch? Warum sollte es sich von BDS und Sinai distanzieren, wenn diese doch von ELES finanziert wurde und somit koscher sei?

Viele Juden heulen natürlich sofort und lautstark auf, wenn vom jüdischen Antisemitismus gesprochen wird, wobei mehrere in diesem Direktorium gar keine Juden sind, by the way. Aber jene jüdischen „Forscher*innen“, die mit Sinai kooperieren und kooperierten, die sind zu problematisieren, solange sie sich nicht von so einer ausgesprochen aggressiven Person distanzieren, die sich ganz offensiv mit Erklärungen hinter ihren Israelhass stellt. Es geht hier – noch einmal, für die Ignoranten und Langsamblicker*innen – nicht um die berechtigte Kritik an der Politik eines Staates (so wie wir ja alle auch Neuseelandkritiker sind, gell), sondern um den Kern Israels: den Zionismus. Der wird von BDS und Stavit Siani genauso abgelehnt wie von Selma James und ihren antisemitischen (häufig: migrantischen) Freundinnen im deutschen unkritischen Feminismus (es gibt auch radikalen Feminismus, der gegen jeden Antisemitismus ist, worauf Merle Stöver hinweist).

Schließlich ist da in dem hier in Frage stehenden Sammelband der Text des „Gesamtsprechers“ der Stipendiat*innen von ELES, Yan Wissmann, der 2013 von Brasilien nach Deutschland kam. Für Wissmann waren Juden „im Ersten Weltkrieg bis zu den hervorragenden Leistungen in der Weimarer Republik“ in der „deutsch-nationalen Geschichte bis zum Zweiten Weltkrieg immer präsent und übernahmen, soweit es ging, eine mitgestaltende Rolle“. Die drei Herausgeber, der Verlag und ELES haben das nicht weglektoriert, sondern gedruckt. Jüdischer Geschichtsrevisionismus?

Wenig später schreibt Wissmann, „die 600.000 Juden, die in Deutschland gelebt haben“ (wann, lässt er im Dunkel, meint er das Jahr 1933? Da waren es ca. 500.000), hätten „nach der Auswanderung“ viel Gutes für jüdische Gemeinden geleistet. Möchte er damit sagen, alle 1933/39 in Deutschland lebenden Juden seien ausgewandert? Selbst wenn er damit auch jene Juden meint, die vor 1933 emigrierten, ist das eine perfide Zahl, weil sie die 160.000 deutschen Juden, die in der Shoah ermordet wurden, einfach verleugnet und in der „Auswanderung“ nach 1933 etwas Gutes sieht.

Fazit: Das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) promotet sich als offen, liberal und tolerant, aber schweigt zu einer aggressiven Anti-Israel und BDS-Aktivistin. ELES ist gerade Teil des Problems, wenn es um den Kampf gegen Antisemitismus, für die Erinnerung an die Shoah als präzedenzlosem Verbrechen und für die Sicherheit von Juden geht. Deutschland hat Kritik verdient und kein Rumgeschmuse von identitätsbesoffenen („Hauptsache Schnaps“, so Carmen Reichert) jungdeutschen Juden.

 

Der Rezensent ist Politikwissenschaftler, Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA), war von 2002 bis 2005 Promotionsstipendiat der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) und hat 2002 den antizionistischen Antisemitismus eines migrantischen HBS-Stipendiaten skandalisiert.

 

[i] Vgl. Clemens Heni (2018): Postpubertärer Realitätsverlust oder: Warum sind die neu-deutschen Juden wie Max Czollek so beliebt?, 10. Dezember, http://www.clemensheni.net/postpubertaerer-realitaetsverlust-oder-warum-sind-die-neu-deutschen-juden-wie-max-czollek-so-beliebt/.

©ClemensHeni

Ließ sich Hitler im Alter von 6 Jahren in Paris zu „Mein Kampf“ inspirieren? Warum die Gruppe „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ ein Friedenshindernis ist

Von Dr. Clemens Heni, 5. März 2019

Die Stadt Göttingen, die Universität Göttingen und die Sparkasse Göttingen haben sich entschieden und werden der Verleihung des sog. Göttinger Friedenspreises 2019 am Samstag, den 9. März 2019 an die Gruppe „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ fernbleiben. Das ist gut so, auch wenn es eine Redakteurin des Tagesspiegel, Andrea Dernbach, anders sieht und eher ein Problem mit der Kritik am Antisemitismus zu haben scheint, denn mit der neuen Form des Antisemitismus via „Rückkehrrecht der Palästinenser“, denn das ist ein Kernpunkt der BDS-Bewegung, der die Preisträger nahe stehen.

Frieden ist ein großes Wort und wäre in Nahost gleichwohl ein Traum. Als Politikwissenschaftler und Aktivist habe ich z.B. 2007 die Nichtregierungsorganisation „Scholars for Peace in the Middle East (SPME)“ in Berlin mitgegründet. 2017 hat mich der Vorstand mit einstimmigem Beschluss ausgeschlossen, weil ich es gewagt hatte, die Unterstützung von SPME in USA für den Sexisten, Rassisten, Nationalisten und Antisemiten Donald J. Trump, den 45. Präsidenten der USA, zu kritisieren.

Die Boykottbewegung BDS gegen Israel möchte Israel nicht nur isolieren und einseitig verantwortlich machen, sondern vor allem auch das angebliche Rückkehrrecht der 1948 vertriebenen Palästinenser durchsetzen. Dabei handelt es sich um mittlerweile über 5 Millionen Menschen, die in völlig grotesker Weise als „Flüchtlinge“ rubriziert werden und gar eine eigene exklusive UN-Einrichtung für sich haben, die UNRWA.

