BiCSA

The Berlin International Center for the Study of Antisemitism

Frankreichs 9/11 und der antisemitische Islamismus

 Dr. Clemens Heni

Clemens Heni Foto: Privat

Der 13. November 2015 ist der schrecklichste Tag in der jüngeren französischen Geschichte. Bei sechs nahezu gleichzeitigen und koordinierten islamistischen Attacken wurden mindestens 128 Menschen ermordet und 180 verletzt. Zwei Anschlagsziele ragen heraus: Die Selbstmordanschläge vor dem Stade de France in St. Denis während des Fußball-Freundschaftsspieles Frankreich–Deutschland und der berühmte Klub Bataclan.

Das Stadion wurde offenbar nicht nur gewählt, um womöglich eine Massenpanik unter 80.000 Zuschauer/innen auszulösen, sondern auch um die Fußball-Europameisterschaft 2016 vorab zu attackieren. Es ist auch der erste jihadistische Terrorangriff auf die Bundesrepublik.

Das Massaker im Klub Bataclan, wo es die meisten Opfer gibt, hat durchaus einen antisemitischen/antizionistischen Hintergrund.

Dort stürmten vier mit Sprengstoffgürteln und Maschinengewehren bewaffnete Jihadisten den Saal, während die kalifornisch Band „The Eagles of Death Metal“ gerade den Song „Kiss the Devil“ spielte. Vermutlich 83 Menschen wurden bei dem Massaker von den Jihadisten ermordet.

Nun wollen die Jihadisten offenbar ein ganzes Land und eine ganze Welt in Terror versetzen.

Sie hassen selbstbestimmte Frauen, Homosexuelle, Ausgehviertel, Love, Sex und Rock’n’Roll, das sind Kernpunkte des Salafismus, des „legalen“ Islamismus wie des terroristischen Jihadismus.

Das Bataclan ist in Paris eine Institution seit dem 19. Jahrhundert. Doch seit 2007 wurde der Klub gezielt von muslimischen Antisemiten/Antizionisten attackiert, weil es auch israelische Veranstaltungen machte wie z.B. für die israelische Polizeieinheit Magav.

Das berichtete die französische Seite „Le Point“ unmittelbar nach dem jihadistischen Massaker. Die islamistische Gruppe Jaish al-Islam drohte 2011 das Bataclan zu attackieren, weil der Besitzer „jüdisch“ sei, so Le Point.

Im Dezember 2008 gab es dann ein Video von 10 jugendlichen Muslimen, die mit PLO-Tuch verkleidet dem Bataclan ebenfalls drohten, da es u.a. Veranstaltungen für die israelische Polizeieinheit Magav durchführe. Das Bataclan im Visier französischer antisemitischer Islamisten.

Die Band „The Eagles of Death Metal“ wurde von der antisemitischen BDS-Bewegung (derzeit angeführt wird von der EUropäischen Union) bedroht und ging im Sommer 2015 dennoch nach Israel und jetzt wurden die Fans in Paris auch dafür ermordet.

Der Antisemitismus ist der Kernpunkt des Jihad.

Der Verschwörungswahnsinn ist grenzenlos und der Juden- und Israelhass obsessiv.

Und natürlich ist die Türkei, ein Freund des Islamismus im allgemeinen und Unterstützer, so oder so, des ISIS im besonderen, auch mit involviert und somit auch auf ihre Weise die Bundesregierung, die viel zu freundlich mit dem Jihad umspringt (Iran, Türkei, DITIB in Deutschland etc.).

Lange werden wir warten müssen, bis die freundlichen „Experten“ den Antisemitismus als treibende Kraft des Jihad erkennen und bekämpfen. Da ist seit 9/11 so gut wie nichts passiert.

Und die Islamforschung kungelt mit dem Jihad wie gehabt, von den wenigen Ausnahmen, die es immer gibt, abgesehen.

Und man darf gespannt sein, ob auch in Frankreich diese antisemitische Motiviation beim Massaker im Bataclan thematisiert wird. Es zeigt auch wie jugendliche Hetze gegen einen Klub sich zum Massaker ausweiten kann.

Wir leben in der 9/11-Welt. Der Jihad ist die größte Gefahr für die Menschheit im frühen 21. Jahrhundert.

Und wiederum wird der Westen aller Voraussicht nach Versagen im Benennen der spezifisch islamistischen und auch antisemitischen Dimension der Massaker.

Als im November 2008 in Mumbai, Indien, ein ganz ähnlicher jihadistischer Angriff erfolgte, blieb der Aufschrei z.B. meiner deutschen, amerikanischen und (linken) israelischen Kolleginnen und Kollegen an der Yale-University, wo ich damals beschäftigt war, aus.

Sie waren alle noch ganz benebelt von Obamas Wahlsieg Anfang November 2008.

Auf der Gedenkfeier für einen Rabbi, der mit einem Rabbi von Yale befreundet war und in Mumbai massakriert wurde, begleitete mich nur eine weitere israelische Kollegin.

Die Bundesrepublik wird jetzt ein massives Ansteigen der Hetze von Seiten der AfD, Pegidas und wie sie alle heißen, erleben.

Dabei haben diese Organisationen gar nicht kapiert, dass es keine Flüchtlinge sind, die in Paris wie in Mumbai, London oder Madrid und Bali islamistisch mordeten.

Viele Flüchtlinge flohen vielmehr vor dem Terror des Jihad wie in Syrien oder dem Irak. Den Hass auf die westliche Welt, auf Amerika und Israel teilen die AfD und ihre Fans vielmehr, wie sich in Postern etwa des verschwörungsideologischen Magazins „Compact“ auf dem AfD-Aufmarsch in Berlin am 7.11. zeigte.

Ob Europa den Jihad endlich bekämpft ohne selbst völlig rechtsextrem zu werden?

Wann wird Merkel kapieren, dass Erdogan Teil des Problems ist und kein Kumpel?

Wann wird die Bundesregierung endlich verstehen, dass wir weltliche Begleitung von Flüchtlingen brauchen und keine islamistischen Organisationen, die ihre Direktiven aus der Türkei erhalten?

Überall lauern schon die Verharmloser des Jihad, wir werden es erleben.

Frankreich erlebte gestern den traurigsten Tag seiner jüngeren Geschichte. Europa, Obama und der Westen müssen endlich vereint mit allen anderen Kräften auf der Welt den Jihad als die größte Gefahr für den Weltfrieden erkennen, inklusive dem Iran, dessen Krokodilstränen über die Toten an Heuchelei unüberbietbar sind.

Dr. Clemens Heni ist Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA).

Dieser Text erschien zuerst bei den Ruhrbaronen.

IAEA: Verspieltes Vertrauen

Kommentar von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Vor einer Woche besuchte Yukiya Amano, seit 2009 Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die Islamische Republik Iran und »inspizierte« dort »die umstrittene Militäranlage Parchin«. Von seiner Reise brachte der Diplomat Proben mit, von deren Untersuchung seine Behörde sich Aufschluß über den Charakter des iranischen Atomprogramms erhofft.