Die deutsche Sektion der Juden für gerechten Frieden in Nahost ist Mitglied der „European Jews for a Just Peace“. Dort ist auch die französische Gruppe Mitglied („Union Juive Francaise pour la Paix“), die am 25. Februar 2019 nochmal deutlich machte, dass all die harmlosen Worte dieser ach-so-friedlichen-Juden, die angeblich Israel anerkennen und nur einen Staat Palästina Seite an Seite mit dem Israel von 1967 haben wollen, Makulatur sind oder schlicht Propaganda für die Dernbachs oder Brumliks dieser Welt: Denn die Mitglieder der französischen Sektion sagen klipp und klar, dass sie „Antizionisten“ sind und somit den Anspruch der Juden auf einen jüdischen Staat ablehnen. In der Erklärung wird einzig und allein Israel für den Nahostkonflikt verantwortlich gemacht. So wichtig es ist, die Besatzung des Westjordanlandes zu kritisieren, so falsch und verräterisch ist es, dabei den Judenhass der Araber, Islamisten und Palästinenser nicht einmal en passant zu erwähnen.

Ein Unterstützen der BDS-Bewegung sowie aktives Kooperieren durch die Gruppe „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ (wie es hier oder hier von ihnen selbst erklärt wird) ist antisemitisch, weil es nicht nur einseitig Schuld sucht und sie bei den Zionisten findet, aber nie bei den Jihadisten oder säkularen palästinensischen Judenfeinden, sondern auch, wie die Amsterdamer Erklärung von 2002 verdeutlich, mit dem Rückkehrrecht der Vertriebenen von 1948 kokettiert, ja es einfordert („the recognition by Israel of its part in the creation of the Palestinian refugee problem. Israel should recognise in principle the Palestinian right to return as a human right.”).

Floskeln, diese „Rückkehr“, die ja für fast alle gar keine Rückkehr wäre, da nur noch wenige Zehntausend tatsächlich 1948 vertriebenen (oder aus eigenen Stücken gegangen) Palästinenser*innen leben, dürfe „Israels Existenz“ nicht bedrohen, sind so wertvoll wie eine Debatte mit der AfD über Vielfalt, Demokratie und die Erinnerung an den Nationalsozialismus.

Viele Menschen, die sich einen Friedensvertrag aller arabischen Staaten mit Israel, ein Ende des islamistischen Terror- und Willkürregimes von Erdogan und der AKP in der Türkei sowie das Ende des Islamischen Republik Iran wünschen, hoffen zudem, dass Benjamin Netanyahu die kommende Wahl in Israel verliert und endlich ein wenigstens nicht rechtsextremes, ja liberales bis linksliberales (wenn auch ganz sicher nicht linkes) Koalitionsbündnis die Nachfolge antritt.

Nationalismus wie die Kooperation mit europäischen Rechtsextremisten und Holocaustrevisionisten durch die aktuelle israelische Regierung (mit der Ukraine, Litauen, Polen, Ungarn) werden in Israel, aber auch von vielen Juden in USA und Europa scharf kritisiert. Allerdings gibt es in Deutschland eine völlig realitätsferne und selbst ernannte Pro-Israel-Szene, die de facto Juden und Israel schadet, da sie extrem rechts agiert und nur nachplappert, was Netanyahu von sich gibt und linkszionistische Stimmen seit Jahren gezielt negiert und totschweigt. Das gilt auch für Einpunktbewegungen wie „Stop the Bomb“, die sich von Trump viel verspricht und in ihm nicht die größte innere Gefahr für die westliche Welt sieht, die er darstellt. Dass der Sexismus und anti-hispanische Rassismus von Trump sie nicht anwidert, verwundert nicht. Wer sich gegen den Verschleierungszwang im Iran wendet, aber Trump nicht wegen dessen „grab her by the pussy“-Sexismus attackiert, hat gar nichts kapiert und heuchelt auf unerträgliche Weise.

Wer jedoch auf der anderen, der vorgeblich guten Seite steht wie Micha Brumlik und nun in der taz die Kritiker*innen des Antisemitismus und der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden“ diffamiert und dann auch noch zusammen mit einer Person wie Jacqueline Rose (und dutzenden weiteren problematischen, den Antisemitismus diminuierenden oder fördernden Personen) Erklärungen zur Unterstützung der Juden für einen gerechten Frieden in Nahost unterschreibt, hat jegliche Seriosität, jede Wissenschaftlichkeit, jede politische Reputation verloren und kann nicht mehr ernstgenommen werden.

Denn was schreibt Rose in ihrem Buch „The Question of Zion“? Zitat:

„It was only when Wagner was not playing at the Paris opera that he [Herzl, CH] had any doubts as to the truth of his ideas. (According to one story it was the same Paris performance of Wagner, when – without knowledge or foreknowledge of each other – they were both present on the same evening, that inspired Herzl to write Der Judenstaat, and Hitler Mein Kampf)“.

Das ist nicht irgendwie eine Meinung von Rose, das ist Fanatismus und Unwissenschaftlichkeit in Potenz. Hitler habe sich also im Alter von 6 Jahren zu „Mein Kampf“ inspirieren lassen. Dass so etwas gelesen, lektoriert und gedruckt wurde, hätte das Ende des Verlags Princeton University Press bedeuten müssen – dass es das nicht tat, zeigt wie desolat „Forschung“ heute funktioniert. Dass eine Person wie Jacqueline Rose, die diesen wirklichen Schwachsinn, der nichts als antisemitisch motiviert ist – nämlich Herzl und den Zionismus mit dem größten Verbrecher der Geschichte der Menschheit in direkte Verbindung zu bringen – so formuliert hat, von einem Mann wie Brumlik (oder anderen Unterzeichnern wie Moshe Zuckermann und Moshe Zimmermann) goutiert wird, ist bezeichnend. Es ist ja keine offene Liste von Zehntausenden Namen, wo man nie weiß, was für ein Schwachkopf sich darunter mischt.

Nein, es ist eine ausgewählte Liste eines Offenen Briefes von über 90 Leuten, die alle wissen, wer Jacqueline Rose ist. („In einem offenen Brief verurteilen mehr als 90 namhafte jüdische Wissenschaftler und Intellektuelle, darunter Noam Chomsky, Eva Illouz, Alfred Grosser, Moshe Zimmermann, Judith Butler und Micha Brumlik, die Anfeindungen gegen unseren Verein und rufen die deutsche Zivilgesellschaft auf, die freie Meinungsäußerung jener zu gewährleisten, die sich gegen die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung wenden.)“

Der arabische und islamistische Antisemitismus sind eine enorme Gefahr für Juden und Israel. Die nationalistische Politik von Netanyahu hingegen ist auch problematisch und für die politische Kultur in Israel eine sehr große Belastung. Seine Kooperation mit der rassistischen Partei Otzma Yehudit, die in der Tradition der rassistischen Terrorpartei Meir Kahanes steht (die in Israel verboten wurde), ist skandalös, worauf jüngst u.a. der bekannte zionistische Publizist Yossi Klein Halevi hinwies und in scharfen Tönen Netanyahu beschuldigt, den Namen Israels durch sein Kollaborieren mit Otzma Yehudit beschmutzt zu haben.

Das Beispiel der „Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ zeigt, dass ein wachsamer Blick und Kritik an israelischen Politikern oder Parteien berechtigt ist. Doch an solcher Kritik ist die ‚Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost‘ gar nicht interessiert. Sie streitet mit ihrer Unterstützung der BDS-Bewegung an der Seite einer Organisation, die sich den Beifall der Hamas („We salute and support the influential BDS Movement“) bestimmt nicht durch ihren Einsatz für eine Zwei-Staaten-Lösung verdient hat.

Auch die palästinensische Terroristin und Ikone Leyla Khaled findet in ihrem noch weitergehenderen Kampf gegen den jüdischen und demokratischen Staat Israel BDS sehr hilfreich. Brumlik wird sagen, das seien alles Zufälle und nichts habe mit nichts zu tun, wer solche inhaltlichen Überschneidungen anspreche, sei ein Faschist oder McCarthy-Antikommunist.

Linke oder linksradikale Kritik an diesen „Jüdischen Stimmen“ entwirklicht nicht nur er. Honni soit qui mal y pense.

©ClemensHeni

Why is Germany’s Best Known Jewish Journalist Giving Speeches to Its Holocaust-Downplaying, Far-Right Party?

Dr. Clemens Heni, 4. Februar 2019

Tablet Magazine

At 72, Henryk M. Broder has spent many decades establishing himself as one of Germany’s premier political troublemakers. The influential columnist, gadfly, and media provocateur is almost certainly the country’s best known Jewish journalist and has devoted himself to the cause of defending Israel. On the surface, it would have seemed quite strange and alarming, then, when a photo appeared last week showing Broder being hugged by a smiling Alice Weidel, co-chair of the Alternative for Germany (AfD) party, the closest thing contemporary Germany has to a Nazi party. And yet for those in Germany who have followed Broder’s career, this was not a surprise but the sad and predictable outcome of a sordid decline.

The photo was not the result of an ambush or unfortunate mishap. On Jan. 29, Broder accepted an invitation to address the AfD in the Bundestag, Germany’s parliament. It was the first time the distinguished writer had ever been invited to address a party of the Bundestag and, as is clear in the transcripts of his speech published in the following days, he relished the opportunity to, in his own words, provoke a “shitstorm.” Broder has now openly embraced the AfD and just days after the German Federal Agency for Protection of the Constitution began an investigation into whether the party poses a serious threat to the German constitution and society.

How has it come to this, one must ask, that the son of Holocaust survivors appears in photo ops with Nazi heirs? The answer is that Broder is a virulent case of what we might call Trumpism avant la lettre. This includes vulgarism, denial of the right-wing extremist threat (Trump’s “very fine people on both sides” in Charlottesville) demonization of immigrants, Muslims, the left in general, and other “enemies of the people.” It is a form of derangement operative in Germany as well as in the U.S. It seizes the mind and convinces people who ought to know better—even those who, like Broder, claim to be champions of the Jewish people—that the existence of anti-Semitism on the left means that one need not take it seriously on the right. It convinces such people that all the explicitly fascistic and anti-Semitic outbursts can be written off as anomalies or performative excesses and needn’t be considered a genuine threat.

When he made the decision to speak in the Bundestag, Broder must have known what the German government agency’s recent investigation makes clear—that the AfD are not just right-wing “populists” but a party deliberately constructed in the mold of its fascist predecessors. The party traffics in neo-Nazi slogans like “Germany for Germans” (“Deutschland den Deutschen”). A particularly dangerous AfD member is the Goebbels-wannabee Björn Höcke from the far-right wing of the far-right party, an ultra-extremist faction known in Germany as “The Wing” (“Der Flügel”). Höcke campaigns for a volkish Germany reserved for “German Germans” and in which immigrants whose parents were born elsewhere would be purged from the country.

Broder surely knew about the attacks against immigrants, Muslims, and left wingers in which the AfD is implicated—including firebombs at refugee homes. And, of course, he must have known as well about the increase in anti-Semitic violence in Germany and about the AfD’s public efforts to suppress historical memory and deny German guilt for the Holocaust.

The evolution for Broder from young left-wing radical to his current position entertaining neo-Nazis in the Bundestag has been a strange one. In a 2013 profile in Tablet, David Mikics called him “Germany’s Most Annoying Jew,” and compared Broder to the deceased gadfly Christopher Hitchens—another writer with a penchant for provocation and whiplash-inducing swerves in his public positions. In 1986, Broder published a book, The Eternal Anti-Semite, that took aim at all kind of anti-Semites, from conventional right-wing extremists and neo-Nazis to the far left in all its esoteric varieties. At the heart of the book, there is an argument, as Mikics wrote, that “there’s a link between the obsessive thinking about the Holocaust in Germany and what he sees as an increasing German tendency to condemn Israel.”