 

Die IAEA soll nach dem am 14. Juli in Wien vorgestellten Abkommen zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats sowie Deutschland (E5+1) und der Islamischen Republik Teheran bis Mitte Dezember eine vertrauensstiftende Zusammenarbeit bescheinigen, damit ab Jahresbeginn gegen das Regime verhängte Sanktionen ausgesetzt oder aufgehoben werden können.

 

Nach seiner Rückkehr aus der Islamischen Republik zeigte Yukiya Amano sich insbesondere zufrieden über die Umstände, unter denen die Proben aus Parchin gewonnen worden seien, verzichtete aber auf nähere Angaben. Das übernahm die iranische Atombehörde, deren Sprecher Behruz Kamalvandi betonte, die IAEA sei an der Probenentnahme gar nicht beteiligt gewesen.

 

Die iranische Seite bestätigte damit, was Kritiker des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) befürchtet hatten: Das als beispiellos angekündigte Kontrollregime, das auf Mißtrauen basiere, baut tatsächlich bisher ganz auf Vertrauen in das Mullah-Regime. Und Yukiya Amano hat jetzt erneut bekräftigt, daß seine Behörde keinen Anlaß sehe, der iranischen Selbstkontrolle nicht zu trauen.

»We are very sure that the integrity of the (sampling) process is assured.«

Erneut allerdings behielt der IAEA-Chef Details für sich und wollte auch der iranischen Behörde nicht widersprechen. Wo nur Transparenz überhaupt Ansätze für Vertrauen schaffen könnte, wird auf diese Weise die IAEA selbst als Kontrollinstanz immer unglaubwürdiger. Das indes ist angesichts der Möglichkeiten der Technologie, um die es geht, schlicht unverzeihlich.

Recipe for Desaster: Die falsche Zeichensetzung der Vereinten Nationen

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Am Donnerstag hat sich, so jedenfalls deutsche Medien, der UN-Sicherheitsrat »zutiefst besorgt« über »Auseinandersetzungen auf dem Jerusalemer Tempelberg« geäußert und »zu Ruhe und Zurückhaltung aufgerufen«. Doch wie so oft ist das, wenn überhaupt, nur eine grobe Annäherung an die Realität, in der das höchste UN-Gremium sich tatsächlich beschämend parteiisch verhält.

 

So ist in der Stellungnahme des Sicherheitsrats eben gerade nicht vom Tempelberg die Rede, sondern ausschließlich von »Haram Al-Sharif«, womit er, wie der scheidende israelische UN-Botschafter Ron Prosor kritisiert, auch nur das Recht von Muslimen anerkenne, auf dem Gelände präsent zu sein und zu beten, während der jüdische Bezug zum Tempelberg ignoriert werde.

 

Heißt es im Statement des Sicherheitsrats, der »historische Status von Haram Al-Sharif« müsse »in Wort und Tat« gewahrt werden, so liegt der Schluß in der Tat nicht allzu fern, die Vereinten Nationen leugneten die hohe Bedeutung des Tempelbergs für das Judentum und würdigten damit eine gegenwärtig vor allem noch in und von Ramallah aus verbreitete Ansicht.

 

Vor diesem Hintergrund gewinnt ein zweiter Kritikpunkt Ron Prosors an Bedeutung: Er wirft dem UN-Sicherheitsrat Blindheit gegenüber palästinensischer Gewalt vor, eine durchaus komplizenhafte Ignoranz der Rolle, die die von Palästinenserpräsident Abu Mazen geführte Autonomiebehörde (PA) in dem andauernden Konflikt spielt, auf die auch Palestinian Media Watch hinweist.

 

Danach ist es die palästinensische Führung, die immer wieder Öl ins Feuer gießt, indem sie etwa das Werfen von Steinen als Form »friedlichen Protests« propagiert. Mit Steinen hatten auch die seit Beginn des neuen Jahres anhaltenden »Proteste« junger Palästinenser begonnen, die den Tempelberg zum Ausgangspunkt ihrer Angriffe auf Zivilisten und Sicherheitskräfte machten.

 

In ihrem Tun nicht zuletzt durch die amtlichen Medien Ramallahs angefeuert und unterstützt durch Solidaritätserklärungen arabischer und islamischer Despoten, halten die Gewalttäter die israelischen Sicherheitskräfte seit Tagen in Atem, die für den Freitag mit einem von verschiedenen palästinensischen Gruppierungen angekündigten »Tag des Zorns« eine weitere Eskalation erwarten.

 

Neben der Entweihung einer angeblich heiligen Stätte durch den arabisch-palästinensischen Mob sind bisher mehrere Verletzte zu beklagen und ein Toter. In der Nacht auf Montag attackierten Palästinenser den Wagen des 65jährigen Alexander Levlovich mit Steinen, der darauf die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und eine Laterne rammte. Später erlag er seinen Verletzungen.

 

Wendet der UN-Sicherheitsrat sich scheinbar äquidistant nun an »alle Seiten« und fordert sie auf, die »Ruhe wiederherzustellen« und die »Heiligkeit von Haram Al-Sharif zu respektieren«, verkennt er, von welcher Seite die Gewalt ausgeht und welche Seite in der Tat bemüht ist, die Würde einer heiligen Stätte ebenso zu achten wie einigermaßen friedliche Verhältnisse zu organisieren.

 

Dabei wäre eine Positionierung des UN-Sicherheitsrats, die in Ramallah als Verwarnung verstanden werden könnte, überfällig. Das Regime um Abu Mazen erwägt, die Osloer Verträge einseitig aufzukündigen und so einen ohnehin bestenfalls stagnierenden »Friedensprozeß« zu beenden, während der UN-Vollversammlung will der Palästinenserpräsident »eine Bombe platzen lassen«.

 

Reist er dafür Ende des Monats nach New York, wird ihn dort die Flagge seiner PLO erwarten, feierlich gehißt neben den Fahnen der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen. Mit ihrer Zustimmung zu einem entsprechenden Antrag der Palästinenser wollten bei 8 Gegenstimmen neben Frankreich 118 weitere UN-Mitglieder »ein starkes Zeichen« setzen, »ein Zeichen der Hoffnung«.

 

Worauf aber hoffen Steinewerfer, worauf eine Führung, die sie aufhetzt? Das wohlwollende Entgegenkommen, als das man die Entscheidung einer großen Mehrheit der UN-Vollversammlung für ihre Flagge sicherlich sehen kann, hat die Palästinenser jedenfalls nur zu mehr Gewalt angespornt. Mit seiner jüngsten Stellungnahme wiederholte der UN-Sicherheitsrat diesen Fehler.

»Sieg der Diplomatie«: US-Kongreß kann Wiener Abkommen nicht blockieren

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Während das Repräsentantenhaus am Donnerstag mit 245 gegen 186 Stimmen in einer Resolution zum Iran Nuclear Agreement Review Act festschrieb, die Regierung Barack Hussein Obamas habe die Volksvertreter gesetzeswidrig nur unzureichend über Einzelheiten zum Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) informiert, scheiterte im Senat ein erster Versuch seiner Ablehnung.

 

Zwar erhielt ein republikanischer Gesetzentwurf, der das Abkommen mit der Islamischen Republik Iran vom 14. Juli 2015 ablehnt, mit 58 zu 42 Stimmen die Unterstützung einer Mehrheit der Senatoren im US-Kongreß, es hätten jedoch 60 von ihnen für das Gesetz stimmen müssen, um es voranzubringen. Dem Präsidenten bleibt damit die Blamage eines Vetos erspart.

 

Der Kongreß kann zwar noch bis zum 17. September über das Abkommen von Wien beraten und theoretisch eine Ablehnung beschließen, sehr wahrscheinlich ist das aber nicht. Und auch die Resolution 411 mit ihrer Formulierung, die sechzigtägige Frist zur Prüfung des Deals durch den Kongreß habe wegen fehlender Informationen noch gar nicht begonnen, ist zunächst nur Theorie.

 

Ohnehin hätte eine Ablehnung des JCPOA durch den Kongreß wohl selbst dann nur eine begrenzte Wirkung, würde sie doch noch durch Barack Hussein Obama unterstützt werden. Weitere Vertragsparteien, darunter das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland, treten allzu offensiv für den Vertrag mit Teheran ein oder handeln bereits so, als sei er dort schon ratifiziert.

 

»Allein am Montag waren neben der österreichischen Delegation noch zwei weitere aus Tschechien und Spanien in Teheran – jeweils mit Außen- und Wirtschaftsminister sowie dutzenden Firmenvertretern. Irans Präsident Hassan Rouhani kann sich der Einladungen kaum erwehren, er könnte Berlin, Rom, Paris und London gleichzeitig besuchen.«

 

Bedenken, auch solche, die nicht im Zusammenhang mit den Problemen des JCPOA stehen, werden in der Euphorie über den »Sieg der Diplomatie« vergessen oder, wahrscheinlicher, bewußt ignoriert: die Menschenrechtslage in der Theokratie, die Unterstützung Teherans für Hisbollah und Hamas in deren Kampf gegen Israel oder für Bashar al-Assads Krieg gegen die syrische Bevölkerung.

 

Sorgt die iranisch-syrische Kooperation auch dafür, daß Menschen sich entweder islamistischen Terroristen anschließen oder mit ihrer Flucht nach Europa dort nicht nur Begeisterung auslösen, erklärt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Berliner Reichstag allen Ernstes, »eigentlich schafft das Abkommen mit dem Iran hier auch eine Chance.«

 

Und während der Sozialdemokrat das sprach, tobte mit Ayatollah Seyyed Ali Khamenei sich das politische und religiöse Oberhaupt des Regimes in Teheran via Twitter-Account aus: Weder werde es eine Annäherung an die USA geben noch Verhandlungen über Syrien. Und für Israel sehe er keine Zukunft, schon in 25 Jahren werde das »zionistische Regime« nicht mehr existieren.

 

Mit dem Wiener Abkommen wird genau diese Politik unterstützt, dieser Politikstil. Sanktionen werden aufgehoben, bisher eingefrorene Gelder in die iranische Hauptstadt fließen. Dieses Regime wird de facto ein Veto-Recht bei Inspektionen haben, manche – besonders in Parchin – wird es sogar selbst durchführen. Es behält eine atomare Infrastruktur, die es zudem ausbauen darf.

 

Präsident Barack Hussein Obama nannte die für ihn tatsächlich wenig schmeichelhaften Ergebnisse der Abstimmungen im Kongreß einen »Sieg der Diplomatie«, David Cameron, Francois Hollande und Angela Merkel belehren die Regierung in Jerusalem in der Washington Post, israelische Sicherheitsinteressen seien in ihren Händen besser aufgehoben als eben dort. Verkehrte Welt.

Hegemonieverschiebung des Antisemitismus in Spanien

Von Dr. Benno Herzog, Institut für Soziologie und Sozialanthropologie der Universität Valencia (Spanien)

Dr. Benno Herzog

www.uv.es/herben

@bennoherzog

 

Die Ereignisse um die Ein-, Aus- und Wiedereinladung des amerikanischen Juden Matisyahu zeigen ein tiefes Problem Spaniens und besonders der spanischen Linken mit dem Antisemitismus. Ein Problem, das sich durch die Kommunal- und Regionalwahlen im Mai diesen Jahres und die Parlamentswahlen am Ende des Jahres wohl noch verschärfen wird.

Am 28. Juli eröffnete der amerikanisch-jüdische Sänger Matisyahu die European Maccabi Games 2015 in Berlin. Am 25. August sang der Rapper und Reggae-Künstler in einer Synagoge vor Auschwitz und am 31. August im Rahmen des Jewish Culture Day der Heinrich Böll Stiftung in Berlin. Die Konzerte sind Ausdruck der Bemühungen, jüdischem Leben, jüdischer Kultur wieder einen Platz in Europa zu geben. Doch diese Bemühung wird nicht von allen geteilt wie die Vorgänge um das Konzert bei Europas größtem Reggae-Festival, dem Rototom Sunsplash im spanischen Benicàssim in der Nähe von Valencia, zeigten.

Matisyahu singt das Lied „Jerusalem“ auf dem Festival in Valencia

Was war geschehen? Die lokale BDS-Gruppe (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel) hatte gegen den Auftritt des Sängers mobil gemacht, der, obwohl selbst kein Israeli, so doch nach eigenem Bekunden ein „Freund Israels“ sei. Vor allem über soziale Netzwerke machte die Gruppe Druck auf andere Teilnehmer und erreichte schließlich, dass die Festivalleitung von Matisyahu als einzigem von 250 Künstlern ein klares Bekenntnis zu einem palästinensischen Staat verlangte. Nachdem Matisyahu auf diese Aufforderung nicht reagierte, wurde er ausgeladen. Erst jetzt reagierten Politiker, jüdische Verbände, Massenmedien und andere Gruppierungen wie die Vereinigung der Roma in Spanien mit einer scharfen Ablehnung dieses antisemitischen Angriffs. Auch die deutschsprachige Presse berichtete relativ ausführlich, wie z.B. der Tagesspiegel, die Frankfurter Rundschau oder auch die Jungle World. Nach breiten Protesten entschuldigte sich die Festivalleitung bei Matisyahu, lud ihn wieder ein und er durfte wie geplant am Abschlussabend auftreten. Einige Palästinafahnen, Pfiffe und Mittelfinger begleiteten sein Konzert.