Yet the members of the AfD for whom Broder offered his recent friendly address exhibit a different disturbing tendency regarding the Holocaust. Rather than obsessing over it as a vehicle for condemning Israel they suggest that it wasn’t really so bad and thus not worth the fuss, let alone an historical obsession. Notoriously, AfD chapter leader Björn Höcke has called the German Holocaust Memorial a “memorial of shame.”

The younger Broder could be bold and insightful. He was correct in 1976 when he condemned the anti-Semites of the German left for joining forces with Palestinian anti-Semites in Entebbe. He was also correct in documenting the spread of anti-Americanism and pro-Islamism across vast parts of the German mainstream immediately after 9/11.

Indeed, there was a time when Broder demonstrated a degree of intellectual consistency in his condemnations of anti-Semitism; attacks on targets of both the left and the right. In 2007, he mocked Jewish journalist Michel Friedman, former deputy president of the Central Council of Jews in Germany, for the foolhardy idea of interviewing Holocaust denier and neo-Nazi Horst Mahler. The incident prompted Broder to write in the leading weekly political magazine Der Spiegel, that some Jews have “no dignity” at all in their willingness to speak to Jew haters. He argued, as well, against the pro-Iranian ultra-Orthodox Vienna “Chief Rabbi” Moshe Arye Friedman who went to Tehran’s infamous Holocaust denial conference.

But a staunch opposition to Islamism and the “Red-Green Axis” of the left and political Islam, along with his fervent support for Israel made him hostile toward the values of political correctness and German immigration policies and increasingly sympathetic to the far right.

After a long drift into far-right circles, Broder’s final break with reality seems to have occurred in 2014, a few years earlier than the rise of Trumpism in the U.S., with the right-wing nationalist Pegida movement, “Patriots against the Islamization of the Occident.”

In October 2014, Pegida “anti-Islamization” rallies in the city of Dresden drew more than 15,000 people. Pegida founder Lutz Bachmann, infamous for posing with Hitler-style hair and mustache, was charged in 2016 with inciting racial hatred for referring to refugees as “cattle” and “scumbags” and later convicted by German authorities. After Pegida supporters demonstrated on German Unification Day in 2016 in Dresden—a rally that included a neo-Nazi holding up a poster featuring a Goebbels quote—Broder was asked for his reaction and told a German TV station that he was happy with the outcome of the event.

Pegida was a step on the path of Broder’s conversion that has culminated with his embrace of the AfD. Thus, in the curious logic of the day, out of concern for the protection of the Jews from Islamist violence in Germany and the defense of the state of Israel, Broder now aligns himself with political parties that promote explicit anti-Semitism. In a depressing sign of the times, most of the pro-Israel circles and activists in Germany have either supported Broder or remained publicly silent about his radicalization, despite a growing disgust with his actions expressed in private conversations and communications. Truly, Germany’s Zionists deserve better.

Rather than honestly confront the AfD’s beliefs, Broder has attempted to laugh them off with a weak, sanitizing irony, as when he reflected to his audience in the Bundestag, “when does a Jew get the opportunity to perform in a room full of Nazis, neo-Nazis, crypto-Nazis and para-Nazis?” Or when he quipped: “Some of you may never have seen a real Jew in nature and are now waiting for the room to fill with the smell of garlic and sulfur.”

But here is the simple, unironic truth: Almost 6 million Germans voted for the AfD in the last election on September 24, 2017. At no time since the Allies defeated the Nazis in 1945, has a party so actively involved in promoting anti-Semitism and Holocaust denial had as many deputies in the German parliament as the AfD has now or as much power in the country. Leading AfD politicians like Frauke Petry and Beatrix von Storch have publicly discussed whether they want to use weaponry to greet incoming refugees. AfD member Wolfgang Gedeon openly endorses the The Protocols of the Elders of Zion in his 2012 book, The Green Communism and the Dictatorship of Minorities, a book that was displayed at several party conventions of the AfD. AfD MP Markus Frohnmaier, meanwhile, employs neo-Nazis like Manuel Ochsenreiter, a supporter of the Iranian regime. The entire AfD party opposes the freedom of religious observance for Jewish laws like circumcision, and shechita, part of the kosher dietary regulations. One party MP in Saxony made an official inquiry about the “number of people who are circumcised in Saxony.”

Just two days after the photograph surfaced of the “Jewish-Nazi coalition” in the Bundestag, a member of the AfD, Marc Jongen, spoke there. He took the opportunity to aggressively reject commemoration of the Holocaust as a German crime, instead framing Nazi Germany as just another form of “Socialism” like Stalinism or Communism.

The accusation that Broder once flung at another journalist has landed back on him. Today, it is he who poses for an embrace with a grinning leader of his country’s most antisemitic party, who has no dignity.

P.S.: See also: “Please give me some latkes before you kill me”: Jews and neo-Nazis in Germany

©ClemensHeni

How German is the Jewish Museum Berlin?

Von Dr. Clemens Heni, 27. Januar 2019

Times of Israel (Blogs)

Currently, the “Jewish” Museum Berlin is criticized for its distorting of Jerusalem and the Jewish impact on Jerusalem. Volker Beck (The Greens), longtime MP (1994–2017) and former head of the German-Israel Group of Parliamentarians in the German Bundestag (2013–2017), on January 25, 2019, writes in the weekly Die Zeit about an exhibition in the Jewish Museum about “Jerusalem.” The exhibition downgrades the Jewish role of Jerusalem while embracing the Arab or Palestinian narrative. It distorts the Jewish history of that city, but devotes much space to the al-Husseini family, for example, without even mentioning the pro-Nazi approach of Jerusalem Grand Mufti Amin al-Husseini.