Die Vorgänge um den Künstler sind leider nicht nur eine isolierte Anekdote, sondern symptomatisch für weite Teile der spanischen Gesellschaft, deren Antisemitismus hegemonial zu werden droht. In Spanien ist der sekundäre Antisemitismus, also derjenige welcher den Juden Auschwitz nicht verzeiht und ihnen im Gegenteil vorwirft, aus dem Holocaust nur Profit ziehen zu wollen, relativ gering ausgeprägt. Gleiches gilt für den islamischen Antisemitismus. Doch sowohl im rechtskonservativen als auch im linken Spektrum sind Ressentiments gegen Juden weit verbreitet.

Auf der rechten Seite mischt sich der nationalistische und rassistische Antisemitismus mit dem tief sitzenden und nie wirklich aufgearbeiteten katholischen Antijudaismus. Ignoranz und Unkenntnis gepaart mit einer Sozialisation durch den Franquismus, welcher im Juden das Gegenbild zum Nationalkatholizismus sah, sorgen hier dafür, dass Blutgerüchte über die Juden unhinterfragt weitergetragen werden können. So geschehen zum Beispiel an Ostern 2014, als die rechtskonservative Tageszeitung ABC von jüdischen Ritualmorden im Mittelalter berichtete, oder als die öffentlich-rechtliche Radioanstalt im Sommer 2015 ein Programm sendete, in welchem die Juden als Anbeter Satans beschrieben wurden. Natürlich muss man schon recht naiv sein um zu glauben, dass es solche abstrusen Positionen in einer pluralen Gesellschaft nicht gäbe, aber dass es bei renommierten Medien niemandem aufgefallen ist, welch gefährliche und haarsträubende Lügen hier veröffentlicht wurden, zeigt die Akzeptanz antijüdischer Vorurteile in weiten Kreisen der spanischen Gesellschaft.

Dieser rechtskonservative Antijudaismus ist zwar weit verbreitet, aber besitzt keine politische Hegemonie. So wurden beide erwähnten Beiträge nach entsprechenden Protesten schnell zurückgezogen. Auch zählt die spanische Beobachtungsstelle Antisemitismus eine Vielzahl von rechten antisemitischen Schmierereien, Tweets und Kommentaren, doch bewegen diese sich glücklicherweise im Abseits des öffentlichen gesellschaftlichen Konsenses.

Ganz anders sieht die Situation beim Antisemitismus von links aus, welcher in der Regel, wie im Falle der Kampagne gegen Matisyahu, als Antizionismus auftritt und stets bestreitet antisemitisch zu sein. Diese Form, welche von der enormen Macht der jüdischen, israelischen oder zionistischen Lobby ausgeht, arbeitet in der Regel mit doppelten Standards, deslegitimiert die Existenz Israels und dämonisiert das Verhalten des jüdischen Staates bei gleichzeitigem Stillschweigen über islamischen und antisemitischen Terror. Dieser Antisemitismus wird offen in breiten, linken Kreisen, von der Vereinigten Linken über die neue Partei Podemos bis hin zu den Sozialdemokraten der PSOE vertreten sowie in einer Vielzahl von sich antirassistisch und antifaschistisch verstehenden Gruppen.

Wenn es aus diesem Spektrum zu antisemitischen Ausfällen kommt wie im Falle der Boykottkampagne gegen Matisyahu, dann werden diese bei Protest eben nicht zurückgezogen. Das Verhaltensmuster der BDS-Gruppe und deren Anhänger kann dabei als typisch angesehen werden. Die Kritik an der Boykottkampagne zeige lediglich, wie sich zionistische Lobby und Machteliten verbündeten. Jegliche Kritik an der israelischen Politik werde gleich als Antisemitismus abgestempelt. Und im Übrigen sei man antizionistisch und nicht antisemitisch, wobei man letzteres schon deshalb nicht sein könne, weil die Palästinenser ja auch Semiten seien und man sich doch als pro-palästinensisch verstehe.

Der ehemalige sozialistische Präsident Spaniens, Zapatero, der sich auch schon mal mit Palästinenserschal fotografieren ließ, brachte die Einschätzung vieler Linken vor einiger Zeit auf den Punkt: „Es gibt keinen Antisemitismus in Spanien […] Antisemitismus, das war die Franco-Diktatur.“ Die spanische Linke ist so sehr damit beschäftigt mit dem Finger nach rechts zu zeigen, dass sie es komplett versäumt, eine differenzierte Haltung zu Israel zu entwickeln und sich von antisemitischer Rhetorik in den eigenen Reihen zu distanzieren. Die Rede von den zwei Spanien, dem rechten und dem linken, zwischen denen eine tiefe ideologische Kluft liegt, hilft, dieses Phänomen zu erklären. Zu klar steht der Feind gerade für die Linken in den Reihen der anderen, zu erbittert wird der (notwendige) Streit um die Aufarbeitung der spanischen Vergangenheit geführt, um den Gedanken zulassen zu können das eine Selbstkritik etwas anderes sein könnte als ein Verrat an der Sache.

Das neue Selbstbewusstsein der Linken durch den Wahlerfolg bei Kommunal- und Regionalwahlen im Mai dieses Jahres und wahrscheinlich auch bei den Parlamentswahlen Ende 2015, könnte dazu beitragen das dieser antizionistische Antisemitismus noch stärker und offener vertreten wird als bisher. Es gibt kaum eine öffentliche Instanz, die dieser Hegemonieverschiebung etwas entgegenzusetzen hätte. Eine Linke ohne Antizionismus ist derzeit in Spanien schwer vorstellbar.

Aufgrund dieser Polarisierung hat es bei der Auseinandersetzung um Matisyahu auch keinen Sieger geben können. Die Einschätzung von Alex Feuerherdt, wonach die BDS-Kampagne mit dem offensichtlichen Antisemitismus ein Eigentor geschossen hätte, da nun ihre üblen Methoden und Ziele deutlicher geworden wären, teile ich ausdrücklich nicht. Sehr wohl mag es von außen nach einer großen Blamage des BDS ausgesehen haben. Die Kritik von Seiten der nationalen und internationalen Medien, die Stellungnahmen aus der spanischen, amerikanischen und israelischen Politik, die Wortmeldungen internationaler Verbände haben den Boykottaufruf als antisemitisch motivierte Untat aufgezeigt. Das Festival hat schließlich Matisyahu wieder eingeladen, womit gezeigt wurde, dass es möglich ist, dieser Art Hetzkampagnen etwas entgegenzusetzen.

In Spanien selbst aber hat sich in den Augen der meisten Linken der BDS jedoch leider überhaupt nicht diskreditiert. Im Gegenteil, die valencianische BDS-Gruppe hat enorme Zustimmung von linken Organisationen, Parteien und Einzelpersonen gerade auch nach der internationalen Schelte erhalten. Sie habe es gewagt, als David gegen den zionistischen Goliath anzutreten. Vor allem aber hat die BDS-Kampagne ihre Position tagelang in den verschiedensten Medien vertreten können. Der Angriff auf Matisyahu war dabei sowieso nur Mittel zum Zweck.

 

Komplizen des Terrors: NGOs machen Stimmung gegen Israel

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Vor einem Jahr, am 27. August 2014, hatte der Hamas-Führer Ismael Haniya nichts als gute Nachrichten für die Bevölkerung Gazas. Der Krieg, den seine Organisation mit »Raketen auf Haifa« begonnen habe, so der Islamist, sei mit »Raketen auf Haifa« erfolgreich beendet worden. »Unmöglich« sei es, die Tragweite dieses »beispiellosen Sieges mit Worten zu beschreiben«.

 

»›Der Sieg kennt keine Grenzen in Raum und Zeit. Dieser Krieg ist eine Schlacht, für die es in der Geschichte des Konflikts mit dem Feind kein Beispiel gibt‹, erklärte er und betonte, seine Organisation bereite bereits die ›ultimative Schlacht‹ vor.«

 

Dennoch ist es Israel, das auch zwölf Monate später sich Vorwürfen ausgesetzt sieht, gegenüber dem von der Hamas beherrschten Gaza eine nicht zu rechtfertigende Politik zu betreiben – bereits knapp 600.000 Unterschriften konnte eine Petition zahlreicher NGOs sammeln, die pünktlich zum Jahrestag des »unbeschreiblichen Sieges« verstärkten internationalen Druck auf Israel fordert.

 

Von Avaaz über das Büro der deutschen Heinrich Böll Stiftung in Ramallah, das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS), Medico International,Oxfam und Pax Christi bis hin zu World Vision International verlangen mehr als drei Dutzend Organisationen mit der Petition ein Ende der »Blockade« Gazas, die ihrer Ansicht nach eine »Hauptursache« des Konflikts ist.

 

Mit ihrer Aktion, die im Sekundentakt Unterstützer aus aller Welt findet, beweisen die Organisatoren, daß es ihnen tatsächlich nicht um das Wohl von Palästinensern geht, sondern um die Verleumdung Israels. So leugnen sie zwar terroristische Angriffe auf Israel nicht und deuten an, sie abzulehnen, zugleich aber bestreiten sie Israels Recht (und Pflicht!) zur Selbstverteidigung.

 

Die »Blockade«, die ja tatsächlich keine ist – die Vereinten Nationen zählten in den ersten sieben Monaten 2015 über 44.000 Truckladungen, die die Grenzen nach Gaza passierten –, sondern den Personen- und Güterverkehr von und nach Gaza kontrollieren soll, wird als eine Maßnahme gegen Terrorismus ebenso abgelehnt wie ein militärisches Vorgehen gegen ihn.

 

Gleichzeitig verzichten die Initiatoren der Petition auffällig auf eine Kritik der Hamas-Herrschaft in Gaza. Erklärte Ziele der Islamisten sind die Vernichtung des jüdischen Staates und der Genozid an Juden. All ihr Handeln ordnet die Hamas diesen Zielen unter, was exemplarisch Ismael Haniyas »Siegesrede« demonstriert oder jüngst Ferienlager, in denen Kinder für den Jihad gedrillt wurden.

 

Daß manch ein Sponsor unter solchen Umständen sich fragen mag, welchen Sinn Hilfe zum Wiederaufbau einer Infrastruktur hat, die in der schon angekündigten »ultimativen Schlacht« wahrscheinlich doch nur erneut zerstört wird, ist nachvollziehbar. Statt gebrochene Geldzusagen zu beklagen, sollte die Verwendung bisheriger Zuwendungen hinterfragt werden.

 

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier lag nicht ganz falsch, als er vor einer »Wiederaufbaukonferenz« im ägyptischen Kairo erklärte, »Gaza darf nicht mehr von der Hamas und anderen Extremisten als Waffenlager missbraucht werden«. Wäre diese Forderung erfüllt, ließe sich über den schon wieder weniger überlegten Wunsch des Sozialdemokraten nachdenken:

 

»Die Menschen in Gaza müssen wirtschaftliche Perspektiven und Bewegungsfreiheit erhalten.«

 

Gewiß jedenfalls ist, daß Israel nicht zuzumuten ist, dieser zweiten Forderung vor der Erfüllung der ersten nachzugeben. Uneingeschränkte Freiheit für Gaza kann es ohne Freiheit von der Hamas nicht geben, ohne Freiheit von Jihadismus und Antisemitismus. Wer sich dieser Erkenntnis verweigert und einseitig die »Blockade« verdammt, an dessen Redlichkeit darf getrost gezweifelt werden.

 

Bedauerlich ist, daß den Menschenfängern von Avaaz, Böll-Stiftung, HEKS& Co., die mit ihrer Petition sich zu Komplizen der Hamas machen, so viele Unterzeichner auf den Leim gehen. Sie sind, ob sie wollen oder nicht, die Wegbereiter für die nächste Runde jener »Schlacht, für die es kein Beispiel gibt«, und von der nur Gestalten wie Ismael Haniya wirklich schwärmen können.

Vertraulichkeit und Vertrauen: Wer wird Parchin inspizieren?

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Mit einer Meldung über den Inhalt einer Verabredung zwischen der Islamischen Republik Iran und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sowie der späteren Veröffentlichung einer als authentisch vorgestellten Abschrift des Dokuments ist es der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) gelungen, Zweifel am Atomabkommen mit Teheran zu wecken oder zu bestätigen.

 

Der am 14. Juli in Wien vorgestellte Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), mit dem die Islamische Republik Iran nach optimistischeren Einschätzungen sich im Gegenzug für eine internationale Rehabilitierung für mindestens zehn Jahre verpflichtet, auf die Entwicklung von Kernwaffen zu verzichten, sieht die Untersuchung vergangener iranischer Aktivitäten vor.

 

Sollte diese Überprüfung ursprünglich auch als Test der Ernsthaftigkeit des Mullah-Regimes dienen und mit ihr erst die Voraussetzungen für ein umfassenderes Abkommen geschaffen werden, wurde sie im Laufe der Gespräche zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland – den P5+1-Staaten – sowie Teheran zum Bestandteil des JCPOA gemacht.

 

Darum, wie diese in die Vergangenheit gerichteten Untersuchungen, mit denen die IAEA ebenso betraut wurde wie mit der Überwachung der weiteren Umsetzung des JCPOA, konkret aussehen sollen, entbrannte früh ein Streit im US-Kongreß, der das Abkommen, das zwar schon den UN-Sicherheitsrat passiert hat, noch bis Mitte September einer intensiven Prüfung unterzieht.