Then, according to Beck, the museum promotes three groups of particular pious Jewish groups – Neturei Karta, Ne’emanei Har ha-Bayt and Women’s of the Wall. As if antisemitic Jews who collaborate with Holocaust deniers and Iran like Neturei Karta have anything to say about believing Jews. Beck focuses on both what the exhibition shows and what it does not show and say. It shows the “Nakba” and ignores the “600.000” Jews who had to flee Arab states after 1948. This pro-Arab and rather anti-Jewish outline of that exhibition is just the latest scandal of this huge German national institution.

In recent months and years, many journalists and scholars have criticized the Jewish Museum Berlin. However, in a truly unprofessional, if not nasty 3 minutes report in a leading news show on German TV, “Heute Journal” of the Second Channel ZDF on January 17, 2019, they defame criticism of that exhibition and of the Jewish Museum as such. The report interviews the head of the Jewish Museum, Peter Schaefer, who is not Jewish. He denounces critics and blames them to support the Netanyahu government. Netanyahu had criticized the Museum’s anti-Zionist stance, which was for sure not very smart. As if critics of the Jewish Museum depend on Netanyahu!

I myself, for example, am a long-time critic of the Jewish Museum and their pro-Islam as well as post- or anti-Zionist agenda in recent years. I am also known as critic of Netanyahu and his right-wing politics, I even lost my job ad editor-in-chief of a small Jewish monthly, the Juedische Rundschau, in 2014 due to my criticism of Bibi on Facebook. Then, I criticized Netanyahu in 2017 in a foreword to a German translation (which I did alongside with my friend and colleague, Arabist, political scientist and Orientalist Michael Kreutz) of the book “The Israeli Nation-State”, co-edited by Fania Oz-Salzberger and Yedidia Z. Stern, both promote the Jewish and democratic state of Israel and are known as fierce critics of Netanyahu.

Michael Wuliger of the leading Jewish weekly in Germany, the Juedische Allgemeine, published by the Central Council of Jews in Germany (“Zentralrat der Juden in Deutschland”), attacks the Jewish museum in an article on January 24, 2019. He analyzes the failure of the Jewish Museum Berlin’s head Peter Schaefer, who is a historian of ancient times. Schaefer is responsible for all the distortions in that exhibition and much more, for the post- or anti-Zionist outlook of the entire institution.

That became clear in summer last year, when the Jewish Museum announced an event with pro-BDS author Sa’ed Atshan from the US, a Palestinian from East Jerusalem. After criticism, the event was not cancelled but took place at another troubling Berlin institution, the ICI (Institute for Cultural Inquiry), with the very same moderator as planned by the Jewish Museum, Katharina Galor, an archeologist. I deal with this and many other historical and contemporary aspects of antisemitism in my new book, “The Complex Antisemitism” (in German).

Another event by the Jewish Museum took place in fall 2018, about “Islamophobia”, organized by Yasemin Shooman, a Muslim co-worker at the museum, who wrote her PhD at the Center for Research on Antisemitism at Technical University Berlin (ZfA) under the auspices of controversial historian Wolfgang Benz, then head of the ZfA. Benz had honored his own PhD advisor from 1968, Karl Bosl, like in 1988, when Bosl (1908–1993) turned 80 years old. In 2009, Benz mentioned Bosl in the announcement material for a lecture. Bosl was a member of the Nazi Party (NSDAP) and was paid by a project of the “Ahnenerbe” of the SS (Schutzstaffel) – the SS was a central organization in the Shoah.

Bosl took place in the last conference of Nazi historians mid-January 1945 – that event took place in the birthplace of the “Führer” Hitler himself, in Braunau am Inn (today: Austria), to emphasize the solidarity of these historians with the “Führer”. After 1945, Bosl was still active in antisemitic circles, in 1964 he compared the expulsion of Germans from the East to the Holocaust, embraced antisemitic elements of German history like Ernst Moritz Arndt and spoke at the grave of another former full-time Nazi, Theodor Mayer, in November 1972.

A Jewish Museum’s event in fall 2018 – Living with Islamophobia – announced Moustafa Bayoumi, a strong anti-Israel activist, who did a book on the jihadist ship Mavi Marmara from 2010. Other participants of that event were no less troubling and known for their anti-Zionist politics or the downplaying if not affirmation of Islamism, like Naika Foroutan. In her doctoral dissertation she embraced then Iranian President Chatami (who called Israel a “cancerous tumor”) and framed then Israeli Prime Minister Ariel Sharon as “state terrorist.” This was the start of a wonderful career of Foroutan in German academia.

Journalist Alan Posener criticized that event in September 2018 in the daily Die Welt. He writes about the coming new main exhibition at the Jewish Museum, which will open by the end of 2019. What seems to be clear so far is the fact, that there will be no special room dedicated to Zionism, one of the most important aspect of Jewish history since the late 19th century. Of course, Zionism will not be completely ignored, but will play a minor role in that new main exhibition.

On the other side, Schaefer emphasizes the role of a “Jewish-Muslim Forum”. Ignoring Islamism is a core element of Schaefer’s ideology, following Shooman, who even publicly attacks the representative of the Jewish Community Berlin for the fight against antisemitism due to his criticism of Muslim antisemitism and a particular dangerous Islamist institution in Berlin. Shooman published her article in 2018 in a Jewish journal called “Jalta,” made by and dedicated to post- and anti-Zionist Jews.

The connection of the Center for Research on Antisemitism and the Jewish Museum is of great importance. In 2013, for example, they both organized an event with British anti-Israel activist Brian Klug, despite international criticism, organized by my center, the Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA). Shooman is among the most controversial co-workers at the Jewish Museum Berlin, as her downplaying of the Islamist threat, the fantasy of Jewish-Muslim cooperation and her anti-Israel stance are obvious.