 

Im Juli konfrontiert mit damals noch Gerüchten, nicht Experten der IAEA, sondern von Teheran beauftragte Spezialisten würden die Anlagen in Parchin inspizieren, wich US-Außenminister John Kerry aus. Er wisse nicht, was Teheran und die IAEA vertraulich miteinander ausgemacht hätten, erklärte er dem demokratischen Senator Bob Menendez ebenso wie dem Republikaner Jim Risch.

 

Die IAEA berichtete bereits früh von verdächtigen Aktivitäten in Parchin, die nach ihren Angaben bis in das Jahr 2000 zurückreichen. Zwar konnten danach IAEA-Kontrolleure 2005 den Komplex Parchin besuchen, jedoch hätten sie dabei nicht jene Gebäude untersucht, in denen möglicherweise an Kernwaffen geforscht worden war. Seither fehlt der IAEA der Zugang zu Parchin.

 

Nach Angaben von AP, die freilich frühere Aussagen von Vertretern des Regimes in Teheran nur bestätigen, soll sich daran nichts ändern: »Dem Iran wird von der Internationalen Atomenergiebehörde erlaubt, eine zentrale Atomanlage von eigenen Experten überprüfen zu lassen«. Zitierte die Nachrichtenagentur anfänglich nur aus dem Dokument, publizierte sie es später.

 

Und in der Tat bestätigt das »Separate arrangement II«, was bereits die früheren Gerüchte befürchten ließen. Die IAEA keine eigenen Experten nach Parchin entsenden, sondern allenfalls ein paar »vom Iran bereitgestellte« Proben, Photographien und Videos bekommen. Ob das ausreichen wird, ein Urteil über in Parchin vermutete illegale Aktivitäten zu fällen, muß bezweifelt werden.

 

Selbst wenn man annimmt, die Islamische Republik Iran kooperiere bereitwillig, litte die Glaubwürdigkeit unter solchen Umständen gewonnener Erkenntnisse doch gehörig unter ihnen. Und war es nicht US-Präsident Barack Hussein Obama, der am 14. Juli versicherte, »dieses Abkommen basiert nicht auf Vertrauen, es baut auf Kontrollen auf«? Was wurde aus diesem Versprechen?

 

Yukiya Amano, der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, erklärte, AP fehlinterpretiere die Verabredung seiner Organisation mit Teheran, ausdrücklich widersprechen wollte er der Nachrichtenagentur indes nicht. Die Regierung in Washington beharrt unterdessen darauf, »die IAEA überlasse ›in keiner Weise‹ die Verantwortung für Kontrollen dem Iran«.

 

So steht nun Aussage gegen Aussage. Auf der einen Seite haben Repräsentanten des Mullah-Regimes immer wieder betont, ausländischen Inspektoren werde kein Zugang zu Anlagen wie der in Parchin gewährt, und scheint das »Separate arrangement II« doch genau diese Ankündigungen umzusetzen. Auf der anderen Seite steht eine Regierung, die das Gegenteil behauptet.

 

Dafür, daß die gleiche Regierung eben noch jede genauere Kenntnis von Nebenabreden zum Wiener Abkommen bestritt, ist sie plötzlich erstaunlich gut informiert. Dieses Verhalten kann nur Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit wecken. Immerhin aber ist jetzt nachvollziehbar, weshalb das Weiße Haus es so eilig hatte, im UN-Sicherheitsrat über den JCPOA abzustimmen. Der Deal steht. Leider.

Whither Germany?

By Ron Jontof-Hutter, BICSA Senior Research Fellow

In 321 CE, Constantine made reference to Jewish communities living along the Rhine. At about the same time, pagan Germans started a process over some centuries of adopting Christianity. In the 8th century, Charlemagne saw the value of Jews, who despite discrimination thrived under his rule. However, the Crusaders in 1096 massacred Jewish communities along the Rhine and five centuries afterwards in 1543, Martin Luther advocated the destruction of Jewish life—his wish would be granted about 400 years later when the Nazis implemented their Final Solution. After the European Enlightenment and its limited extension of civil rights for Jews, 700-800 Jews in Germany and Austria converted annually in the 19th century through to the Weimar period so as to advance their social and professional lives. Famous examples were Heine who could not get employment despite being a doctor of law, and Mahler who had to convert in order to take the post of conductor of the Vienna Court Opera . After the First World War, German Jews were finally admitted to all universities.

Jewish and Christian Germans have had a long symbiotic relationship extending about 1800 years. With liberation and in many cases conversion, about 22% of Germany’s pre-1933 Nobel laureates were Jews despite being less than 1% of the population. So what happened to this prosperous symbiotic relationship?

Germany’s greatest cultural icons are arguably Luther, Goethe, Wagner and more recently Gunter Grass who posed as the ‘post-war conscience of Germany’. While Luther ‘s hatred of Jews was mostly theologically based, the others also included a cultural-ethnic hatred. Apart from Grass who served in the Waffen SS, Hitler embraced Goethe and Wagner as reflecting his national-socialist worldviews.

The basis of the modern church has been the teachings of Augustine who inter alia condemned Jews to pariah status with his ‘eternal witness’ dictum. This status has been a central feature of European art, literature, politics and European soccer that persists to this day. One result of this pariah status has been Europe’s cold and ambivalent attitude towards Israel, both before and after the Six Day War of 1967. Augustine’s ‘eternal witness’, which glaringly contradicts the notion of a thriving independent Jewish state— Israel—has never been repudiated. Indeed, Israel became the personification of Augustine’s unwanted, wandering Jew which Wagner depicted metaphorically in his operas.

In 2017, Luther’s Reformation of 500 years ago will be celebrated in Germany and much of Europe. The Jewish community of Germany has requested that his violent hatred of Jews be finally condemned. It should have been repudiated at least 70 years ago after the Shoah—without prompting.

Gunter Grass, the pacifist who accused Israel of being a threat to world peace, as the Nazis did with the Jews, claimed that though he served in the SS, he never killed anyone. Groening, also in the SS, recently convicted as the Auschwitz ‘bookkeeper’ and accessory to mass murder, also claimed he had never killed anyone. But then neither did Wagner nor Luther. Yet all were ideologically similar in their hatred of Jews and belief in the betterment of the world free of Jews.

Some years after the Shoah, Germany embarked on a ‘special relationship’ with Jews and Israel though not without objection. German scientists were instrumental in developing rockets for Egypt.

The ‘special relationship’ has been a mixed success. This year has marked the 50th anniversary of German-Israel diplomatic relations. Dr Merkel has stated that Germany’s raison d’etre is the State of Israel. While well meaning, Merkel’s Germany is ambivalent to the Jewish State. Most Germans surveyed in a recent BBC Poll as well as other polls, regard Israel negatively which includes Holocaust inversion. True, despite opposition by some lawmakers, Germany sells submarines to Israel. On the otherhand, Germany does not have a good voting record with Israel at the UN including the recently one-sided UNHRC resolution.