Many in Israel or the US might think that a Jewish Museum is both pro-Jewish and run by Jews. Not so in Germany. The best known Jewish Museum in Germany is the Jewish Museum Berlin. It is mainly funded (some 75 percent) by the German federal government and its Representative for Culture and Media, Monika Gruetters (CDU, Christian Democratic Union).

But there is much more to say about the “Jewish” Museum Berlin.

Already at the opening of the Museum in 2001, the German nationalist impact of the museum became clear. Journalist Henryk M. Broder attended that event and wrote about it. He analyzed the distortions of the event like the omission of portrays of several of the most famous German Jews, including Rosa Luxemburg, the Communist who was killed on January 15, 1919, Karl Marx, Jakob Wassermann or Gershom Scholem, the Zionist who left the Weimar Republic in 1923 for Palestine and criticized the “myth of German-Jewish symbiosis”.

This myth, though, was at the core of the opening exhibition as Broder wrote. He also focused on the entry of the museum in 2001, where at the opening gala with 850 VIP guests a blackboard out of glass with the names of leading German banks, industrial companies and individuals greeted the audience. That blackboard indicated, for whom the entire Jewish Museum Berlin was made for: Germans, to be absolved of their crimes of the Holocaust, to promote themselves as the new and real heroes of morality in the 21st century.

The German government and Gruetters are also funding the Barenboim-Said Academy in the heart of Berlin, vis-à-vis the Foreign Ministry. Thomas Weidauer and I criticized that institution in June 2015, when the roofing ceremony took place. It is named after Edward Said, a leading antisemitic and post-Orientalist author with immense influence among anti-Zionist academics around the world. Daniel Barenboim was not only a friend of Said, but is also an ally of Said’s widow Mariam Said. She has close connections to the BDS movement, in 2010 she defended the work of the West-Eastern-Divan-Orchestra (WEDO) by Barenboim at the hardcore anti-Zionist page “Electronic Intifada”. Mariam Said claims that WEDO is part of the very same battle against the Jewish state than others in the broad BDS camp.

Gruetters and the German federal government are world champions in hypocrisy and claptrap – publicly they denounce the BDS movement, but internally they are funding pro-BDS institutions or museums that downplay the Islamism threat or promote the fake Jewish-Muslim collaboration.

It is an imposition for Zionist scholars to need to go to the Jewish Museum Berlin’s Blumenthal Academy to study Hachschara and the Chaluzim, who prepared for Aliyah in the mid and late 1930s, to escape Nazi Germany and to help establishing a secure haven for Jews in the Middle East. When I was employed at the University of Hannover at the Center of Garden Art and Landscape Architecture (CGL) in 2015 in a project about landscape architecture, Zionism and Hachschara, I went to the Jewish Museum’s Blumenthal academy. They hold a wonderful body of original sources, including letters, brochures, booklets and books, pictures and the like from the Zionist movement in Germany. For example, I discovered a letter dated July 5, 1938, from a Kibbutz in the region of Thuringia, “Kibbutz Mitteldeutschland und Thüringen,” where the author is very happy that his friend will be allowed to join youth Aliyah.

The Jewish Museum Berlin is a German institution. It is dedicated to German ideology. This ideology is based on the fantasy, that Germany and Germany alone is the superstar of morality in the 21st century. No one killed so consequently the Jews than the Germans did. And no one remembers the Holocaust like the Germans. That is the one and only reason, why the German state is funding this institution. They employ and invite Muslim, Jewish and other anti-Israel people, invite pro-BDS agitators, and organize exhibitions that distort the Jewish connection to the city of Jerusalem.

Since when translates “old” into “wise”? Peter Schaefer is an old man (born 1943) and may not know what BDS or the three D’s stand for (Demonization, Double Standard, Delegitimization). On the other hand, he might know that very well. Finally, in the interview with the German TV he uses the antisemitic conspiracy myth of “foreign” influence on Germany (like the stupid intervention by Bibi). He ignores German critics, both Jewish and non-Jewish ones.

In 2012, the Jewish Museum Berlin hosted leading anti-Zionist superstar from California, Judith Butler, who spoke with pedagogue Micha Brumlik, himself a diaspora oriented anti-Zionist who always emphasizes that he is supposedly against antisemitism (like the Iranian threat). The house was packed.

Today is Holocaust Remembrance Day, January 27, the day when the Soviet Red Army liberated Auschwitz and the few survivors there. It is time to stop the hype about the “Jewish” Museum Berlin. It is a German National Museum as well as an anti-Jewish Museum. Survivors and their relatives should think twice before giving their historical documents to that institution, for example. Tourists should be aware that the name “Jewish” does not mean that it is a pro-Jewish institution.

Dedicated in honor of Michael’s birthday

©ClemensHeni

Ein finnischer Fußballer mit Anstand, ein vulgärer Bayern-Star und eine lächelnde Professorin der FU Berlin in Teheran

Von Dr. phil. Clemens Heni, 9. Januar 2019

Im Januar 2019 weigert sich der finnische Fußball-Nationalspieler Riku Riski zu einem Trainingslager der finnischen Nationalmannschaft nach Katar zu fliegen. Das ist ein herausragendes, ja fast einzigartiges Beispiel für einen selbst denkenden Leistungssportler und für Kritik an einem menschenverachtenden Regime. Riski riskiert damit seine weitere Karriere in der Nationalmannschaft. Er zeigt Anstand und ist angewidert von den vielen Toten, die schon jetzt auf den unsäglichen Baustellen zur geplanten Fußball WM 2022 unter den Augen der fußballgeilen westlichen Welt in Katar zu beklagen sind. Von der Korruption in der FIFA, den TV-Werbeverträgen der kapitalistischen Welt, der Ignoranz der kulturindustriell verblödeten Massen zu sich zu-Tode-arbeitenden asiatischen Arbeitern in Katar ist es nur ein Mausklick.

Der Autor der Zeitung Freitag, Timo al-Faroog, ist ganz begeistert über kopftuchtragende Frauen in Schweden, wie er nach Ankunft eines Fluges mit dem „garantiert judenreinen Unternehmen Qatar Airways von Doha“ in Stockholm schrieb, wie das Blog tw24 sarkastisch kommentiert. Katar is also en vogue.

Es wundert daher nicht, dass dem FC Bayern München diese Baustellen-Toten nichts ausmachen und er auch dieses Jahr in der islamistischen, mörderischen BaustellenHölle von Katar sein Trainingslager bezieht. München hat auch einen Franck Ribéry, der zusammen mit seiner Frau einem Sohn den Namen „Saif al-Islam“ oder auf Deutsch „Schwert des Islam“ gab (was unter Kindesmisshandlung fallen sollte). Angesichts von Kritik an seinem Verzehr von einem goldblattverzierten Steak für 1200€ in einem Restaurant pöbelt er auf vulgärste Weise, betont auch hier seine fanatische muslimische Religiosität und zeigt auf unfassbare Art und Weise, was für Vergewaltigungsfantasien er hat (Ribéry schrieb auf Twitter auf Französisch, Übersetzung und Text von n-tv):

„‘Beginnen wir mit den Neidern und Hatern, die durch ein löchriges Kondom entstanden sein müssen: F**** eure Mütter, eure Großmütter und euren gesamten Stammbaum.‘ Er schulde den Menschen überhaupt nichts, schrieb er weiter und fügte an, dass er seinen Erfolg vor allem Gott, sich selbst und seinen Vertrauten, die an ihn geglaubt haben, zu verdanken habe“.

Der Bayern-„Star“ zeigt sich als Wiederholungstäter (vor Jahren hatte er mit einer minderjährigen Prostituierten Sex, in Frankreich darf er laut einem Gerichtsurteil als „Abschaum“ bezeichnet werden). Dass ein solcher Typ wöchentlich im Fernsehen zu sehen ist und weder die Fans des FC Bayern Anstand haben und seinen Rauswurf fordern mit hunderten Transparenten vor jedem Spiel, verwundert nicht und schockiert doch. Auch die ARD Sportschau oder das ZDF Sportstudio zeigen Bilder dieses Typen weiterhin einfach so.

Niemand hat den Anstand oder Mut, Auftritte von Franck Ribéry zu zensieren, weil Männer mit solchen Gewaltfantasien nichts in der Öffentlichkeit, schon gleich gar nicht im Massenmedium Fernsehen, im Internet oder im Stadion zu suchen haben.

Blick zurück in den Februar 2018. Anfang Februar 2018 erhielt die Professorin für Arabistik an der Freien Universität Berlin, Regula Forster, den Preis für das „Buch des Jahres“ der Islamischen Republik Iran. Die Tehran Times war ganz begeistert und zeigt die lachende verschleierte Forster und den schelmisch grinsenden Hasan Rouhani, den iranischen Präsidenten, der einen großen Coup gelandet hat.

Die Freie Universität war stolz wie selten und postete ein Bild der Preisübergabe auf der offiziellen Seite der FU Berlin auf Englisch und Deutsch.

Screenshot

Was sagt Amnesty International über den Iran 2017/18?

„Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen, wie häusliche Gewalt und Früh- und Zwangsverheiratungen, waren weit verbreitet und wurden nicht geahndet. Geschlechtsspezifische Gewalt war weiterhin nicht strafbar. Ein entsprechender Gesetzentwurf war seit 2012 anhängig. Das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen lag nach wie vor bei 13 Jahren. Väter und Großväter konnten bei Gericht eine Erlaubnis einholen, wenn sie Mädchen noch früher verheiraten wollten.

Der Wächterrat ließ keine der 137 Frauen, die bei der Präsidentschaftswahl antreten wollten, für eine Kandidatur zu. Nach der Wahl berief Präsident Rohani keine Frau in sein Kabinett, trotz entsprechender Forderungen aus der Zivilgesellschaft.

Aufgrund des gesetzlichen Zwangs, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, standen Frauen im Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften. Sie wurden schikaniert und festgenommen, wenn Haarsträhnen unter ihrem Kopftuch hervorschauten, wenn sie stark geschminkt waren oder enganliegende Kleidung trugen. Frauen, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzten, wurden Opfer staatlich unterstützter Verleumdungskampagnen.“

Es ist also wie ein Hohn auf die Frauen im Iran, wenn Regula Forster dort einen Preis empfängt. Mehr noch:

„Gerichte verhängten in zahlreichen Fällen Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Im April amputierte man Hamid Moinee in Schiraz (Provinz Fars) eine Hand und richtete ihn zehn Tage später hin. Er war wegen Mordes und Raubes schuldig gesprochen worden. Es gab mindestens vier weitere Amputationen wegen Raubes. Die Behörden vollstreckten auch erniedrigende Strafen. So wurden im April 2017 drei Männer, denen Entführung und andere Straftaten vorgeworfen wurden, durch die Straßen von Dehloran (Provinz Ilam) getrieben. Ihre Hände waren gefesselt, und sie trugen Wasserkannen um den Hals, die zur Toilettenspülung benutzt wurden. Im Juli wurden acht Männer in Pakdasht (Provinz Teheran) auf ähnliche Weise gedemütigt. Im Mai 2017 verurteilte ein Strafgericht in der Hauptstadt Teheran eine Frau wegen einer außerehelichen Beziehung zu zwei Jahren Leichenwaschung und 74 Peitschenhieben. Der Mann wurde zu 99 Peitschenhieben verurteilt.“

2017 gab es über 507 Hinrichtungen im Iran. In Deutschland ist die Todesstrafe verpönt.