Germany’s ambivalence to Israel has been a feature of its ‘special relationship’. While Germany was a major supplier of military equipment to Israel until 1967, it nevertheless backed out of an agreement in 1965 to supply tanks to Israel. In 1970, Chancellor Willy Brandt knelt in contrition at the Warsaw Ghetto Uprising Memorial , yet the same Willy Brandt denied German landing rights to American planes bringing urgent military supplies to Israel, which was facing defeat in the initial stages of the Yom Kippur War. In 2011, Deutsche Bahn (German Railways) under government pressure pulled out of the Tel Aviv-Jerusalem fast train project because it passed through ‘occupied territory’.
Also in 2011, Germany decided to phase out nuclear power following the Fukushima disaster. It was considered potentially too dangerous for German citizens. Yet recently, Germany slammed Israel for criticising the Iran-P5+1 agreement which appeased an Iran that is developing a nuclear-missile program, supports international terror organizations and regularly threatens to wipe out Israel. Apparently remote nuclear-power accident risks for Germans are not OK, but close-by nuclear holocaust risks for Israel are worth taking.

Dr Merkel has acknowledged that Jews in Germany require synagogues to be guarded which she deems shameful. A post –war generation has not rid itself of prejudice. In German schools, the word ‘Jew’ is a common curse word among children. Moreover, crude anti-Semitic cartoons have occasionally been depicted in respectable newspapers such as the Sueddeutschezeitung. Recently a journalist with NDR (North German Broadcasting) referred to the new conductor of the Berlin Philharmonic as a ‘ Jewish caricature and… gnome’, while Die Welt commented that three of Berlin’s prominent conductors were Jews. Seventy years after the fall of Nazi Germany, participants in the annual Iranian-sponsored Al Quds Day March through Berlin call for the death of Israel and curse Jews. Each year, the government has been deaf to appeals to ban this anti-Semitic event. Yet giving the Nazi salute is punishable.

As Holocaust survivors die out, it appears that Germany will align itself more with the EU foreign policy. Policy makers will at best pay lip service to the ‘special relationship’. Trade with Iran that regularly threatens Israel’s very existence, is seen as the last major economic frontier to be exploited, regardless of Israel. Economics minister and Merkel’s deputy Gabriel, who shamefully referred to Israel as an ‘apartheid-state’ rushed to visit Iran to advance lucrative deals with a regime that executes some three people per day including gays, juveniles and religious minorities. His formal PC statement of ‘Israel’s right to exist’ rang hollow which was immediately rejected by the Iranian president.

Avarice and opportunism appear to be part of German and European determination to advance agendas regardless of the consequences. Germans believe they have paid their debt to the Jewish people, despite Merkel’s raison d’etre assertions. While Germany supports Israel’s ‘right to exist’, it nevertheless supports policies that endanger that right, including the demand to return to the 1948 cease fire lines that most military experts deem indefensible.

Germany’s ambivalence to Jews and Israel is rooted in the beliefs of Augustine and Luther. Their call to ostracise Jews has never been repudiated. It is long overdue, because it is the basis of the BDS campaign, EU hypocrisy at the UN, as well as European and church-sponsored NGOs that have radical anti-Israel agendas. NGO Monitor has documented these activities in detail.

In 2012, the Bundestag-appointed Longerich Commission on anti-Semitism recommended new strategies to combat widespread prejudice, clichés and ignorance about Jews and Judaism. The report gathered dust. Occasionally dramatic incidents like the Paris Hyper Cacher supermarket or Copenhagen synagogue murders elicit public handwringing. The ambivalence continues.

Germany can help lead the way in Europe by embarking on new creative strategies to uproot its anti-Semitic culture. Some points of departure:

  • Repudiate Augustine’s ‘eternal witness’ dictum and denounce Luther’s incitement against Jews. It is long overdue.
  • Recognise and teach that Jews, though the indigenous people of Israel, have a unique history that includes a symbiosis with Germans over 1800 years. Additionally, German school children should learn about the Jewish contribution to civilization over 4000 years—not just about the Shoah which in any case is now often viewed as having ‘victimised’ the Palestinians.
  • Educate audiences at relevant cultural events like the prestigious Wagner Festival, by explaining the meaning of Wagner’s opera metaphors in the program notes.
  • The churches should come clean with their double-speak about Jews and Israel’s ‘right to exist’ while indirectly supporting the overthrow of the Jewish state though radical NGOs. The recent warm welcome given to Bishop Tutu promoting his mendacious BDS activities is inappropriate, while the explicit rejection of the inflammatory Kairos Palestine Document would be a good start.
  • Include Hebrew in university studies of the Classics. The language of the Bible and a basis of western thought should surely be studied along with the cultures of Ancient Greece and Ancient Rome. That Hebrew has never been included in Classical Studies is puzzling.

Germany as the leading nation in Europe, can demonstrate its sincerity and determination in checking anti-Semitism. It can move beyond the Holocaust as the alpha and omega of its Jewish problem, its increasing alignment to European hostility towards Israel, and embark upon a bold new direction. Does it have the political will to do so? Or will Germany maintain the status quo and manage rather than try and resolve its anti-Semitism?

Ron Jontof-Hutter was born in South Africa from German parents. He has a background in the performing arts, clinical psychology and professional writing. His satirical novel called ‚The Trombone Man: Tales of a Misogynist‘ on political correctness, misogyny and anti-Semitism is to be released soon.

First published with the Times of Israel, August 13, 2015.

Formfragen? Obama und der traditionelle Antisemitismus

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

In vier Wochen wird der Kongreß in Washington nach einer eingehenden Prüfung über den am 14. Juli in Wien vorgestellten Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) abstimmen. Mindestens bis dahin dürfte der Vertrag zwischen den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats sowie Deutschland und dem Regime der Islamischen Republik Iran noch für Diskussionen sorgen.

 

Und diese Auseinandersetzungen werden, obschon das Abkommen bereits den Segen des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen hat, bis zum Votum des amerikanischen Parlaments wohl noch an Schärfe gewinnen, nicht jedoch an Würze. Denn schon jetzt scheinen vor allem den Anhängern des Abkommens die sachlichen Argumente ausgegangen, nicht hingegen die Beleidigungen.

 

Seit er in der vorvergangenen Woche mit einer von beachtlicher Nachdenklichkeit geprägten Erklärung angekündigt hat, dem JCPOA nicht zustimmen zu können, ist es dabei der demokratische New Yorker Senator Charles »Chuck« Schumer, der den blinden Zorn von Anhängern des amerikanischen Präsidenten Barack Hussein Obama in besonderem Maße zu spüren bekommt.

 

Wurden Kritiker des Abkommens mit dem Regime in Teheran bisher schon vom Team Obama der »Kriegstreiberei« gescholten, ist der Antisemitismus im am 8. August veröffentlichten Cartoon des bekannten Online-Magazins Daily Kos, das den Demokraten nahesteht, nicht zu übersehen: Charles Schumer wird dort offen als Jude attackiert, dessen Loyalität Israel gälte und nicht den USA.