Was sagt Forster ihren Kindern, mit denen sie so peinlich wirbt auf der Seite der FU, so als ob es irgend eine Bedeutung hätte, ob eine Wissenschaftlerin oder Arabistin Kinder hat oder nicht? Da lacht also Regula Forster herzlich in Teheran und empfängt als Arabistin einen Preis des Iran. Auch der Antisemitismus von Rouhani stört sie demnach überhaupt nicht, denn Rouhani ist berüchtigt, Israel wiederholt als „Krebsgeschwür“ bezeichnet zu haben.

Es ist ein weiterer Tiefpunkt der Wissenschaft in der Bundesrepublik, dass eine führende Universität wie die FU Berlin die Verleihung eines Preises aus den blutbeschmierten Händen des Iran an eine Forscherin nicht nur hinnimmt, sondern feiert.

Auch jene Kolleginnen und Kollegen, die in der Habilitationskommission für das nun vom islamistischen Regime in Teheran gepriesene Buch saßen, haben sich meiner Kenntnis nach weder von Regula Forster noch ihrem skandalösen Auftritt bei Rouhani distanziert:

„Gudrun Krämer, Birgit Krawietz, Renate Jacobi, Gotthard Strohmaier, Almut-Barbara Renger, Uwe Puschner, Montserrat Rabadán, Victoria Mummelthei“.

Forsters Arbeit handelt vom „Dialog“ in arabischen Quellen zumal des Mittelalters – „Wissensvermittlung im Gespräch. Eine Studie zu klassisch-arabischen Dialogen“ (Leiden/Boston: Brill, 2017). Wie zynisch muss eine Forscherin sein, die ein autoritäres Regime, das gegen Dialog ist und zumal westliche Forschung diffamiert und höchstens als notwendig für den Bau einer Atombombe anwendet, hofiert?

Forster tut so, als sei sie für den Dialog, ob das nun die von ihr untersuchten arabischen Quellen hergeben, steht auf einem anderen Blatt. Doch so zu tun, als ob frau offen, tolerant, gar wissenschaftsfreundlich sei, und dann in ein hardcore antiintellektuelles, autoritär-faschistoides, religiös fanatisches, islamistisches, freie Wissenschaft bekämpfendes, frauenverachtendes, antisemitisches und den Dialog mit den Gegnerinnen und Gegnern des Jihad im Iran und außerhalb des Iran nicht nur nicht suchendes, sondern Kritiker*innen einsperrendes, folterndes und ermordendes Regime zu fahren und sich selbst zu verschleiern, also zu islamisieren – das ist an Zynismus und brutalem Verhalten schwerlich zu überbieten.

Aber das ist Mainstream an europäischen Universitäten, Regula Forster ist ja weiterhin völlig anerkannt – und das ist der Skandal. Was sagen die Studierenden an der FU dazu, jedenfalls jene Arabistik-Studierenden, die keine Islamist*innen sind? Was sagen Pädagogik-Studentinnen dazu, wenn sie wissen, dass Frauen im Iran nur unter Lebensgefahr ohne Schleier herumlaufen können?

Namentlich Gudrun Krämers pro-islamistische Ideologie habe ich am Beispiel ihrer Rezeption eines führenden sunnitischen Agitatoren, der besonders aggressiv antisemitisch ist, Yusuf Al-Qaradawi, schon vor Jahren analysiert und kritisiert.

Es wundert nicht, dass Forster, die auch an der Birzeit Universität im Westjordanland war (die keine Juden oder jüdische Israelis einstellt, nicht mal Kritiker*innen der Besatzung der Westbank) und offenkundig eine Nähe zu antiisraelischen Kaderschmieden sucht, keine Kritik erfährt, immerhin ist Krämer eine sehr bekannte, ebenfalls preisgekrönte Professorin der FU Berlin.

Was lernen wir daraus? Der finnische Fußballer Riku Riski ist geradezu ein Held, obwohl er doch nur das Allerselbstverständlichste getan hat: Er hat gezeigt, dass er Anstand hat und Menschenrechtsverletzungen nicht einfach so weglächelt. Er ist angewidert von den Hunderten Toten auf den Baustellen in Katar.

Er hat womöglich auch eine Distanz zur Ideologie eines islamistischen Landes wie Katar, wo Yusuf al-Qaradawi seit Jahrzehnten ungestört seine Hetze verbreiten konnte und kann und von deutschen Islamforscherinnen ganz entzückt als „Global Mufti“ und quasi Popstar gefeiert wird (vor Jahren dankte al-Qaradawi Hitler für den Holocaust; Bettina Gräf, eine Schülerin von Gudrun Krämer, hat kurz vor Weihnachten 2005 ihren Helden al-Qaradawi in Doha, der Hauptstadt Katars, getroffen).

Was ist ein Land wie der Iran wert, wo an keiner einzigen Universität in Philosophie, Pädagogik oder einem anderen geistes- oder sozialwissenschaftlichen Studienfach ein Kurs über „Nietzsches Kritik am Christentum, am deutschen Antisemitismus und an Theodor Fritsch[i] mit Bezug zur Kritik am Antisemitismus der Islamischen Republik Iran“ angeboten werden kann? Was hält Forster von der Freiheit der Wissenschaft? Warum hofiert sie ein Land, das diese Freiheit mit Füßen tritt?

Die wenigsten Wissenschaftler*innen oder Fußballer haben Anstand und würden ihre Karriere wegen der Kritik an einem menschenverachtenden Regime aufs Spiel setzen, Kritik üben und sich dissident verhalten. Riku Riski ist eine rühmliche Ausnahme.

 

[i] Siehe dazu Christian Niemeyer, „Auf die Schiffe, Ihr Philosophen!“ Friedrich Nietzsche und die Abgründe des Geistes (Freiburg: Karl Alber, erscheint Frühjahr 2019).

©ClemensHeni

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