 

Einige Tage zuvor hatte bereits die New York Times in einem Editorial über republikanische Abgeordnete geklagt, die nicht nur ihrem »eigenen Oberbefehlshaber«, gemeint ist Präsident Barack Hussein Obama, widersprechen, sondern auch noch gemeinsame Sache mit einem »ausländischen Führer«, nämlich dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu, machen würden.

 

Es sind vielleicht diese beiden Veröffentlichungen, der Leitartikel der New York Times und der Daily Kos-Cartoon, die das Umschlagen von einer engagierten Debatte, deren Teilnehmer sich zwar nichts schenken, sich aber mit Respekt begegnen, in eine üble Schlammschlacht markieren. Und es ist alarmierend, daß die Regierung in Washington antisemitischen Untertönen nicht widerspricht.

 

Vielmehr verfehlt sie selbst einen noch satisfaktionsfähigen Tonfall. »Als Obama eine Verbindung herstellte zwischen Geld, jüdischer Macht (einer proisraelischen Lobby) und der Möglichkeit, daß sie Amerika in einen sinnlosen Krieg hineinziehe, klang es beinahe, als zitiere er die abscheulichen Protokolle der Weisen von Zion«, schreibt der Politikwissenschaftler Prof. Abraham Ben-Zvi.

 

»Dieser Gebrauch antijüdischer Hetze als Mittel in der politischen Auseinandersetzung in Amerika stellt eine erschreckende neue Entwicklung dar«, analysiert das Tablet Magazine, »und wir haben, noch bedauerlicher, auch aus unserem Weißen Haus und von unseren Repräsentanten davon zuletzt mehr als genug gehört«, eine »rote Linie« sei in der Diskussion um den Deal überschritten worden.

 

Auch Abraham Foxman, der ehemalige Vorsitzende der Anti Defamation League (ADL), warnt eindringlich, die Rhetorik Barack Hussein Obamas könnte antisemitische Ressentiments schüren, selbst wenn dies sicherlich nicht beabsichtigt sei. Zuletzt forderte das Simon Wiesenthal Center den US-Präsidenten auf, »Dual Loyalty«-Vorwürfe einzustellen und zu Sachlichkeit zurückzukehren.

 

Und, möchte man hinzufügen, sich daran zu erinnern, was noch vor knapp zwei Jahren als ausgemacht galt: »Unser Ziel ist es, den Iran dazu zu bringen, zu begreifen, daß er sein Atomprogramm aufgeben muß«. Der damit für einen besseren Deal und um Wählerstimmen warb, war weder Jude noch Republikaner noch ein Kriegstreiber, sondern der kurz darauf im Amt Bestätigte.

Kontrollverlust

Von Thomas Weidauer, Policy Analyst (BICSA)

 

Noch kurze Zeit vor der Präsentation des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) war es ausgerechnet Federica Mogherini, die Hohe Außenbeauftragte der EU, die wiederholte, was bis dahin Konsens unter den mit dem iranischen Regime über dessen Atomprogramm verhandelnden Staaten war: Ohne Aufklärung über vergangene Aktivitäten könne es keinen Deal geben.

 

Als das Abkommen von Wien am 14. Juli dann vorgestellt wurde und US-Präsident Barack Hussein Obama erklärte, »this deal is not built on trust; it is built on verification«, war aus der Vorbedingung ein Vertragsbestandteil geworden, die Klärung der Frage also, ob das Mullah-Regime in der Vergangenheit versucht hatte, in den Besitz von Kernwaffen zu gelangen, auf später verschoben.

 

Ein Standort des iranischen Atomprogramms, für den sich – freilich weitgehend vergeblich – bereits bisher immer wieder die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) interessierte, ist Parchin. Vor zehn Jahren konnte die IAEA Parchin zwar besuchen, wie ihr Generaldirektor Yukiya Amano aber einräumte, habe man »nicht genügend Informationen gehabt, ›um die richtigen Orte zu prüfen‹«.

 

Seit 2012 bemüht sich die IAEA wieder darum, Parchin zu inspizieren, nachdem die Islamische Republik dort die Detonation einer Atombombe simuliert und versucht haben sollte, Spuren des Experiments zu beseitigen. »On 25 May [2012], satellite pictures showed the demolition of two buildings at the scene, leaving nothing but the trails of the bulldozers that cleared the buildings«.

 

Nun werden erneut Vermutungen laut, das Regime in Teheran könnte in Parchin versuchen, Spuren früherer Aktivitäten zu vernichten, die nicht zu seinen Versicherungen passen, nie nach nuklearen Waffen gestrebt zu haben. Wie Bloomberg berichtet, haben amerikanische Nachrichtendienste den Kongress vertraulich über verdächtige Bautätigkeiten in Parchin unterrichtet:

 

»Intelligence officials and lawmakers who have seen the new evidence, which is still classified, told us that satellite imagery picked up by U.S. government assets in mid- and late July showed that Iran had moved bulldozers and other heavy machinery to the Parchin site and that the U.S. intelligence community concluded with high confidence that the Iranian government was working to clean up the site ahead of planned inspections by the IAEA.«

 

Während die iranische UN-Vertretung in New York nach Angaben der amtlichen FARS News Agency abwinkt, »construction operations in there are natural and common« [sic!], zeigen diese Vorgänge, wie wichtig es wäre, nicht bloß zu verkünden, »this deal is not build on trust«, sondern auch in der Realität über ein »historisch beispiellose[s] Sonder-Überwachungsregime« zu verfügen.

 

Ein solches hatte mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch im April ein weiterer »Architekt« des Abkommens von Wien versprochen. Doch einerseits ist der JCPOA noch nicht ratifiziert und könnten andererseits unter seinen Bedingungen sich UN-Kontrolleure eben nicht ins nächstbeste Flugzeug setzen, um den »Straßenbauarbeiten« alsbald vor Ort zuzuschauen.

 

Was immer sich in Parchin zutrug oder zuträgt – es wird wohl ein Geheimnis derer bleiben, die daran beteiligt sind. Dass vor diesem Hintergrund aber US-Außenminister John Kerry im Kongress nachgerade realsatirisch auftritt oder US-Präsident Barack Hussein Obama Kritikern des Deals Säbelrasseln und Alternativlosigkeit vorwirft, kann und muss bedenklich stimmen.

 

Auf seiner Website zum »historischen Abkommen« belehrt das Weiße Haus derweil, »›anytime, anywhere‹ inspections sound good«, nur um zu erklären, weshalb gerade solche Kontrollen nicht nötig seien: »›Anytime, anywhere‹ inspections are simply unnecessary thanks to the deal.« Und weil eine iranische Atombombe im JCPOA einfach nicht vorgesehen ist, wird es sie nicht geben.

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